Berlinale 2011 – Rollenspiele

Die Deutschen machen es sich nicht leicht mit ihren Filmen über das Dritte Reich. In den meisten Fällen endet es in einer Selbstbemitleidung, die die Verbrechen auf Partei und SS schiebt und das gemeine Volk in die Opferrolle drängt. Meist rühmt man sich dann auch noch mit der Tatsache, dass alles von Historikern abgesegnet wurde und zu einhundert Prozent der Wahrheit entspricht. Inmitten dieser Produktionen, die mit Oskar Roehlers „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ zwar einen Filmemacher fand, der sich zumindest etwas Satire zutraute, letztlich aber doch den Konventionen verfiel, sticht Wolfgang Murnbergers „Mein bester Feind“ lobenswert heraus.

Sein Film erzählt die Geschichte eines jüdischen Kunsthändlers (Moritz Bleibtreu), der von seinem besten Freund verraten und an die Nazis verkauft wird. Mit Verrat spricht Murnberger bereits eine Thematik an, die mit den Filmen über die Nazidiktatur Hand in Hand geht. Ständig verrät irgendjemand einen ehemaligen Freund, um möglichst davon zu profitieren. In „Mein bester Feind“ ist dieser Verrat aber nur die Grundvoraussetzung für ein Katz-und-Maus-Spiel, das beides ist: spannend und humorvoll. Zwei Eigenschaften, die normalerweise nicht unbedingt miteinander einher gehen, hier aber nicht nur wundervoll leichtherzig inszeniert sind, sondern die Naziideologie einmal mehr auf den Arm nehmen und ihr den Spiegel buchstäblich vorhalten.

Der Jude und der SS-Offizier wechseln nämlich die Rollen – sehr zum Leidwesen des jeweils anderen natürlich. Für den Zuschauer bedeutet dies aber nicht nur subtile Anspielungen an Ideologie und Hierarchie des Faschismus, sondern vielmehr auch ein dramaturgisch adäquater Weg, um dem Publikum ebendiese zu vermitteln. „Mein bester Feind“ ist dabei ein herber Schlag ins Gesicht eines „Der Untergang“ oder „Sophie Scholl“, ist er doch näher an Tarantinos WWII-Satire „Inglourious Basterds“ als an all den deutschen Standardproduktionen, die immer wieder in die Pathos-Falle geraten, die Kritiker zurecht als eine Art späten Sieg Goebbels und der faschistischen Filmkunst kritisierten. In Murnbergers Film sind die oberen Nazischergen nichts anderes als bei Tarantino: sie sind Karikaturen ihrer selbst, Nichtsnutze, die die Hierarchie lediglich für sich zu nutzen wissen, den Schwanz aber gleich einziehen, sobald es ans Eingemachte geht. Und dass es zwischen einem „Herrenmenschen“ und einem Juden schon physisch keinen Unterschied gibt, hat selten ein Film so humorvoll verdeutlicht. Und dennoch verliert sich „Mein bester Feind“ nicht etwa in Exploitation- oder Parodie-Gefilden, denn die Geschichte, die der Film erzählt ist dafür viel zu emotional und seriös. Murnberger versteht es, den Mittelweg zu gehen und auf humorvolle Szenen immer wieder ernste folgen zu lassen, so dass man nie in den Klamauk abdriftet, aber auch nie vollständig in Melodramatik.

Zum größten Teil ist dies vor allem auch Bleibtreus Spiel zuzuschreiben, das in Oskar Roehlers „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ noch deutlich zu überzogen war, hier aber endlich seine Daseinsberechtigung findet, schafft er es doch permanent zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu wechseln. Genau so wie die Flaggen am Eingang des Wiener Polizeikommissariats gewechselt werden, werden hier auch die Rollen getauscht. Es ist aber ein völlig anderes Rollenspiel, als wir es bisher kennen. Auch wenn vieles im Film reine Fiktion bleibt – wie in Tarantinos Kriegsepos eben auch –, ist Murnberger ein äußerst charmanter und erfrischender Film gelungen. „Mein bester Feind“ ist nichts Geringeres als einer der besten deutschen Filme über das Dritte Reich. Und dabei ist es noch nicht einmal eine deutsche Produktion, sondern eine österreichisch-luxemburgerische Koproduktion …

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