Kafka geht (schon wieder) ins Kino

Hanns Zischerls 1996 erschienenes Buch „Kafka geht ins Kino“ ist ein Mittelding zwischen einer Kino-orientierten Kafkabiografie und einer Kafka-orientierten Geschichte des frühen Kinos. Zischler arbeitete zunächst minutiös die Kafka’schen Literaturfragmente, die sich mit dem Film und dem Kino beschäftigen heraus (allem voran Tagebucheinträge über den Besuch des Films „Die weiße Slavin“ – von dem es zurzeit Kafkas mehrere Versionen gab). Acht Jahre nach Zischlers umfassender Untersuchung erschien nun vor kurzem der Essay „Eiserne Fensterläden – Kafka und das Kino“ von Dietmar Schings bei „Vorwerk 8“.


Schings Essay ist der zweite – und kürzrere – Text eines Bandes (ein Text über Kafkas Rezeption der damals berüchtigten Camisso-Erzählung „Der Mann ohne Schatten“ ist vorangestellt, soll aber im Rahmen dieser Besprechung unberücksichtigt bleiben). In „Eiserne Fensterläden“ werden die schon aus Zischlers Buch bekannten Beziehungen zwischen Kafka und dem Kino erneut aufgegriffen und miteinander verwoben. Schlings rekapituliert dabei die Rezeptionsform des frühen Kinos allgemein (etwa die Funktion des „Erklärers“) wie auch des Prager Kinos im besonderen anekdotenhaft.

Viel hat „Eiserne Vorhänge“ den Ausführungen Zischlers nicht hinzuzufügen. Ausführlich wird die Anekdote, die zum Prosastück „Die erste lange Eisenbahnfahrt“ geführt hat, geschildert und mit der „weißen Sklavin“ verwoben. Erst zum Ende hin, wenn diese Eisenbahnfahrt als ein die Sinne beeinflussendes Ereignis, eine Veränderung von Raum und Zeit beschrieben wird, gelangt der Text – im Übergang zu Straubs/Huillets Kafka-Film „Klassenverhältnisse“ (D 1984) und der dort beschriebenen Bahnfahrt – zu Originalität. Dann ist der Essay aber auch schon zu Ende. Hier hätten sich Ausführungen von Kafkas „filmischem Blick“ (wie ihn der Literaturwissenschaftler Wolfgang Jahn attestiert hat) in „Der Verschollene“ und jener filmischen Adaption ideal anfügen lassen.

Dietmar Schings
Frank Kafka und der Mann ohne Schatten
»Eiserne Fensterläden – Kafka und das Kino«
Berlin: Vorwerk 8 2004
100 Seiten (broschiert)
13,00 Euro

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