Zwischen Affirmation und Aleatorik – Adorno und die Spaßkultur

Zu seinem hundertsten Geburtstag ist der Philosoph, Soziologe und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno (1903–1967) mit zahlreichen Ehrungen, Symposien und Sondersendungen bedacht worden. Das Adorno-Jahr 2003 hat naturgemäß auch eine Flut von Publikationen gebracht. Das Spektrum ist dabei außerordentlich breit und reicht von der höchst seriösen, DFG-geförderten Mammut-Biographie bis hin zu eher belanglosen Bändchen, die der „Nippifizierung“ (Ulrich Holbein) des Philosophen Vorschub leisten.
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Gewalt im Mittelalter. Realitäten – Imaginationen

Die Geschichte des Menschen schreibt sich als eine Geschichte der Gewalt. Als paradigmatische Epoche für diesen Umstand gilt landläufig das Mittelalter, in dem die Gewalterfahrung ein fester Bestandteil des alltäglichen Lebens war. Mit dem Aufkommen der Höfischen Literatur im 12. Jhd. sowie der Städtischen Literatur seit dem 14. Jhd. und der damit einhergehenden Verbreitung der Schriftsprache, erreichte dieses zentrale Thema seine Blüte. Von den frühen französischen Heldenepen, den „chansons de geste“, über Boccaccios „Decameron“ bis hin zur Märendichtung eines Heinrich Kaufringers oder Hans Rosenplüts wurde Gewalt als literarischer Gestus unter verschiedensten Gesichtspunkten dem Pergament überantwortet. Selbst dort wo man einen gewaltfreien Diskurs vermuten würde – in der Minnelyrik – gelangte sie häufig codiert zur Darstellung.
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Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte!

Die Werke des österreichisch-slowenischen Schriftstellers – und zeitweiligen Regisseurs – Peter Handke und des deutschen Autorenfilmers Wim Wenders besitzen zahlreiche Gemeinsamkeiten. Diese begründen sich vor allem in ihrer Zusammenarbeit: Bei drei Filmprojekten Wenders’ dienten Erzählungen und Drehbücher Handkes als Vorlage: beim Kurzfilm „Drei Amerikanische LP’s“ (1969), dem Film „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1972) und nicht zuletzt bei dem mehrfach ausgezeichneten „Der Himmel über Berlin“ (1987). Die Filme weisen die typische „Handschrift“ beider Autoren auf – inwiefern diese Handschrift auch im übrigen, nicht-kooperativen Werk der beiden vergleichbar ist, untersucht Carlo Avventi in seiner jüngst im Remscheider Gardez!-Verlag erschienen Dissertation „Mit den Augen des richtigen Wortes“.

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Media Synaesthetics – Konturen einer physiologischen Medienästhetik

Christian Falk u.a. (Hgg.): Media Synaesthetics, Köln: Herbert von Halem Verlag 2005

Seit dem frühen 19. Jahrhundert gab es eine Reihe anthroposophischer, medizinischer und okkultistischer Diskurse über die kulturgeschichtlich motivierte „Spezialisierung“ der Sinne. Die Vorherrschende Meinung dabei war, dass bei diesem Prozess ein universelles Wissen verschüttet worden sei, das heute unter dem Begriff der genuinen Synästhesie, also der synthetischen Verflechtung einzelner Sinne, in der Kognitionsforschung Einzug hält. Die Forschung bezieht diesbezüglich zwei Positionen, wobei die eine Seite die Auffassung vertritt, dass die Spezialisierung und Isolierung eines einzelnen Sinnes (bsp. Sehsinn) eine „zivilisationsgeschichtliche Erkenntnisleistung“ (Mattenklott, Gehörgänge, 2001) ist, während die andere Seite diesen Aspekt aus kulturpessimistischer Warte als Versklavung der Einzelsinne unter dem massenmedialen Diktum der Gutenberg-Galaxis (Serres, Die fünf Sinne, 1998) versteht.
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Passage durchs Werk

Über Walter Benjamin ist seit der Renaissance seines Werkes in den 1980er Jahre so viel geschrieben worden, dass jedes neue Überblickswerk und jede Biografie sich zuerst einmal der kritischen Frage „Warum?“ stellen muss. Es gab komplexe Annäherungen an das Gesamtwerk, persönliche Biografien, einige Einführungswerke, Bildbände und vieles mehr, was die „Gesammelten Schriften“ des Suhrkamp-Verlages begleitet hat. Nun kommt aus dem selben Verlag in der Reihe „BasisBiographie“ ein schmales Einführungswerk zu Benjamin, das in der Tat noch Neues bietet.

