Berlinale 2011 – Blaubeuren

Es gibt in Werner Herzogs „Cave of Forgotten Dreams“ einen Moment, der stellvertretend für den gesamten Film steht: Es ist ein Moment, der aus nur einem Wort besteht, das zwar nicht kurz ist, aber das Herzog – der seinen Film einmal mehr selbst erzählt – so irrwitzig betont und in die Länge zieht, dass man zumindest um ein Schmunzeln nicht herumkommt: „Blaubeuren“. Herzog spricht den Namen der schwäbischen Kleinstadt in der Nähe Ulms so präzise und überspitzt genau aus, weil er genau weiß, dass sein internationales Publikum diesen Namen als belustigend erachten wird. Eine Entdeckung, die von so großer kulturhistorischer Bedeutung für die Menschheit ist, wird ausgerechnet in diesem Kaff auf der Schwäbischen Alb gefunden?

Auch wenn es den Tatsachen entspricht, Herzog sorgt im Laufe des Filmes für noch so einige Lacher, die – im Kontext des filmischen Sujets gesehen – eigentlich gar nicht so lustig sein sollten. Aus diesem Betrachtungswinkel gesehen, ist „Cave of Forgotten Dreams“ seinem letzten Film, „Begegnungen am Ende der Welt“, sehr ähnlich, auch wenn er dessen Klasse leider nicht ganz erreicht. Zum einen fasziniert sein Film mit atemberaubenden Bildern, die man so wohl noch nicht gesehen hat. Zum anderen bietet er wieder Raum für jede Menge obskure Figuren und Menschen, die wohl nicht den Job machen würden, den sie machen, wären sie nicht etwas so wie Herzog selbst – nämlich ein kleines Stücken neben der Bahn, sprich ein klein wenig verrückt. So befragt Herzog einen Biologen, der in seinem vorherigen Leben Zirkusartist war und nun einem solch seriösen und trockenem Gewerbe angehört, das sich aber immerhin mit den Ursprüngen der Menschheit beschäftigt.

Der Film erwähnt diese Tatsache so beiläufig, dass man denken könnte, es sei doch gar nichts dabei; Berufe werden schließlich häufig gewechselt. Und dennoch sind es ebendiese Momente, die den Film so spannend und interessant machen. Nicht etwa die Höhlenmalereien und Versteinerungen, die zugegeben recht eindrucksvoll sind, aber nichts darstellen, was man nicht schon einmal in irgendeiner Tropfsteinhöhle gesehen hätte. Es ist das, was im Hintergrund und abseits der eigentlichen Attraktion von statten geht. Herzogs Team beispielsweise, das nur mit wenig Equipment filmen durfte und somit ein seine Grenzen stößt, was man dem Film im positiven Sinne auch durchaus ansieht. Es ist ein Historiker, der vor der Kamera zeigt, wie damals Tiere mit einem Speer getötet wurden, dabei aber auf ganzer Linie versagt. Er bleibt aber so gelassen, dass man ihn einfach mögen muss, Gleiches gilt für die vielen anderen beteiligten Wissenschaftler, die erzählen, als hätte man ihnen Punkt und Komma genommen.

Ob nun gescripted oder nicht, ganz so skurril wie in Herzogs Reise zum Südpol ist das alles nicht, dafür visuell aber in Teilen noch interessanter. Herzog versteht es nämlich hervorragend, die 3D-Technik in den Dokumentarfilm einzuführen und verwandelt Höhlen, Felsen und dünne Bäume in ein plastisches Abenteuer, das fast schon einer Achterbahnfahrt gleich kommt. Den Umständen geschuldet sind die Aufnahmen vor allem in der Höhle nicht immer sehr plastisch, aber wenn Herzog Raum für Ausrüstung hat, dann weiß er die Technik auch zu nutzen. Somit verleiht er einfachsten Dingen, die man so auch vor seiner Haustüre findet, eine gewisse Magie, die die Natur in ein absolut bezauberndes Licht stellt. Dass in dieser wundervollen Natur durch menschliches Eingreifen dann auch Albinokrokodile in französischen Flüßen zu finden sind, ist ein visuelles Statement, das pointierter kaum sein könnte.

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