Berlinale 2011 – Coming-of-Age in der Finanzkrise

Das ganze Bankensystem sei amoralisch, sagt Jeremy Irons auf der Pressekonferenz zu „Margin Call“, vergisst dabei aber, dass nicht nur die gesamte US-Wirtschaft davon abhängig ist, sondern die Weltwirtschaft allgemein. Ohne Männer, die jeden Tag mit Millionen zocken, gäbe es keinen Wohlstand, ohne Wohlstand würde Krieg herrschen. Das behauptet Paul Bettanys Figur Will Emerson, wenn er einen jungen Nachwuchsbanker in seinem 170.000 Dollar teuren Sportwagen durch die Gegend kutschiert. Keiner will, dass das Leben fair ist, denn dann verlierst du deinen eigenen Wohlstand.

„Margin Call“ ist nicht nur ein Film über die Finanzkrise von 2008, sondern ein Film über Männer, die ihren Job machen. Einen Job, den sonst keiner machen will, weil es ein bessere Art des Müllmanns ist. Regisseur J.C. Chandor inszeniert sie als Profis, weniger eiskalt als vielmehr stets am abwägen, das Richtige zu tun. Doch was ist das Richtige? Erst recht in der Finanzwelt, von der doch so viel mehr abhängig ist? Inszenierte „Wall Street: Geld schläft nicht“ den großen Crash als Spiel eitler Männer, sind es auch in „Margin Call“ die Männer, die hier die Entscheidungen treffen. Männer und Demi Moore, die im Kostüm und mit Brille ebenso hart wirkt wie ihre männlichen Kollegen.

Bei Chandors Film sind sie aber weniger eitel als bei Oliver Stone, dafür scheint es so, als müssten sie Entscheidungen treffen, von denen das Fortbestehen der Menschheit abhinge. Leider verliert sich der Film dabei zu oft in ellenlangen, reichlich prätentiösen Einstellungen, die dem Film Dramatik verleihen sollen, wo keine da ist. Auch in Sachen Metaphorik ist Chandor nicht der Subtilste: Die zwei Figuren im Film, die am sympathischsten, ja am integersten wirken sollen, sind ursprünglich eigentlich keine Banker, sondern Ingenieure – Menschen, die etwas erschaffen, nicht Menschen, die etwas zerstören. Auf der anderen Seite gelingt es „Margin Call“ aber auch, die Zusammenhänge der Finanzkrise metaphorisch zu erläutern, ohne dabei in Technobabble abzudriften. Und auch diejenigen, die sich mit der Materie auskennen, werden bedient. Wären da nur nicht die gefühlten 100 Enden, die den Film mit unnötiger Melodramatik versehen, die er gar nicht nötig gehabt hätte.

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