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Lexikon, Kultur, Theorie

Ein Lexikon hat es in den Pantheon der Nachschlagewerke „geschafft“, wenn man es nicht mehr mit dem Titel, sondern mit dem Namen seines Autors oder Herausgebers zitiert und jeder weiß, was gemeint ist. So ist „der Wilpert“ zum Synonym für das „Lexikon der Weltliteratur“ geworden, wie „der Mittelstraß“ die „Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie“ benennt. Der Metzler-Verlag (aus dem letztgenanntes Nachschlagwerk stammt) stellt diesbezüglich einige prominente Nachnamen zum Nachschlagen zur Verfügung. Vor allem auf dem immer weiter und schneller wuchernden Gebiet der Kulturwissenschaften verschafft der Stuttgarter Verlag in den letzten Jahren Überblick.

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Die Fluchtlinien des Textes und die Grenzen des Films

Das Misstrauen der Philosophie gegenüber der medialen Vermittlung philosophischen Wissens ist wohl ebenso alt, wie die Philosophie selbst. Und die Liste der Vorwürfe, die gegen die „Träger des Gedankens“ vorgebracht worden sind, ist bekanntlich lang: Die Rhetorik trügt und blendet, die Metapher verführt, die Schrift macht vergessen und nicht zuletzt das Bild ist ein minderwertiges Erkenntnismedium, dem nicht zu trauen – vor allem – nichts zuzutrauen ist.
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Über Wahrheit und Lüge im kinematographischen Sinne

„Le cinéma c’est la vérité 24 fois par seconde.“ Jean-Luc Godards Definition sagt wohl noch mehr über seinen Begriff der Wahrheit als über das Kino. Denn welche Art Wahrheit ist es wohl, die uns Film erzählt? Dass dieser, besonders der fiktionale Spielfilm, keine „wahren Geschichten“ erzählt und dass hinter jedem noch so objektiv(ierend)en Dokumentarfilm immer eine sehr subjektive Perspektive steht, hat Godard in seiner Kritik des Cinema Vérité ja selbst konstatiert. Das Verhältnis von Wahrheit und Lüge im Film untersucht ein neuer Sammelband aus dem transcript-Verlag.

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Kafka geht (schon wieder) ins Kino

Hanns Zischerls 1996 erschienenes Buch „Kafka geht ins Kino“ ist ein Mittelding zwischen einer Kino-orientierten Kafkabiografie und einer Kafka-orientierten Geschichte des frühen Kinos. Zischler arbeitete zunächst minutiös die Kafka’schen Literaturfragmente, die sich mit dem Film und dem Kino beschäftigen heraus (allem voran Tagebucheinträge über den Besuch des Films „Die weiße Slavin“ – von dem es zurzeit Kafkas mehrere Versionen gab). Acht Jahre nach Zischlers umfassender Untersuchung erschien nun vor kurzem der Essay „Eiserne Fensterläden – Kafka und das Kino“ von Dietmar Schings bei „Vorwerk 8“.

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Kulturwissenschaftler

Eine Disziplin sitzt scheinbar erst dann fest im Sockel der akademischen Wissenschaften, wenn sie eine eigene Tradition vorzuweisen hat. Die Kulturwissenschaften haben es dann diesbezüglich besonders schwer. Als Konglomerat aus verschiedensten, ja eigentlich allen, Wissenschaftsgebieten mussten sie sich bislang mit den Präfixen Trans- und Inter- zufrieden geben. In Ihrer Geschichte verlief der Prozess genau anders herum, als bei den klassischen geisteswissenschaftlichen Disziplinen: Erst gab es die Wissenschaft, dann wurden ihr die Theoretiker zugerechnet. Zwei kürzlich erschienene Biografien-Bände stellen einen Kanon an kulturwissenschaftlichen Denkern zusammen.

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Psychoanalyse (und Film)

1895 war für die Kulturgeschichte ein bedeutsames Jahr. Sigmund Freud veröffentlichte zusammen mit Josef Breuer die „Studien zur Hysterie“ und begründet damit die Psychoanalyse. Die Brüder Lumière führten im Grand Café in Paris einen Film öffentlich vor und begründen damit das Kino. Auf dieses gleichzeitige Geburtsjahr von Kino und Psychoanalyse ist oft hingewiesen worden. Und beider Entwicklung verlieft in gewisser Hinsicht seit dem „parallel“ – beide beeinflussten sich gegenseitig. In der sechsten Auflage von Wolfgang Mertens mittlerweile kanonischem psychologischen Einführungswerk „Psychoanalyse“ ist daher konsequenterweise ein Filmkapitel hinzugekommen.

