Berlinale 2011 – Neo-Comic-Remake-Western

Mit Western und period pieces im Allgemeinen, ist es immer so eine Sache: Entweder man versucht auf jedes Kostüm und jeden Akzent zu achten oder man schert sich erst gar nicht darum und verkehrt die Topoi sogar. Bei „True Grit“ ist das größte Problem, das er sich nicht entscheiden kann, welche Richtung er eigentlich einschlagen will. Da präsentieren uns die Coen-Brüder tolle Landschaftsaufnahmen, die Kameramann Roger Deakins perfekt in Szene zu setzen weiß, lassen Jeff Bridges einen Akzent sprechen, der brutaler kaum sein könnte und zeigen Männer, die noch Männer sind. Und dazwischen: ein cooler Spruch nach dem anderen, der mindestens so locker über die Lippen kommen soll wie der Colt aus dem Holster gezogen wird.

Dass Jeff Bridges‘ US-Marshal dabei die gleiche Figur ist, wie jene aus „Crazy Heart“, ist dabei noch am amüsantesten. Einmal mehr mimt er einen gebrochenen Mann, für den Whiskey und Tabak eher zum Alltag gehören als gute Manieren. Und doch ist er in seinem tiefsten Inneren ein Mensch mit großem Herz. Natürlich bedarf es auch in „True Grit“ einer Person, die dieses erkennen und offenlegen muss. Im Falle dieses Remakes des John-Wayne-Klassikers, ist das die viel gefeierte Hailee Steinfeld, die fast noch mehr Abziehbild ist als Bridges Figur. Trotz ihrer gerade mal 14 Jahren spricht die Kleine nicht nur Latein, ist in der Lage einen Kopfgeldjäger anzuheuern, nein, sie verfügt auch noch über juristisches Wissen und Verhandlungsgeschick. Spätestens hier wird deutlich, dass das Coen’sche Remake, das laut eigener Aussage ja eher ein sehr vages ist, eine Art Comic-Western ist.

Auch ein Matt Damon, der sich zwar sichtlich Mühe gibt, über eine Witzfigur allerdings nicht hinauskommt, bekräftigt diese Annahme. An einer Stelle im Film begegnet die furchtlose Truppe einer Art Medizinmann, der sich ein komplettes Bärenfell samt Kopf übergestülpt hat und nachfragt, ob irgendjemand von ihnen medizinische Hilfe benötige. Was humorvoll gemeint ist, aber nicht einmal als comic relief funktioniert – kann es auch gar nicht, denn es werden im Film nie ernsthafte Töne angeschlagen –, erscheint wie ein Hilferuf, der in den Weiten der Prärie verstummt. Normalerweise sind es die Shootouts, die einen Western interessant machen, allen voran dann, wenn es keine sonstige Spannung gibt. Hier versagen die Coens besonders deutlich, denn die Shootouts in „True Grit“ sind nicht spannend, sondern einmal mehr comichaft inszeniert. An anderer Stelle kommt es jedoch zum urplötzlichen Gewaltausbruch, der dem gegenübersteht und den Zuschauer einmal mehr verunsichert, ob er hier gerade eine Komödie oder ein Drama sieht. Was als Umkehrung oder gar Dekonstruktion von Genrekonventionen daherkommt, ist ebenfalls nur ein Mittelweg. Jeder weiß aber – besonders Marshall Cogburn (Jeff Bridges) und Mattie (Hailee Steinfeld) – dass man sich früher oder später für einen Weg entscheiden muss. Die Coens konnten sich mit „True Grit“ offenbar für keinen entscheiden.

True Grit
(USA 2010)
Regie: Joel & Ethan Coen; Drehbuch: Joel & Ethan Coen; Kamera: Roger Deakins; Schnitt: Joel & Ethan Coen; Musik: Carter Burwell; Darsteller: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin;
Länge: 110 Min.
Verleih: Paramount Pictures

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