Who let the dogs out?

Fünf Sekunden sind noch zu spielen im Super Bowl, die Steelers führen mit vier Punkten, die Green Bay Packers sind an der 17-Yard-Linie von Pittsburgh. Der nächste Spielzug wird der finale sein, er wird das Spiel entscheiden – nur bei einem Touchdown in letzter Sekunde kann Green Bay den Titel gewinnen. Aaron Rodgers steht in der Shotgun, bekommt den Ball und sieht, wie sein Slot Receiver Jordy Nelson eine Seam-Route genau dort entlang läuft, von wo die Verteidigung der Steelers einen Blitz schickt, wodurch Nelson völlig ungedeckt der Endzone entgegen rennen kann. Rodgers wirft und der Ball kommt… „Who let the dogs out?“ weiterlesen

Fantasy Filmfest 2011: Befreiung und Selbstbefreiung

„The Woman“ gelingt in den ersten Minuten eine großartige, weil doppelbödige Einstellung, bei der ein Mann im Wald durch das Guckrohr seines Gewehrs heimlich eine verwilderte Frau (Pollyanna McIntosh) beobachtet. Das Anstarren der nichts ahnenden Halbnackten aus der Ferne hat zunächst natürlich etwas Voyeuristisches, doch dadurch, dass hier ein Gewehr als Fernrohr fungiert, bekommt der bloße Sehakt von vornherein etwas Bedrohliches – es ist eine Ankündigung des nicht nur sinnlichen, sondern bald auch physischen Übergriffs. Dass Schusswaffen im Kino spätestens seit „Panzerkreuzer Potemkin“ als phallische Symbole, als Instrumente der Penetration angesehen werden, bestätigt diese Gefahr. Tatsächlich fängt Chris (Sean Bridgers) die Frau, schleppt sie in einen unterirdischen Schuppen auf seinem Grundstück und kettet sie in Kreuzigungsposition an die Wand, um sie sich gefügig zu machen, sie „zu zivilisieren, wie er sagt. Seinen Plan, sie „von sich selbst zu befreien“, das Andersartige zu unterwerfen und assimilieren, könnte man auch als Kommentar zur US-Außenpolitik verstehen, doch McKee – der bereits in „May“ eine gesellschaftlich inkompatible, gefährliche Frau in den Vordergrund rückte – bleibt auf der individuellen Ebene. „Fantasy Filmfest 2011: Befreiung und Selbstbefreiung“ weiterlesen

Fantasy Filmfest 2011: Preaching to the Choir

Gegenüber Menschen, die noch nie in den USA waren und deshalb dem Irrglauben anhängen, das mächtigste Land müsse zugleich eines der fortschrittlichsten sein, ist es immer wieder schwer vermittelbar, warum hierzulande mittlerweile relativ unumstrittene Themen wie Homosexualität und Abtreibung dort zu hysterischen Reaktionen führen. Etwas vereinfacht lässt sich dieses Rätsel mit einem Stichwort erklären: Religion. Es gibt sie tatsächlich – jene christilichen Sekten, die Erdbeben, Taifune und andere Katastrophen mit Tausenden Todesopfern für Strafen Gottes halten. Strafen, die sich laut der christlichen Rechten unzweifelhaft auf die gesellschaftliche Permissivität gegenüber Homosexualität, vorehelichem Sex und Abtreibungen beziehen. Einige dieser Sekten, die häufig im Umfeld der erzkonservativen Tea Party agieren, bezeichneten Barack Obama denn auch als Satan (oder wahlweise Hitler), als dieser die wahrlich diabolische Untat beging, das staatliche Krankenversicherungssystem auf die gesamte Bevölkerung auszuweiten. Auch gegen Kevin Smiths neuen Film „Red State“ gab es wütende Proteste seitens christlicher Fundamentalisten, die die Evolutionstheorie in der Schule durch den Kreationismus ersetzen wollen und die Bibel auch sonst wörtlich nehmen. „Fantasy Filmfest 2011: Preaching to the Choir“ weiterlesen