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Lindenstraße

Seit der Popularisierung des Fernsehens in den 1950er Jahren findet eine weitere Art Geschichtsschreibung statt, die in Form von in Filmen und Serien veröffentlichten Kommentaren jeden Zuschauer einen medial prädisponierten Kommentar auf das Zeitgeschehen anbietet. Der einzige Nachteil ist die geringe „Halbwertzeit“ der Informationen, die, ist die Sendung erst einmal ausgestrahlt, nur im Ausnahmefall wiederholbar ist. Durch Wiederholungen alter und ältester Sendungen – gerade in den digitalen Fernsehkanälen – wird dem Zuschauer heute wieder ein einzigartiges Zeitfenster geöffnet, durch das er die jüngere Geschichte der Bundesrepublik nachvollziehen kann.

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Kurzrezensionen Oktober 2004

  • Jacques Lacan: Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung. Turia + Kant 2004.
  • Norbert Grob: Im Kino gewesen … Kritiken zum Film (1976 – 2001). St. Augustin: Gardez! 2003.
  • Siegfried Kracauer: Kleine Schriften zum Film. 3 Bdd., hrsg. von Inka Mülder-Bach. Frankfurt: Suhrkamp 2004.
  • Linda Hentschel. Pornotopische Techniken des Betrachtens. Raumwahrnehmung und Geschlechterordnung in visuellen Apparaten der Moderne. Reihe: Studien zur visuellen Kultur, Bd. 2. Marburg: Jonas 2001.
  • Silvia Kling. Filmologie und Intermedialität. Der filmologische Beitrag zu einem aktuellen medienwissenschaftlichen Konzept. Tübingen: Stauffenberg 2002.
  • Irmberg Schenk (Hg.): Zeit-Sprünge. Wie Filme Geschichte(n) erzählen. Berlin: Bertz 2004.
  • Christian Mikunda: Kino spüren. Strategien der emotionalen Filmgestaltung. Wien: WUV 2002.
  • Michel Foucault: Die Hermeneutik des Subjekts. Vorlesung am Collège de France (1981/82). Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004.
  • Joachim Krampert/Jürgen Wehnert: Das Edgar Wallace Lexikon. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004.
  • Gérard Naziri: Paranoia im amerikanischen Kino. Die 70er Jahre und die Folgen. St. Augustin: Gardez 2003.
  • Marli Feldvoß/Marion Löhndorf (Hrsg.): Marlon Brando. Berlin: Bertz 2004.
  • Hans Helmut Prinzler/Gabriele Jatho (Hrsg.): New Hollywood 1967 – 1976. Trouble in Wonderland. Berlin: Bertz 2004.
  • Seymour Chatman/Paul Duncan (Hrsg.): Michelangelo Antonioni – Sämtliche Filme. Köln: Taschen 2004.

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Hermeneutik des Subjekts

Michel Foucault: Die Hermeneutik des Subjekts. Vorlesung am Collège de France (1981/82), Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004

Es ist üblich, das Schaffen Michel Foucaults in drei Phasen einzuteilen: die archäologische Phase, die im wesentlichen die sechziger Jahre umfaßt, die genealogische Phase der Siebziger und schließlich das Spätwerk der achtziger Jahre, das unter dem Rubrum »Ästhetik der Existenz« firmiert. Wodurch sind diese Phasen jeweils charakterisiert?
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Es war einmal … der Mensch

Norbert Bolz/Andreas Münkel (Hgg.): Was ist der Mensch?, München: Fink 2003

Philosophische Anthropologie galt bis vor kurzem als „der unverkäuflichste aller philosophischen Ladenhüter“ (Ludger Lütkehaus). Die Frage nach dem Wesen des Menschen, nach seiner Essenz, wird zwar in der Tradition, etwa bei Immanuel Kant, als die eigentliche Frage der Philosophie ausgezeichnet, war aber lange Zeit von der Spitze philosophischer to-do-Listen verdrängt. Ihre mangelnde Attraktivität verdankt diese Frage ihrem allzu komplexen Gegenstand: Das Forschungsfeld „Mensch“ wird von vielen verschiedenen Bereichsanthropologien beackert; eine transdisziplinäre Zusammenschau, wie sie von einer philosophischen Anthropologie wohl erwartet würde, erscheint angesichts der Unübersichtlichkeit dieses Forschungsfeldes als kaum einzulösendes Desiderat.
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Diesseits der dämonischen Leinwand

Thomas Koebner (Hg.): Diesseits der „Dämonischen Leinwand“, Frankfurt am Main: Edition Text & Kritik 2003

