Löchrig

„Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich.“ Friedrich Nietzsches berühmtes Zitat hat schon viele Filme als Schrifteinblendung markant eröffnet, Joe Dantes neuester Film, der die Rückkehr des Regisseurs zu den familienfreundlichen Genrestoffen markiert, mit denen er in den Achtzigerjahren einen Erfolg nach dem anderen feierte, dürfte aber die erste nahezu bildgetreue Adaption des Philosophenspruches sein. Man ahnt schon, dass das als Konzept nicht besonders weit trägt: Joe Dantes Film wird auch durch 3D nicht lebendiger und bleibt hinter den Erwartungen zurück.

„Löchrig“ weiterlesen

Berlinale 2011 – Blaubeuren

Es gibt in Werner Herzogs „Cave of Forgotten Dreams“ einen Moment, der stellvertretend für den gesamten Film steht: Es ist ein Moment, der aus nur einem Wort besteht, das zwar nicht kurz ist, aber das Herzog – der seinen Film einmal mehr selbst erzählt – so irrwitzig betont und in die Länge zieht, dass man zumindest um ein Schmunzeln nicht herumkommt: „Blaubeuren“. Herzog spricht den Namen der schwäbischen Kleinstadt in der Nähe Ulms so präzise und überspitzt genau aus, weil er genau weiß, dass sein internationales Publikum diesen Namen als belustigend erachten wird. Eine Entdeckung, die von so großer kulturhistorischer Bedeutung für die Menschheit ist, wird ausgerechnet in diesem Kaff auf der Schwäbischen Alb gefunden?

„Berlinale 2011 – Blaubeuren“ weiterlesen

Jackass 4D

„This seems to be dangerous.“ – Einer der Sätze, die das Phänomen „Jackass“ seit seinem Start auf dem Sender MTV im Jahre 2000 begleiten und die gleichzeitig zum Programm für verschiedene Formate im Fernsehen und seltener im Kino geworden sind. „Jackass“, seine Spinoffs und Epigonen (die von „Kenny vs. Spenny“ im Prinzip bis „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ reichen) stellen dabei eine seit Beginn des 21. Jahrhunderts zu beobachtende neue, forcierte Strategie der Somatisierung und Deprivatisierung von Fernsehästhetik dar. Dass „Jackass“ darüber hinaus auch im Kino erfolgreich ist, wird weniger auf seine formale Ästhetik denn auf seine Körperpolitik zurückzuführen sein. Deutlich sichtbar wird die vor allem am jetzt in die Kinos kommenden dritten Sequel „Jackass 3D“.

„Jackass 4D“ weiterlesen

Blutbad

Kamera: Maik Rauhmann

Piranha
(USA 2010)
Regie: Alexandre Aja; Buch: Pete Goldfinger, Josh Stolberg; Musik: Michael Wandmacher; Kamera: John R. Leonetti; Schnitt: Baxter
Darsteller: Richard Dreyfuss, Ving Rhames, Elisabeth Shue, Christopher Lloyd, Eli Roth, Jerry O’Connell u.a.
Länge: 88 Minuten
Verleih: Kinowelt

Enter the Umbrella!

In gewisser Weise haben die Bilder der Filme Paul W.S . Andersons schon immer versucht, den Zuschauer anzuspringen. Anderson ist, was ihm häufig zum Vorwurf gemacht wird, kein Geschichtenerzähler im herkömmlichen Sinne – er lässt seine Bilder für sich sprechen und findet er das passende Bild für einen Effekt, dann kann das ruhig auch einmal zu Lasten der Plotlogik oder sogar der mathematischen und physikalischen Gesetze gehen. In „Resident Evil – Afterlife“ wird dieses Erzählen zur grundsätzlichen Methode, bei der Anderson die 3D-Inszenierung entgegenkommt. Die Story wird zusehends nebensächlich und rekrutiert sich aus Versatzstücken bekannter Genrefilme.

„Enter the Umbrella!“ weiterlesen

Ein Film für unartige Kinder

Wenn sich Hunde und Katzen zusammentun, um einer bösen Nacktkatze, die alle Hunde der Welt gegen ihre Herrchen aufhetzen will, den Garaus zu machen, dann geht das nicht ohne Friktionen ab. „Cats & Dogs – Die Rache der Kitty Kahlohr“ inszeniert in Spielfilmlänge dieses Zusammentreffen und diesen Konflikt. Zu erzählen hat der Film sonst kaum etwas, versucht sich mit witzigen Situationen über Wasser zu halten, löst dabei aber eher Fremdscham aus. Jochen Werner, Stefan Höltgen und Jörg Buttgereit haben sich dem ausgesetzt und einen neuen Podcast für F.LM dazu produziert:

Spielzeug altert nicht

Kinder werden älter, und einst geliebtes Spielzeug wird überflüssig. Diese Erkenntnis ist den Filmen der „Toy Story“-Filmreihe, Erfolgsfranchise und Gründungsmythos des bedeutendsten amerikanischen Trickfilmstudios der Gegenwart, Pixar Animations, nichts Neues, sondern im Gegenteil jenes Thema, das sie vom ersten Moment an immer wieder aufs Neue umgetrieben hat. Schon in John Lasseters „Toy Story“ (1995) stand die Angst des unangefochtenen Lieblingsspielzeugs, der seinerzeit bereits einigermaßen anachronistischen Cowboypuppe Woody, gegen den batteriebetriebenen Space Ranger Buzz Lightyear ausgetauscht zu werden, im Mittelpunkt – die Versöhnung zwischen Klassizismus und Modernismus am Ende der inhaltlichen wie ästhetischen Synthese aus Disney’schen Erzählstrategien und Pixars CGI-Animationstechniken. Das in Zusammenarbeit mit den Coregisseuren Ash Bannon und Lee Unkrich inszenierte Sequel „Toy Story 2“ (1999) stellte dann bereits die unsichere Zukunft der Spielzeuge in den Mittelpunkt, als Woody sich für das endliche Glück mit dem langsam aufwachsenden Andy gegen die dauerhafte, aber auch sterile Existenz als Ausstellungsstück im Spielzeugmuseum entscheiden musste. In Lee Unkrichs „Toy Story 3“ tritt nun das Unausweichliche ein: Andy ist erwachsen und beginnt ein College-Studium. Die Spielzeuge müssen sich einer gnadenlosen Auslese stellen: Müllsack, Dachboden – oder Spende für einen Kindergarten und somit eine Zukunft ohne ihr geliebtes Kind.
„Spielzeug altert nicht“ weiterlesen

Alice im Burtonland

Tim Burton gibt seit etwa 20 Jahren den Hollywood-„Märchenonkel“, der immer wieder dasselbe Märchen erzählt – könnte man etwas böswillig formulieren. Doch was er seit seinem ersten Spielfilm „Pee-Wee’s Big Adventure“ leistet, ist weit mehr als nur Kindheits- bzw. Kinder-Fantasien in Bilder umzusetzen. Seine Filme übergreifen literaturhistorische Traditionen ebenso sehr wie sie national-kulturelle Grenzen überschreiten. Das ihnen dies gelingt, liegt vor allem daran, dass sich Burton bei seinen Plots eigentlich stets monomythischer Erzählmuster bedient oder selbst welche konstruiert, woraus die Selbstähnlichkeit seiner Stoffe resultiert. Mit „Alice im Wunderland“ adaptiert er nun ein weltberühmtes Märchen in seine Erzählwelt und hat dabei gleich mehrere Probleme zu lösen: Wie entzieht er die Story der ihr seit 60 Jahren anhaftenden Disney-Verkitschung, wird gleichzeitig der Vorlage Lewis Carrolls gerecht und macht einen typischen Burton-Stoff daraus?

„Alice im Burtonland“ weiterlesen

Das Versprechen

Die Rettung der Filmkunst als soziales Erlebnis – mit keiner geringeren Erwartung ist der nun endlich erfolgte Kinostart von James Camerons 3D-Epos „Avatar“ verbunden. Der angesichts der immer avancierteren Heimkinotechnik und des zunehmenden Niederganges der Kinokultur ersehnte neue Mehrwert des Kinos gegenüber DVD/BluRay, digitalen Downloads und vereinsamtem Filmgenuss vor dem heimischen Flatscreen scheint endlich greifbar mit den neuen digitalen 3D-Projektionstechniken – die zum ersten Mal überhaupt auf eine qualitativ hochwertige Weise das Kinobild dreidimensional gestalteten. Bereits die ersten Filme, die in RealD auf den (deutschen) Kinoleinwänden zu sehen waren – der gediegene Animationsfilm „Monster und Aliens“ und Patrick Lussiers Slasherfilmremake „My Bloody Valentine“ – machten zumindest in manchen Momenten ein Versprechen, das sie selbst freilich noch nicht einlösen konnten. Das in die Tiefe geöffnete Filmbild, das sich eben nicht, wie so viele in der mangelhaften Rotgrüntechnik produzierte Streifen bis hin zu jüngsten Versuchen wie Robert Rodriguez’ „Spy Kids 3D: Game Over“, in den Huibuh-Wegduck-Effekten in der Tradition der thrill rides erschöpfte, wie man sie etwa aus Freizeitparks kennt, versprach dem Kino als Kunstform ganz buchstäblich neue Türen zu öffnen, die selbstverständlich auch grundlegend neue Formen filmischen Erzählens erforderlich machen würden.

„Das Versprechen“ weiterlesen