Fantasy Filmfest 2011: Welcome to the United States

Ein Licht scheint in dunkler Nacht, das Licht kommt langsam näher, es sind die Scheinwerfer eines Autos. Fünf junge Erwachsene kehren aus Kanada in die USA zurück, nehmen eine abgelegene Straße, um den Zoll- und Drogenkontrollen zu entgehen und geraten dadurch in eine noch viel schlimmere Angelegenheit. Zwei Männer in Polizeiuniform halten den Wagen an, wollen die Pässe sehen und durchsuchen das Gepäck nach illegalen Waren. Was folgt, ist eine wahrlich beklemmende Sequenz, in der die Situation immer mehr eskaliert, nachdem Jalil (Michael Mando) wegen seiner arabischen Wurzeln unter Generalverdacht gerät. Die beiden Uniformierten nutzen ihre Autorität aus, um die fünf Autoinsassen perfide zu demütigen: Abhängig vom Willen der vermeintlichen Polizisten und bedroht von deren Waffen, müssen diese erniedrigende Untersuchungen gefügig erdulden, werden in orangefarbene Overalls gesteckt und gewaltsam um eine Person dezimiert. Spätestens mit den Ganzkörperanzügen begibt sich Olivier Abbous Horrorthriller „Territories“ auf politisches Terrain. Wo Menschen Säcke über den Kopf gezogen bekommen und ohne Anklage oder Rechtshilfe eingesperrt, versteckt und gefoltert werden, da ist Guantanamo. „Fantasy Filmfest 2011: Welcome to the United States“ weiterlesen

Fantasy Filmfest 2011: Meine Stadt, mein Bezirk, mein Block

Nachts toben in den Straßen Londons Chaos und Gewalt. Im britischen Horror-Spaß „Attack the Block“ liegt das allerdings weniger an Polizeigewalt, Sozialkürzungen und jugendlicher Perspektivlosigkeit, sondern an Aliens. Schwarze, stark behaarte Aliens, die – um vom einen Ende des Kino-Spektrums zum anderen zu springen – vage an den Geist aus Apichatpong Weerasethakuls metaphysischem Kunstfilm „Uncle Boonmee who can recall his past lives“ erinnern. Aliens, die messerscharfe illuminierte Reißzähne sowie bläulich leuchtende Augen haben und sich auf der Erde einnisten wollen. Diese Wesen, die der lokale Drogendealer treffend als „big alien-gorilla-wolf- motherfuckers“ bezeichnet, haben es auf den jugendlichen Gang-Leader Moses (John Boyega) abgesehen, weil der einem der ihren den Garaus gemacht hat. Und so müssen Moses und seine Crew aus Möchtegern-Gangstern plötzlich ihren Plattenbau-Block in den ärmlichen Randbezirken der Stadt gegen die Invasion der Außerirdischen verteidigen. „Fantasy Filmfest 2011: Meine Stadt, mein Bezirk, mein Block“ weiterlesen

Zwei Punkte, eine Linie

Grell sind die Farben, grell wie im Giallo. Grell ist auch die Märchenwelt, in die Saverio Costanzos ebenso stilistisch beeindruckender wie emotional berührender Film „Die Einsamkeit der Primzahlen“ („La solitudine dei numeri primi“) den Zuschauer gleich zu Beginn versetzt. In der Grundschule wird ein Theaterstück gespielt. Zu sehen ist ein düsterer, verwunschener Wald, in dem eine Prinzessin und ein Monstrum schlafen, dargestellt von zwei in groteske Kostüme gehüllten Kindern. Die Szenerie wirkt unheimlich, doch die Kleinen spielen brav ihre einstudierten Rollen – bis Michela (Giorgia Pizzio) die Bühne betritt. Ihre Augen sind vor Angst geweitet, aus ihrem Rücken sprießen Äste, ihren Kopf ziert ein Vogelnest. Michela schreit und schreit und kann gar nicht mehr aufhören zu schreien. Das Stück muss abgebrochen werden, die Illusion der Aufführung zerbricht – und mit ihr die Illusion der Kindheit als Zeit des Glücks. „Zwei Punkte, eine Linie“ weiterlesen