Die in den letzten Jahren als Monografien, Sammelbände oder Studien zu einzelnen Regisseuren erschienenen „neuen Perspektiven“ auf das Weimarer Kino zeigen, dass es in dem Korpus der international immer noch berühmtesten Epoche der deutschen Filmgeschichte noch vieles zu entdecken gibt. Sie zeigen darüber hinaus, dass die beiden historischen Standardwerke, Siegfried Kracauers Von Caligari zu Hitler (1947) und Lotte Eisners Die dämonische Leinwand (1956) dabei längst nicht den Status des Historischen erreicht haben, der es erlaubte, von ihnen abzusehen. Vielmehr sieht sich Thomas Koebner in seinem einleitenden Artikel aus einer „bestürzenden“ Wiederbegegnung mit Kracauers Filmkritiken der 20er Jahre und dem daraus abstrahierten späteren Buch zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung veranlasst. Sie polemisiert gegen Kracauers freudianisch massenpsychologisch fundierte Hauptthese zum Weimarer Kino, die im Titel bündig zusammen gefasst ist. Koebner stellt sie von der im Allgemeinen von der multiplen und rationalen Herstellungsweise des Films und im Besonderen vom sonst so kühlen Blick des Soziologen Kracauer her in Frage, um für neue Paradigmen in der Perspektive zu plädieren. Um die bemühen sich dann auch die mehr als 20 weiteren Beiträge des Bandes, indem sie sich Einzelphänomene und einzelne Filme zu analysieren. Schon das thematische Spektrum zeigt den Reichtum des „späten“ (auch diese berechtigte Differenzierung innerhalb von 15 Jahren ist ein Indiz) Weimarer Kinos, das gewiss mit einlinigen Thesen nicht zu erfassen ist. Das heißt aber auch, dass der Band – wie bei der Vielzahl der AutorInnen nicht anders zu erwarten – auf eine bestimmte Perspektive oder Leitthese bei der Darstellung des Weimarer Kinos verzichtet. Die Beiträge werden gebündelt in den Themenkomplexen „Filmische Technik, visuelle Kultur, Großstadt-Wahrnehmung“, „Genres, Leitfiguren“ und „Film in einer Republik, Zukunftsperspektiven“.
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Mortifikation des Werkes

Spätestens seit der Veröffentlichung des fragmentarisch gebliebenen „Passagen-Werkes“ 1983 gilt Walter Benjamin als einer der wichtigsten Denker der Moderne (im subjektiven wie objektiven Sinne). Seine in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen Texte gelten nicht nur als Mitbegründungschriften von Kultur- und Medienwissenschaft – sie geben auch intellektuelles Zeugnis eines unkonventionellen Denkers, der trotz aller Widrigkeiten Position bezogen und behalten hat. Das mehrere Tausend Seiten umfassende Gesamtwerk, das als Gesammelte Schriften im Suhrkamp-Verlag vorliegt in einer Einführung zusammenzufassen scheint ein gewagtes Unterfangen. Gewagter umso mehr, als Benjamin auf den ersten Blick keineswegs zu den systematischen Denkern gezählt werden kann. Der Literatur- und Kulturwissenschaftler Sven Kramer hat es dennoch versucht und es ist geglückt.

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Lichtspiele

Anne Hoormann: Lichtspiele. Zur Medienreflexion der Avantgarden in der Weimarer Republik, München: Fink 2003

Licht ist ein ganz besonderes Phänomen. Von jeher wurde ihm neben seiner physischen eine metaphysische Qualität zugeschrieben, eine konkret lebensweltliche und eine symbolische Bedeutung. Neben naturwissenschaftlichen Erklärungen gab es okkulte, und diese Amalgamierung erhielt mit den physikalischen Entdeckungen seit dem 19. Jahrhundert eine neue Dimension: Die chemischen Prozesse der Fotografie kreierten eine neue, bald alltagsrelevante Kunstform, die physikalischen der Elektrizität hatten eine kulturrevolutionäre Wirkung. Einsteins an der Beugung der Lichtstrahlung nachgewiesene These vom gekrümmten Raum beeinflusste das naturwissenschaftliche Denken mit Konsequenzen für die Philosophie – und nicht nur dafür. Die Wahrnehmungs- und in ihrer Folge die Kunsttheorie nach der Jahrhundertwende meinten hier Begründungen aufnehmen zu können für ihre spezifischen Raum- und Wahrnehmungsprobleme, wie überhaupt die Kunstlandschaft dieser Zeit buchstäblich in neuem Licht erstrahlte. Licht wurde zum allgegenwärtigen Medium, das nicht nur den Alltag ganz anders als gewohnt erhellte, sondern ein neues Kunstmedium kreierte – den Film. Als Licht-Spiel fand er Eingang in die Medienlandschaft und wurde insbesondere in Deutschland, nämlich im deutschen expressionistischen Film, auf seiner materialen Basis sogleich in ein abgründiges metaphysisches Spiel von Licht und Schatten überführt.
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