Nachts toben in den Straßen Londons Chaos und Gewalt. Im britischen Horror-Spaß „Attack the Block“ liegt das allerdings weniger an Polizeigewalt, Sozialkürzungen und jugendlicher Perspektivlosigkeit, sondern an Aliens. Schwarze, stark behaarte Aliens, die – um vom einen Ende des Kino-Spektrums zum anderen zu springen – vage an den Geist aus Apichatpong Weerasethakuls metaphysischem Kunstfilm „Uncle Boonmee who can recall his past lives“ erinnern. Aliens, die messerscharfe illuminierte Reißzähne sowie bläulich leuchtende Augen haben und sich auf der Erde einnisten wollen. Diese Wesen, die der lokale Drogendealer treffend als „big alien-gorilla-wolf- motherfuckers“ bezeichnet, haben es auf den jugendlichen Gang-Leader Moses (John Boyega) abgesehen, weil der einem der ihren den Garaus gemacht hat. Und so müssen Moses und seine Crew aus Möchtegern-Gangstern plötzlich ihren Plattenbau-Block in den ärmlichen Randbezirken der Stadt gegen die Invasion der Außerirdischen verteidigen. „Fantasy Filmfest 2011: Meine Stadt, mein Bezirk, mein Block“ weiterlesen
Filmquiz beendet
Das war offenbar eine harte Nuss! Einmal mussten wir in die Verlängerung gehen, weil wir nicht genügend Antworten erhalten haben, die eine Gewinnverteilung rechtfertigen würden. Mit ein wenig mehr Bedenkzeit hat es nun aber geklappt und wir konnten die Gewinner der drei Preise ermitteln. Zunächst aber die Antworten auf die 10 Fragen:
- Gleich zu Beginn von Andrzej Zulawskis „Possession„ sieht man ein Grafitti. Wie lautet es?
Antwort: „Die Mauer muß weg“ - Wie viele Zigaretten raucht Michel Piccolis Charakter in Claude Sautets „Die Dinge des Lebens„?
Antwort: 25 (nach F.LM-interner Ermittlung)
- Der Protagonist von Frank Darabonts „Der Nebel„ ist Filmplakatmaler. In seinem Arbeitszimmer hängt ein Bild, das den Entwurf für einen modernen Klassiker des Horror- und Science-Fiction-Films darstellt. Welchen? Antwort: John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“
- Welcher Klassiker des Serienmörderfilms wird in der Tankstellensequenz von Alexandre Ajas „High Tension“ fast einstellungsgleich reproduziert?
Antwort: William Lustigs „Maniac“ - Was haben ein Hamburger Stadtteil und ein französischer Philosoph mit einem Selbstjustizfilm von James Glickenhaus zu tun?
Antwort: In THE EXTERMINATOR besitzt der Protagonist das Buch „Der Gefangene von Altona“ von John Paul Sartre.
- Welcher asiatische Autorenfilm unternimmt ebenso wie „The Tree of Life“ und „2001: A Space Odyssey“ einen visuellen Ausflug ins Universum?
Antwort: „Mundane History“ - Der als Mr. Oizo bekannte Musiker Quentin Dupieux machte in seiner Horrorsatire „Rubber“ einen Killerreifen zum Star. Welche andere Elektro-Band führte ebenfalls Regie – und bei welchem Film?
Antwort: Daft Punk, „Electroma“
- Welches Lied läuft zum Abspann der Giallo-Hommage „Amer“?
Antwort: „La Polizia sta a guardare“ von Stelvio Cipriani - Was wurde Vincent Gallo, wortloser Star von „Essential Killing“, einst vom US-Kritiker Roger Ebert in Bezug auf eine frühe Regiearbeit vorgeworfen?
Antwort: Mit „The Brown Bunny“ den schlechtesten Cannes-Beitrag aller Zeiten geschaffen zu haben - Welchem legendären Ballett-Choreographen ist Vincent Cassels Rolle in „Black Swan“ nachempfunden?
