Löchrig

„Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich.“ Friedrich Nietzsches berühmtes Zitat hat schon viele Filme als Schrifteinblendung markant eröffnet, Joe Dantes neuester Film, der die Rückkehr des Regisseurs zu den familienfreundlichen Genrestoffen markiert, mit denen er in den Achtzigerjahren einen Erfolg nach dem anderen feierte, dürfte aber die erste nahezu bildgetreue Adaption des Philosophenspruches sein. Man ahnt schon, dass das als Konzept nicht besonders weit trägt: Joe Dantes Film wird auch durch 3D nicht lebendiger und bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Die Kleinfamilie um Mutter Susan (Teri Polo), ihren ältesten Sohn Dane (Chris Massoglia) und dessen jüngeren Bruder Lucas (Nathan Gamble) landet nach etlichen Umzügen in einer amerikanischen Kleinstadt, wo die drei hoffen, die Ruhe zu finden, die ihnen die Erinnerung an einen gewalttätigen Ehemann und Vater bislang nicht gelassen hat. Doch schon nach kurzer Zeit machen die beiden Jungs gemeinsam mit dem Nachbarmädchen Julie (Haley Bennett) eine merkwürdige Entdeckung: Im Keller von Danes Haus befindet sich ein offensichtlich bodenloses Loch …

Sich manifestierende und ihre menschlichen Urheber heimsuchende Ängste und Wünsche sind im Genrekino längst ein Standardmotiv: Tarkovskijs „Solaris“, Paul W. S. Andersons „Event Horizon“, Barry Levinsons „Sphere“ oder Bruce D. Clarks „Planet des Schreckens“, um nur einige Beispiele zu nennen, setzen die Phobien ihrer Protagonisten nicht nur plastisch ins Bild, sie fungieren auch als Erinnerung daran, dass die immaterielle Bedrohung mitunter sehr materielle Folgen nach sich ziehen kann. Joe Dante, der sich während seiner produktivsten Schaffensperiode in den Achtzigerjahren als absoluter Genrekenner und -liebhaber, aber auch und vor allem als Chronist des amerikanischen Vorstadtlebens einen Namen gemacht hatte, konfrontiert nun ein paar Heranwachsende mit ihrer zum feststehenden Begriff gewordenen teenage angst, indem er sie geradewegs in den Abgrund ihrer Seele blicken lässt, der sich praktischerweise als titelgebendes Loch im Keller befindet. Aus diesem Loch kann natürlich, so viel muss klar sein, nichts Gutes kommen und so müssen sich die drei Kids bald schon gegen ihre angriffslustigen Phobien wehren. Das ist tatsächlich so unspektakulär wie es sich anhört, was per se nicht verwerflich ist, aber die Frage aufwirft, warum man dies durch den Einsatz der 3D-Technologie, die in diesem auch visuell eher unauffälligen Film weitestgehend verschenkt ist, noch herausstreichen musste.

„The Hole 3D“ ist keineswegs schlecht: In seinem Understatement stellt der Film eine willkommene Abwechslung zum durch allgemeinen Überbietungswahnsinn gekennzeichneten Hollywood-Einerlei dar und zudem eine authentische Alternative zum meist Unkenntnis spiegelnden Eighties-Revival. Es ist wirklich erstaunlich, wie prägend die Handschrift Joe Dantes ist, eines Regisseurs, den man gemeinhin wegen seines erzählerischen Erfindungsreichtums schätzt, aber nicht unbedingt als besonders auffälligen auteur im Kopf hat. Dass zwischen „Matinee“, seinem letzten rundum tollen Film, und „The Hole 3D“ fast 20 Jahre liegen, sieht man letzterem nur anhand entlarvender Oberflächenmerkmale an. Leider hat Dante aber nicht alle seine Talente ins zweite Jahrzehnt des neuen Jahrtausends retten können: Seine Protagonisten sind zwar sympathisch, reifen aber nie zu vollwertigen Charakteren heran und der Film hätte insgesamt mehr schauspielerisches Profil vertragen (die einzige Ausnahme,  Bruce Dern, wird in einer Minirolle leichtfertig verschenkt). Noch schwerer wiegt aber die Abwesenheit all der vielen Beobachtungen und Details, vor denen Dantes beste Filme fast überquollen und so erst richtig lebendig wurden. Davon sind nur noch Fußnoten übrig: Dick Miller, der bislang in jedem Dante-Film dabei war, absolviert einen obligatorischen, aber verzichtbaren Cameo, die raren In-Jokes (eine Handschuhfabrik heißt „Orlac’s“) wirken ebenso aufgesetzt wie die 3D-Effekte und inhaltlich gibt „The Hole 3D“ wie schon erwähnt über seine Prämisse hinaus ebenfalls nicht viel her. Dantes neuester Film ist also wie das titelgebende Loch ziemlich leer.

The Hole 3D
(USA 2009)
Regie: Joe Dante; Drehbuch: Mark L. Smith; Musik: Javier Navarrete; Kamera: Theo van de Sande; Schnitt: Marshall Harvey
Darsteller: Chris Massoglia, Teri Polo, Nathan Gamble, Haley Bennett, Bruce Dern
Länge: 92 Minuten
Verleih: Ascot Elite

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