Todessehnsucht

Kultur entsteht durch Leid. Die wohl überwiegende Zahl großer Kunstwerke basiert nicht etwa auf Freude und Glück, sondern auf Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Auf das Werk Lars von Triers bezogen lässt sich aus dieser Einsicht folgern, dass es dem Regisseur noch nie so schlecht gegangen zu sein scheint wie bei der Arbeit an seinem Meisterwerk „Dogville“. Auch während der Produktion von „Antichrist“ litt von Trier bekanntlich unter schweren Depressionen – sein neuer, kürzlich in Cannes vorgestellter Film „Melancholia“ hingegen entstand unter besseren psychischen Bedingungen. Es nimmt daher nicht Wunder, dass in allen bisherigen Besprechungen ein Adjektiv verdächtig oft auftauchte: „Schön“ sei der Film, hieß es immer wieder. Das ist für das dänische Enfant terrible freilich ein vernichtendes Urteil. Von Trier macht schließlich keine Filme, die „schön“ sein, sondern, die den Zuschauer provozieren sollen, wenn sie das Böse im Menschen, die Hybris der Vernunft und das Leiden am Sein offenlegen. „Todessehnsucht“ weiterlesen

Interview mit (mehr als) einem Vampir

In Belgien lässt es sich leben als Untoter. Gut, dass man wochenlang immer nur Schwarze zu essen bekommt, ist kulinarisch etwas eintönig, aber dafür liefert die belgische Polizei die illegalen Immigranten bis an die Haustür der Vampirfamilie um den Patriarchen Georges (Carlo Ferrante). Und wenn Untermieter Bienvenu (Batiste Sornin) sich einmal sexuell an kindlichen Opfern vergreift, drückt die staatliche Strafverfolgung beide Augen zu. Die belgische Mockumentary „Vampires“ (deutscher Titel: „Vampire – Verstecken war gestern!“) geizt nicht mit Seitenhieben auf die politischen Zustände des Landes, funktioniert aber – in Budget-bedingter Ermangelung visueller Highlights – primär über bissige Dialoge und bizarre Ideen, die mitunter tradierte Vorstellungen der Vampirmythologie erweitern. „Interview mit (mehr als) einem Vampir“ weiterlesen

Den Zuschauern beim Zuschauen zuschauen

Im wundervollen Kurzfilm „Plastic Bag“ zeigt Ramin Bahrani mit Hilfe des Erzählers Werner Herzog die Welt aus der Sicht einer Plastiktüte. Dieser Ansatz erweist sich nicht nur als amüsant und klug beobachtet, sondern auch als anrührend. Quentin Dupieux, vor allem als Elektro-Musiker ‚Mr. Oizo‘ bekannt, richtet in seiner Horrorparodie „Rubber“ die Kamera einige Momente lang auf eine Reifenverbrennungs-anlage. Zu sehen wie die Gummiräder auf dem umzäunten Gelände zusammengepfercht und in Massen vernichtet werden, ist ein erschütterndes Erlebnis für Robert den Killerreifen. Ja, richtig gelesen: Killerreifen. Dupieux‘ Star hat indes weniger mit den ernstgemeinten Killervulkanen oder -bienen der B-Moviegeschichte zu tun, sondern ist am ehesten mit den hochgradig absurden Killertomaten verwandt. „Rubber“ begnügt sich jedoch nicht mit dem satirischen Konzept eines Killerreifens, sondern entwickelt sich nebenbei noch zum Meta-Film, der die Rolle des Kinopublikums ironisch dekonstruiert.