Antwort: George Balanchine
Keiner der Einsender hat alle Fragen richtig beantwortet, aber die folgenden konnte aus einer Kombination aus den meisten korrekten Antworten und der Geschwindigkeit ihrer Einsendung ermittelt werden:
1. Preis:
Bücher: Chistian Keßler „Die läufige Leinwand“ (M.-Schmitz-Verlag), Christian Heger „Die Rechte und die Linke Hand der Parodie“ (Schüren-Verlag), Wolf Jahnke „Los Angeles: Mit Hollywood durch L.A.“ (Schüren-Verlag), Stefan Höltgen/Michael Wetzel „Killer/Culture“ (Privatspende).
DVDs: „Didi – Der Untermieter“ (Box, Turbine), „Didi – Der Doppelgänger“ (Box, Turbine), „Helge und Band: Komm hier haste ne Mark!“ (Sony), 2 DVDs (Privatspende)
Gewinner: Christian Schirra aus Aachen
2. Preis:
Bücher: Chistian Keßler „Die läufige Leinwand“ (M.-Schmitz-Verlag), Christian Heger „Das Kino von Tim Burton“, „Lexikon des internationalen Films“ (Schüren-Verlag), Oliver Demny/Martin Richling „Sex und Subversion“ (Privatspende).
DVDs: „Didi – Der Untermieter“ (Box, Turbine), „Didi – Der Doppelgänger“ (Box, Turbine), 2 DVDs (Privatspende)
Gewinner: Jens Schubert aus Freiburg
3. Preis:
Bücher: Chistian Keßler „Die läufige Leinwand“ (M.-Schmitz-Verlag), Stefan Volk „Skandalfilme“ (Schüren-Verlag), Christian Hoffstadt/Stefan Höltgen „Sick Humor“ (Privatspende).
DVDs: 5 DVDs (Privatspende)
Gewinner: Nico Heiliger aus Karlsruhe
Den Gewinnern gehen Ihre Preise in den nächsten Tage zu. Bei allen anderen, die am Quiz teilgenommen haben, bedanken wir uns und natürlich besonders bei unseren Preis-Sponsoren!
Die Preise wurden gesponsort von:
Schüren-Verlag, dem Martin-Schmitz-Verlag, Turbine-Medien und Koch-Media.
F.LM-Filmquiz (Verlängerung)
Liebe Leserinnen und Leser,
F.LM gibt es seit nunmehr 10 Jahren und anlässlich dieses Jubiläums möchten wir ein kleines Filmquiz mit euch veranstalten. Die nachfolgenden 10 Fragen sind nicht immer leicht zu beantworten, sich trotzdem daran zu versuchen, lohnt sich allerdings. Denn unten den Einsendern, die alle richtig beantworten, verlosen wir drei DVD- und Bücher-Pakete. Falls weniger als drei Teilnehmer alle Fragen richtig beantworten, nimmt derjenige mit den meisten richtigen Antworten den ersten, die nachfolgenden den zweiten und dritten Platz ein.
Update: Beim ersten Durchlauf haben wir nicht genügend Einsendungen mit richtigen Antworten erhalten. Daher wird das Rätsel verlängert. Es ist auch nicht wichtig, alle Fragen korrekt zu beantworten, sondern diejenigen mit den meisten richtigen Einsendungen kommen in die Verlosung.
Bitte sendet eure Antworten bis spätestens zum 20.07.2011, 23:59 Uhr per E-Mail (email@f-lm.de) an uns. Die Gewinner-Ermittlung erfolgt dann durch die Redaktion – der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Und hier unsere Quiz-Fragen:
Berlinale 2011 – Gretchen Erfurts Berlin
Fragt man den durchschnittlichen US-amerikanischen Blockbusterkinogänger über Deutschland oder speziell Berlin aus, dürfte man wohl alle Klischees zu hören bekommen, die Jaume Collet-Serra uns in seinem Actionthriller „Unknown Identity“ buchstäblich vor den Latz knallt. Deutsche Krankenschwestern heißen in seinem Film nämlich Gretchen Erfurt, Ex-Stasi-Agenten, die vom wohl prägnantesten Hitler-Darsteller, Bruno Ganz, verkörpert werden, haben Kontakt zum Berliner Flughafensicherheitsdienst und sowieso hat Berlin ein großes Illegalen- und Migrantenproblem. Das ist wohl weniger die Weltsicht von Regisseur Collet-Serra, als vielmehr die Sicht auf die Dinge, wie sie Produzent Joel Silver in seinen Filmen immer wieder zum Besten gibt. Liam Neeson dürfte damit wohl am wenigsten ein Problem gehabt haben, dreht er in letzter Zeit doch ohnehin nur noch Actionfilme, in denen er sich zugegeben recht gut schlägt – allen voran für sein Alter. Und auch für Diane Kruger ist es eine Rolle, die sie einmal mehr in ihre Heimat bringt. „Unknown Identity“ ist aber nicht nur wegen Diane Kruger, Bruno Ganz oder Sebastian Koch ein Film mit Lokalkolorit, sondern in erster Linie deshalb, weil der Hauptdarsteller hier ganz klar Berlin heißt. „Berlinale 2011 – Gretchen Erfurts Berlin“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Far, far from Bollywood
