Fantasy Filmfest 2011: Meine Stadt, mein Bezirk, mein Block

Nachts toben in den Straßen Londons Chaos und Gewalt. Im britischen Horror-Spaß „Attack the Block“ liegt das allerdings weniger an Polizeigewalt, Sozialkürzungen und jugendlicher Perspektivlosigkeit, sondern an Aliens. Schwarze, stark behaarte Aliens, die – um vom einen Ende des Kino-Spektrums zum anderen zu springen – vage an den Geist aus Apichatpong Weerasethakuls metaphysischem Kunstfilm „Uncle Boonmee who can recall his past lives“ erinnern. Aliens, die messerscharfe illuminierte Reißzähne sowie bläulich leuchtende Augen haben und sich auf der Erde einnisten wollen. Diese Wesen, die der lokale Drogendealer treffend als „big alien-gorilla-wolf- motherfuckers“ bezeichnet, haben es auf den jugendlichen Gang-Leader Moses (John Boyega) abgesehen, weil der einem der ihren den Garaus gemacht hat. Und so müssen Moses und seine Crew aus Möchtegern-Gangstern plötzlich ihren Plattenbau-Block in den ärmlichen Randbezirken der Stadt gegen die Invasion der Außerirdischen verteidigen.

Regisseur Joe Cornish inszeniert dies als vergnügliches B-Movie mit rasanter Action und einem ins Milieu passenden Soundtrack mit krachenden Beats aus Rap- und Elektro-Songs. Hier und da blitzen Ansätze von Sozialkritik auf oder finden sich leicht splattrige Bilder, doch im Vordergrund steht die Mischung aus Kampfszenen und humoristischen Einlagen, die „Attack the Block“ zu einem leichtgewichtigen, aber äußerst unterhaltsamen Crowd Pleaser macht. Der hohe Lachfaktor entsteht dabei nicht nur durch die ironische Umsetzung der Gore-Effekte, sondern vor allem durch die Kontrastierung sehr unterschiedlicher Figuren mit ebenso verschiedenen Hintergründen. Eine junge weiße Frau, Sam (Jodie Whittaker), wird zwar zunächst Opfer eines Raubüberfalls von Moses‘ primär schwarzer Gang, schließt sich aber im Kampf gegen die Aliens später der Gruppe an. Einen verplanten Biologie-Studenten (Luke Treadaway) ignorieren die Jugendlichen erst, bis sich seine zoologischen Kenntnisse als hilfreich bei der Beseitigung der Zottelmonster erweisen. Und zwei drollige Drittklässler aus dem Unterschichtsviertel erfahren, dass die außerirdischen Eindringlinge Wasserpistolen wesentlich mehr fürchten als echte Schusswaffen. Zudem betrachtet Cornish das machohafte Posing der pubertären Protagonisten mit sanftem Sarkasmus, wenn er ihrem (ohne Untertitel teilweise schwer verständlichen) Slang und der harten Attitüde die unter der Fassade durchscheinende Unsicherheit gegenüber stellt.

Vor dem Hintergrund der Londoner Unruhen im Sommer 2011 erscheint jedoch vor allem das Ende mit seiner politischen Aussage interessant: Fabuliert Moses zunächst eine staatliche Verschwörung gegen das Prekariat zusammen, laut der die Politiker erst Drogen, dann Waffen und nun Aliens in die Sozialbausiedlungen geschickt haben sollen, damit sich die Unterschicht selber dezimiere, so erkennt er letztlich auch die eigene Verantwortung und stellt sich den Konsequenzen, schließlich hat er die Gefahrenlage durch seine eigene Aggressivität ja selbst herauf beschworen. Moses opfert sich am Schluss für die Gesellschaft, die er bisher verachtet, schließlich aber als seine eigene akzeptiert hat. Als Gegenleistung fängt der Staat ihn auf: An der von einem Balkon hängenden britischen Flagge kann sich Moses festhalten und retten. Mit dieser symbolischen Versöhnung zwischen dem rebellischem Bürger und dem mächtigem Staat enden endlich auch die nächtlichen Unruhen auf den Straßen Londons.

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Attack the Block
(Großbritannien 2011)
Regie
: Joe Cornish; Drehbuch: Joe Cornish; Kamera: Thomas Townend; Schnitt: Jonathan Amos; Musik: Steven Price;
Darsteller: John Boyega, Jodie Whittaker, Alex Esmail, Leeon Jones, Simon Howard, Luke Treadaway, Nick Frost, Sammy Williams, Michael Ajao
Länge: 88 Minuten
Verleih:
Central
Kinostart:
22.09.2011

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