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2011: A Space Odyssey

Nun ist er also da. „The Tree of Life“ – ein Film, auf dem ungeheure Erwartungen lasten, weil er seit Jahren in Produktion war, sein Start immer wieder verschoben wurde und im Oeuvre des Regie-Unikats Terrence Malick erst das fünfte Werk innerhalb von 40 Jahren darstellt. Malick gilt – wie Kubrick – als Perfektionist. Und je mehr durchsickerte, dass „The Tree of Life“ ein ähnlich avantgardistischer und philosophisch anspruchsvoller Film werden würde wie Kubricks „2001: A Space Odyssey“, wurden aus Cineasten Jünger, die weniger einen Film als eine Offenbarung antizipierten. Fast schon erwartungsgemäß wurde „The Tree of Life“ vor wenigen Wochen zum Sieger des prestigeträchtigen Festivals von Cannes gekürt. Und nun ist er also da, im Kino, aus ätherischen Höhen in die Profanität des für alle Sichtbaren hinabgestiegen, wo es mit Romantic Comedies und Action-Blockbustern zu konkurrieren gilt. Im Legendendunst seiner Vorgeschichte mag es enttäuschend erscheinen, dass „The Tree of Life“ letztlich nicht das große Meisterwerk vom Range der Kubrick’schen Vision ist. Nimmt man aber Abstand von diesen übersteigerten, nahezu unerfüllbaren Erwartungen, bleibt dennoch ein sehr gelungener, visuell berauschender und atmosphärisch starker Film. „2011: A Space Odyssey“ weiterlesen

Insane Clown Posse

„Kann ich mein Kostüm ausziehen?“, fragt der Clown bevor er Francos vorrückende Soldaten aufhalten soll. Nein, anlassen solle er es, befiehlt der Rebellenführer – angesichts eines solchen Aufzuges würden sich die feindlichen Truppen „vor Angst in die Hosen machen“. In der Tat ist die Angst vor Clowns (Coulrophobie) erstaunlich weit verbreitet: In psychologischen Studien wurde herausgefunden, dass zahlreiche Kinder sich vor Clowns fürchten, obwohl die Eltern ja gerade glauben, ihrem Nachwuchs mit dem Besuch eines Clown-Auftritts Freude zu bereiten. Diese Angst wird von Horrorfilmen wie der Stephen-King-Adaptation „It“, „House of 1000 Corpses“ oder „The Devil’s Rejects“ ausgebeutet. In der spanischen Zirkus-Groteske „A Sad Trumpet Ballad“ („Balada triste de trompeta“) hört man, bevor die ersten Bilder einsetzen, Kinder in einer Mischung aus Faszination und Furcht schreien. „Insane Clown Posse“ weiterlesen

Abendmahl

Kaum ein Genre ist so politisch wie der Horrorfilm. In der Beschäftigung mit dem individuellen Bösen werden häufig auch die bösartigen Tumore der Gesellschaft gestreift – und wer ein Monstrum zeigt, definiert immer auch implizit, was es heißt menschlich zu sein. Der Vietnamkrieg spiegelte sich im amerikanischen Genrefilm wider, indem die Bedrohung durch das Böse nicht mehr nur von außen oder von übernatürlichen Wesen hergeleitet wurde, sondern plötzlich Menschen, ja amerikanische Bürger zu kaltblütigen Mördern wurden. Den globalen Siegeszug des Kapitalismus kommentierte George Romero wiederholt mit seinen Zombie-Filmen, in denen die geist- und willenlosen Untoten als Metaphern des Konsumenten dienen. Im mexikanischen Film „Wir sind was wir sind“ sind es nun Kannibalen, die am Beispiel einer Familie zeigen, welche Pathologien und autodestruktiven Mechanismen die mexikanische Gesellschaft unterminieren. „Abendmahl“ weiterlesen

Aber Großproduktion, warum hast du so riesige Schwächen?