In „Gandu“ vom indischen Regisseur Q (bürgerlich: Kaushik Mukherjee) tauchen etwa 20 Minuten vor dem Ende bereits die Credits auf, ebenso wie Q selbst – und zwar als Q, der in diesem Film über den Jugendlichen Gandu gerade einen Film über den Jugendlichen Gandu dreht. Neben dem Leser dieser Kritik verwirrt jene Meta-Ebene auch Gandu (Anubrata) einigermaßen. Was aber auch daran liegen mag, dass Gandu, dessen Namen man als ‚Arschloch‘ oder ‚Wichser‘ übersetzen kann, gerade eine ordentliche Portion halluzinogener Drogen zu sich genommen hat. Die hypnotische Visualisierung dieses Rausches greift – wie bei der Nahtoderfahrung in Gaspar Noés „Enter the Void“ – tief in die Trickkiste experimenteller Techniken und ist sinnlich ähnlich beeindruckend wie bei Noé. Wenn der kleinkriminelle Gandu gerade nicht weiblichen Derwischen in seiner von Drogen belebten Fantasie begegnet, schaut er Pornos, masturbiert oder schmeißt in wütenden Rap-Texten mit sämtlichen ihm bekannten Schimpfwörtern um sich. Der restriktiven indischen Zensur wird das ebenso wenig gefallen wie einem einsamen, moralisch empörten Zuschauer aus Indien beim Berlinale-Screening. Für zahlreiche andere Publikumsgruppen – frustrierte Jugendliche, sozial-realistische Cineasten, Freunde des Schwarz-Weiß- und Experimentalfilms – ist „Gandu“ hingegen eine großartige Entdeckung. „Berlinale 2011 – Far, far from Bollywood“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Khodorkovsky vs. Putin
Dass Russland es nicht immer so genau mit den Menschenrechten nimmt, ist ein offenes Geheimnis. Dass Russland noch eine recht junge Wirtschaftmacht ist, ist ebenfalls bekannt. Weniger bekannt hingegen ist die Tatsache, dass Ex-Präsident und aktueller Ministerpräsident Putin einen persönlichen Feldzug gegen jene führt, die das Land vom Sozialismus in den Kapitalismus getragen und davon persönlich profitiert haben. Der bekannteste und größte Profiteur dieser Entwicklung ist wohl Mikhail Khodorkovsky, dem die gleichnamige Doku „Khodorkovsky“ auf den Zahn fühlt. Zu sechs Jahren Haft wurde Khodorkovsky verurteilt, dahinter vermutet wird ein Staatskomplott unter der Führung Putins, der Khodorkovskys Firma Yukos einst die russischen Ölquellen verkaufte, allerdings die Notbremse zog, als sich das Geschäft internationalisieren sollte, und Khodorkovsky und all die anderen Oligarchen fortan verfolgt. Der deutsche Regisseur Cyril Tuschi macht daraus eine Art Wirtschaftskrimi, der nicht nur Wegbegleiter Khodorkovskys zu Wort kommen lässt, die größtenteils ins Ausland geflüchtet sind und mit Haftbefehl von Interpol gesucht werden, sondern auch Politiker wie Joschka Fischer oder den ehemaligen russischen Wirtschaftsminister. „Khodorkovsky“ zeichnet ein düsteres Bild vom Turbokapitalismus, der dem noch jungen Russland zwar wirtschaftliche Stärke verlieh, dessen Privatisierung sich aber – geht es nach dem Kreml – als Fehler herausstellte. Dabei überrascht es immer wieder, wie schnell hier Geld zu machen war; Summen, die selbst für westliche Firmen Traumzahlen bleiben. „Berlinale 2011 – Khodorkovsky vs. Putin“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Personalisierter Terror