Märchen waren nie als Entertainment gedacht. Ihre Unterhaltsamkeit wurde lediglich ausgenutzt, um kleine Kinder unbemerkt moralisch zu erziehen. Entsprechend des oft immensen Alters der Geschichten wurden dabei zumeist rigide, konservative Werte vermittelt. Die christliche Rechte in den USA nutzt heute mit Vorliebe das jugendgerechte Medium Film, um den selben Effekt zu erreichen, also ein junges Publikum mit traditionellen Moralvorstellungen zu indoktrinieren. Und welches Märchen wäre da besser geeignet als „Rotkäppchen“, in dem (leicht als sexuell zu dechiffrierende) Neugierde ein junges Mädchen vom rechten Weg führt und ein süß lockender Fremder sich als böser Wolf entpuppt, was offensichtlich eine kaum kaschierte Metapher für den Mann mit seiner für die keusche Frau so bedrohlichen Sexualität ist? „Aber Großproduktion, warum hast du so riesige Schwächen?“ weiterlesen

Nordkorea in Griechenland

Ein Zombie ist eine kleine gelbe Blume, das Wort ‚Muschi‘ bezeichnet eine große Lampe und die Katze ist „die gefährlichste Kreatur, die es gibt“. Willkommen in der surrealen  Welt von „Dogtooth“, einem der großartigsten Filme der letzten Jahre, den beschämenderweise kein Verleih in die deutschen Kinos gebracht hat. Willkommen im Leben einer fünfköpfigen Familie, die sich mitten in Griechenland ihr privates kleines Nordkorea errichtet hat. Das totalitäre Regime von Vater und Mutter hält die drei erwachsenen Kinder auf dem Grundstück in dauerhafter Isolation gefangen, manipuliert sie gezielt mit Desinformationen und erzeugt mit Horrorgeschichten aus dem Außen jene Angst, die nötig ist, um den natürlichen Freiheitsdrang der Insassen zu hemmen. „Nordkorea in Griechenland“ weiterlesen

Vampiros lesbos

Man kann Regisseur und Drehbuchautor Dennis Gansel vorwerfen, wieder einmal unter Beweis gestellt zu haben, dass deutsche Genre-Beiträge zumeist wenig Lust auf mehr machen. Was man ihm nicht vorwerfen kann, ist, auf den „Twilight“-Zug aufgesprungen zu sein. Die Idee zu „Wir sind die Nacht“ trug er bereits seit über einem Jahrzehnt mit sich herum, konnte aber keine Geldgeber finden. Erst als die Vampire der US-Reihe auch die hiesigen Teenager finanziell auszusaugen begannen, wurde ihm die filmische Umsetzung des Stoffs ermöglicht. Dem Endprodukt merkt man indes nicht unbedingt an, dass jahrelange Arbeit dahinter steckt. „Vampiros lesbos“ weiterlesen

Fantasy Filmfest Nights 2011 – Not so Funny Games

Nicht selten wird Michael Haneke vorgeworfen, seine Filme seien zu oberlehrerhaft. Doch offenbar sind all seine didaktischen Bemühungen noch lange nicht ausreichend. Miguel Ángel Vivas bringt es nämlich in seinem sadistischen Exploitationfilm „Secuestrados“ („Kidnapped“) fertig, Hanekes Meisterwerk „Funny Games“ zu zitieren – augenscheinlich ohne verstanden zu haben, dass es Haneke um das genaue Gegenteil dessen geht, was „Secuestrados“ praktiziert. Während „Funny Games“ wohl der Anti-Exploitationfilm schlechthin ist, bemüht sich Vivas 90 Minuten lang ausschließlich darum, Gewalt konsumierbar zu machen und jene Zuschauer zu befriedigen, die Folter erregend finden und Freude daran haben, der sinnlosen Auslöschung einer Familie zuzusehen. „Fantasy Filmfest Nights 2011 – Not so Funny Games“ weiterlesen

Fantasy Filmfest Nights 2011 – If you go out in the Woods today…

Das Unangenehmste am Job eines Trolljägers ist der Papierkram. Die geheime staatliche Agentur TST (Troll Security Service) verlangt doch tatsächlich, dass man ein bürokratisches Formular ausfüllt, das unter anderem darüber Auskunft geben soll, ob man nun einen Ringlefinch, Tosserlad oder Jotnar erlegt hat. Da die essentiellen Unterschiede allgemein bekannt sind, braucht hier nicht auf die Spezifika dieser einzelnen Unterarten eingegangen werden. Was indes weniger bekannt ist: Die norwegische Regierung versucht – vermutlich, um den Tourismus nicht zu gefährden – die Existenz der Wald- und Bergmonster mit allen Mitteln geheim zu halten. „Fantasy Filmfest Nights 2011 – If you go out in the Woods today…“ weiterlesen