Die Idee zu Andres Veiels Spielfilmdebüt, welches die persönlichen Hintergründe zu den Terroranschlägen der RAF in den 70er-Jahren näher beleuchtet, entstand 2008 beim Lesen des Buches „Vesper, Ensslin, Baader: Urszenen des deutschen Terrorismus“ von Gerd Koenen. Veiel wollte nicht wie viele andere Filme einfach deutsche Geschichte aus rein politischer Sicht erzählen, sondern tiefer in die Seele der Aktivisten in einer Zeit des aktiven und radikalen Widerstands blicken, um eine persönliche Perspektive für die etwaigen Gründe des Widerstands in dieser radikalen Form für den Zuschauer zu ermöglichen. „Berlinale 2011 – Personalisierter Terror“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Bärenstark
Wahrheit und Schuld – um diese beiden zentralen Themen geht es in Asghar Farhadis brillantem Drama „Nader and Simin, A Separation“ („Jodaeiye Nader az Simin“). Die Wahrheit wird sich – wie in Akira Kurosawas Klassiker „Rashomon“ – als eine Frage der Perspektive erweisen. Oder anders gesagt: Als ein Puzzle, dessen einzelne Teile zusammen kein kohärentes Bild ergeben. Die Schuldfrage wiederum gestaltet sich zunehmend unentscheidbarer: In „Nader and Simin, A Separation“ gibt es nicht einfach nur gerechtfertigte oder kriminelle Handlungen, sondern auch solche, die zugleich gerechtfertigt und kriminell sein mögen. Das Justizsystem, welches über Recht und Unrecht zu entscheiden hat, offenbart angesichts solcher Veruneindeutigungen seine fundamentale Unfähigkeit, eine offene, vielschichtige Wirklichkeit nach rigide vorformulierten Paragraphen zu beurteilen. „Berlinale 2011 – Bärenstark“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Blaubeuren
Es gibt in Werner Herzogs „Cave of Forgotten Dreams“ einen Moment, der stellvertretend für den gesamten Film steht: Es ist ein Moment, der aus nur einem Wort besteht, das zwar nicht kurz ist, aber das Herzog – der seinen Film einmal mehr selbst erzählt – so irrwitzig betont und in die Länge zieht, dass man zumindest um ein Schmunzeln nicht herumkommt: „Blaubeuren“. Herzog spricht den Namen der schwäbischen Kleinstadt in der Nähe Ulms so präzise und überspitzt genau aus, weil er genau weiß, dass sein internationales Publikum diesen Namen als belustigend erachten wird. Eine Entdeckung, die von so großer kulturhistorischer Bedeutung für die Menschheit ist, wird ausgerechnet in diesem Kaff auf der Schwäbischen Alb gefunden?
Berlinale 2011 – Rollenspiele
Die Deutschen machen es sich nicht leicht mit ihren Filmen über das Dritte Reich. In den meisten Fällen endet es in einer Selbstbemitleidung, die die Verbrechen auf Partei und SS schiebt und das gemeine Volk in die Opferrolle drängt. Meist rühmt man sich dann auch noch mit der Tatsache, dass alles von Historikern abgesegnet wurde und zu einhundert Prozent der Wahrheit entspricht. Inmitten dieser Produktionen, die mit Oskar Roehlers „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ zwar einen Filmemacher fand, der sich zumindest etwas Satire zutraute, letztlich aber doch den Konventionen verfiel, sticht Wolfgang Murnbergers „Mein bester Feind“ lobenswert heraus.
Berlinale 2011 – Holt den Vorschlaghammer raus
„Medianeras“ ist einer jener Filme, die all das Mittelmaß, dem man auf einer Berlinale begegnet, vergessen lassen – ein Werk, das all die auf der Suche nach Festivalperlen erlebte Langeweile ausgleicht. In „Medianeras“ geht es um Einsamkeit, urbane Anonymität, Depressionen, Phobien und Selbstzweifel. Der argentinische Regisseur Gustavo Taretto vollbringt das kleine Wunder, diesen bedrückenden Themen enorm viel Humor abzugewinnen und ihnen dennoch in die Tiefe nachzuspüren. Sein Film nimmt die Figuren in ihrem Leid ernst und lacht verzweifelt mit ihnen statt über sie. „Medianeras“ beginnt mit einer grandiosen Collage der Architektur von Buenos Aires und fragt nach den Auswirkungen dieses Stadtbilds auf das menschliche Befinden. „Berlinale 2011 – Holt den Vorschlaghammer raus“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Let’s Dance!
Dass ein Dokumentarfilm – und zu diesem Genre zählt Wim Wenders‘ „Pina“ – nicht immer eine stringente Erzählung oder gar einen Handlungsbogen besitzt, liegt in der Natur der Sache. Es ist einer Doku daher aber umso höher anzurechnen, wenn sie es schafft, aus einem Sujet, das für den Rezipienten bis dahin nicht von Interesse war, das Maximale rauszuholen und ihn doch bis zu einem gewissen Grade involviert. Nur ist das bei „Pina“ leider nicht der Fall.
Berlinale 2011 – Disconnected
Die Eltern des etwa 17-jährigen Emo-Jungen Dominik (Jakub Gierszal) sind erfolgreich, wohlhabend und attraktiv. Nur eines sind sie nicht: gute Eltern. Ihr rasanter beruflicher Aufstieg geschieht auf Kosten einer immer schwächer werdenden Verbindung zu ihrem Sohn. Dass er die Schule schwänzt, weil er dort wegen seiner homosexuellen Neigungen gemobbt wird, bemerken sie ebenso wenig wie, dass die Online-Community ‚Suicide Room‘ für ihn zum Familienersatz wird. Als Dominik sich tagelang in seinem Zimmer einschließt, reißt der Vater das DSL-Kabel aus der Wand und kappt damit auch die emotionale Verbindung komplett. Dominik kann sein Internet-Forum nicht mehr betreten und droht in seiner Verzweiflung sein Zimmer zum ‚Suicide Room‘ zu machen. Aus dem geltungssüchtigen Spiel der mit ihren vermeintlichen Selbstmordabsichten kokettierenden User wird bitterer Ernst, als Dominik tatsächlich den finalen Logout versucht. „Berlinale 2011 – Disconnected“ weiterlesen
Berlinale 2011 – New Historicism
Eine moderne Inszenierung eines klassischen Stoffes ist nicht immer im Sinne der Zuschauer. Die „geupdateten“ Fassungen spalten das Publikum meist in zwei Lager: die Puristen, die einen Stoff so aufbereitet sehen wollen, wie es ursprünglich intendiert war und die Modernisten, die eine an die aktuelle Zeit angepasste Fassung stets willkommen heißen. Ralph Fiennes „Coriolanus“ ist eigentlich ein Stück aus der Feder Shakespeares (wobei wir das ja nie so sicher sagen können), eine Tragödie, die in seinem Oeuvre nicht besonders hervorsticht, auch, weil hier alles seinen gewohnten Gang geht: Verrat, Kampf, Pathos, Intrigen und Gewalt.
Berlinale 2011 – Coming-of-Age in der Finanzkrise
Das ganze Bankensystem sei amoralisch, sagt Jeremy Irons auf der Pressekonferenz zu „Margin Call“, vergisst dabei aber, dass nicht nur die gesamte US-Wirtschaft davon abhängig ist, sondern die Weltwirtschaft allgemein. Ohne Männer, die jeden Tag mit Millionen zocken, gäbe es keinen Wohlstand, ohne Wohlstand würde Krieg herrschen. Das behauptet Paul Bettanys Figur Will Emerson, wenn er einen jungen Nachwuchsbanker in seinem 170.000 Dollar teuren Sportwagen durch die Gegend kutschiert. Keiner will, dass das Leben fair ist, denn dann verlierst du deinen eigenen Wohlstand.