Fantasy Filmfest Nights 2011 – Gallo on the Run

Ob „Essential Killing“ den Genre-Fans der Fantasy Filmfest Nights gefallen wird, ist mehr als fraglich. Der neue Film der polnischen Regie-Legende Jerzy Skolimowski ist gerade deshalb so stark, weil er sich nicht um Genre-Konventionen und -Grenzen schert, sondern den Inhalt eines Action-Thrillers mit der Form eines Kunstfilms kurzschließt. Darin gestaltet sich die interkontinentale Verfolgungsjagd auf einen Terror-Verdächtigen wenig spektakulär und bedarf großer Freiheiten im Drehbuch, um nicht verfrüht beendet zu werden.

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Feeling good about feeling bad

Als die Bilder gerade erst laufen lernten, brachten europäische Missionare von ihren Reisen Filmmaterial mit, das ferne Völker und ’Rassen’ in ihrer Lebensweise und ihren vermeintlichen Eigenarten dokumentieren sollte. Heutzutage ist man sich darüber einig, dass diese Ethno-Filme eher rassistischen Stereotypen Vorschub leisteten als kulturelle Informationen zu transportieren. Sie stellen die beobachteten Menschen aus wie es zuvor in den höfischen Kuriositäten-Kabinetten der Fall war. In Debra Graniks „Winter’s Bone“ wird man ebenfalls das Gefühl nicht los, dass da halb belustigt, halb abgestoßen, auf jeden Fall aber fasziniert durchs Schlüsselloch geschaut wird. Als Faszinosum dient hier die weiße Unterschicht eines vergessenen Amerikas, das in hoffnungsloser Armut und Klein-Kriminalität vor sich hin vegetiert und – in Zeiten, da der „schwarze Mann“ aus Gründen der Political Correctness nicht mehr als Schreckgespenst dienen darf – das Andere einer von der Finanzkrise bedrohten weißen Mittelschicht repräsentiert. „Feeling good about feeling bad“ weiterlesen

Berlinale 2011 – Far, far from Bollywood

In „Gandu“ vom indischen Regisseur Q (bürgerlich: Kaushik Mukherjee) tauchen etwa 20 Minuten vor dem Ende bereits die Credits auf, ebenso wie Q selbst – und zwar als Q, der in diesem Film über den Jugendlichen Gandu gerade einen Film über den Jugendlichen Gandu dreht. Neben dem Leser dieser Kritik verwirrt jene Meta-Ebene auch Gandu (Anubrata) einigermaßen. Was aber auch daran liegen mag, dass Gandu, dessen Namen man als ‚Arschloch‘ oder ‚Wichser‘ übersetzen kann, gerade eine ordentliche Portion halluzinogener Drogen zu sich genommen hat. Die hypnotische Visualisierung dieses Rausches greift – wie bei der Nahtoderfahrung in Gaspar Noés „Enter the Void“ – tief in die Trickkiste experimenteller Techniken und ist sinnlich ähnlich beeindruckend wie bei Noé. Wenn der kleinkriminelle Gandu gerade nicht weiblichen Derwischen in seiner von Drogen belebten Fantasie begegnet, schaut er Pornos, masturbiert oder schmeißt in wütenden Rap-Texten mit sämtlichen ihm bekannten Schimpfwörtern um sich. Der restriktiven indischen Zensur wird das ebenso wenig gefallen wie einem einsamen, moralisch empörten Zuschauer aus Indien beim Berlinale-Screening. Für zahlreiche andere Publikumsgruppen – frustrierte Jugendliche, sozial-realistische Cineasten, Freunde des Schwarz-Weiß- und Experimentalfilms – ist „Gandu“ hingegen eine großartige Entdeckung. „Berlinale 2011 – Far, far from Bollywood“ weiterlesen