„Berlinale 2011 – Coming-of-Age in der Finanzkrise“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Geschichtsausbeutung
Lee Tamahori hat sich nach seinem mit viel Anerkennung bedachten „Die letzte Kriegerin“ vor allem mit Hollywood-Filmen und einer James-Bond-Verfilmung einen Namen gemacht. Er ist das, was man umgangssprachlich einen „Jobber“ nennt: Er betrachtet das Filmemachen als Job und kommt so gut wie jedem Auftrag nach. Behält man also die Tatsache im Hinterkopf, dass Tamahori quasi ein Mann der großen Studios ist, dann ist es umso erstaunlicher, welche Show er in „The Devil’s Double“ abzieht. „Berlinale 2011 – Geschichtsausbeutung“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Mit Brecht die Illusion brechen
„Folge mir“, ein experimentelles Drama über den in völliger Apathie und Verwahrlosung endenden Zerfall einer scheinbar normalen Familie, dürfte Freunden avantgardistischer Schauspiel-Theorien gefallen – und wahrscheinlich auch fast nur diesem Zuschauer-Typus. Johannes Hammels Film merkt man die beinahe jugendlich wirkende Freude am Austoben seiner Vorstellungen von ästhetischen Provokationen deutlich an. Weder der Plot noch die Schwarz-Weiß-Bilder sind die zentralen Elemente von „Folge mir“, sondern die zahlreichen Irritationen und Verfremdungen. Dieses ständige ironische Augenzwinkern ist nicht nur anstrengend, es wirkt auch ziemlich angestrengt. „Berlinale 2011 – Mit Brecht die Illusion brechen“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Neo-Comic-Remake-Western
Mit Western und period pieces im Allgemeinen, ist es immer so eine Sache: Entweder man versucht auf jedes Kostüm und jeden Akzent zu achten oder man schert sich erst gar nicht darum und verkehrt die Topoi sogar. Bei „True Grit“ ist das größte Problem, das er sich nicht entscheiden kann, welche Richtung er eigentlich einschlagen will. Da präsentieren uns die Coen-Brüder tolle Landschaftsaufnahmen, die Kameramann Roger Deakins perfekt in Szene zu setzen weiß, lassen Jeff Bridges einen Akzent sprechen, der brutaler kaum sein könnte und zeigen Männer, die noch Männer sind. Und dazwischen: ein cooler Spruch nach dem anderen, der mindestens so locker über die Lippen kommen soll wie der Colt aus dem Holster gezogen wird.
Berlinale 2011 – Norwegische Seelenlandschaften
Zwei Frauen wandern durch eine einsame, verschneite Bergwelt. Noch bevor die ersten Worte gesprochen werden, grundiert die seelische Zustände reflektierende Landschaft die Stimmung des Films und charakterisiert zugleich die Figuren. Die winterlich-kalten Farben Weiß und Blau dominieren die Palette und deuten das zentrale Problem von Solveig (Ellen Dorrit Petersen ) und Nora (Marte Magnusdotter Solem) metaphorisch an: Die Beziehung der beiden ist eingefroren, eine eisige Decke des Schweigens hat sich über ihr Miteinander gelegt. Ein am Beginn noch chiffriertes Bild wird ein zweites Mal im Film auftauchen und den Grund der Beziehungsprobleme aufzeigen. In „The Mountain“ („Fjellet“) geht es nicht etwa um ein allmähliches emotionales Erkalten durch Alltagsroutine. Ganz im Gegenteil: Es gibt einen abrupten, datierbaren Bruch. Solveig und Nora sind diesen Weg schon einmal gegangen, damals mit ihrem gemeinsamen Sohn Vetle – zurück gekehrt sind damals nur die beiden Frauen. „Berlinale 2011 – Norwegische Seelenlandschaften“ weiterlesen
Berlinale 2011 – Teacher in the Twilight
Das Vampirfilm-Genre ist seit dem Erfolg einer christlich-konservativen Filmreihe in den Augen von Cineasten ziemlich diskreditiert worden. Viel mehr kann man der Figur des immer schon erotisch konnotierten Vampirs nicht schaden, als wenn sie man als trojanisches Pferd für eine sexualfeindliche Askese-Ideologie instrumentalisiert. Shunji Iwais poetisches Drama „Vampire“ trägt zur Rehabilitation der auf Zelluloid gebannten Blutsauger bei, hat aber an sich wenig mit dem Horrorgenre und noch viel weniger mit Vampirmythologie gemeinsam. Stattdessen rückt Iwai („All about Lily Chou-Chou“, „Swallowtail Butterfly“) den Vampir aus der Sphäre des Übernatürlichen heraus und erdet ihn – wie George Romeros „Martin“ oder Claire Denis‘ „Trouble every day“ – durch Vermenschlichung. „Berlinale 2011 – Teacher in the Twilight“ weiterlesen