Berlinale 2011 – Neo-Comic-Remake-Western

Mit Western und period pieces im Allgemeinen, ist es immer so eine Sache: Entweder man versucht auf jedes Kostüm und jeden Akzent zu achten oder man schert sich erst gar nicht darum und verkehrt die Topoi sogar. Bei „True Grit“ ist das größte Problem, das er sich nicht entscheiden kann, welche Richtung er eigentlich einschlagen will. Da präsentieren uns die Coen-Brüder tolle Landschaftsaufnahmen, die Kameramann Roger Deakins perfekt in Szene zu setzen weiß, lassen Jeff Bridges einen Akzent sprechen, der brutaler kaum sein könnte und zeigen Männer, die noch Männer sind. Und dazwischen: ein cooler Spruch nach dem anderen, der mindestens so locker über die Lippen kommen soll wie der Colt aus dem Holster gezogen wird.

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Filmische Entjungferung

Bilder der vor Hitze flirrenden Wüste, eine Stimme, die mit schwerstem southern drawl zu uns spricht: So endete „The Big Lebowski“, so beginnt „No Country for old Men“. Doch zwischen diesen beiden Filmen ist etwas passiert mit den Coens und mit dem Cowboy, dem diese Stimme gehört. Statt dem „Stranger“ (Sam Elliott), diesem fleischgewordenen Filmzitat, das den Zuschauer an die Hand nahm, gehört sie nun Ed Tom Bell (Tommy Lee Jones), einem alternden Sheriff, der noch nie eine Waffe abgefeuert hat und sich nicht mehr heimisch fühlt in dieser Welt und Zeit. Es ist eben kein Land für alte Männer, sagt er nüchtern, man müsse flexibel sein, um in diesem Land zu überleben. Er wird mit dem Ausgang der Geschichte nichts zu tun haben, sich im Hintergrund halten – fast absichtlich kommt er immer einen Schritt zu spät. Doch es sind seine Augen, durch die wir auf dieses Land blicken und die uns immer auf Distanz zu den Bildern halten. „Filmische Entjungferung“ weiterlesen

Wenn Frisuren töten können

Ein bisschen alt sind sie inzwischen, die Geschichten aus dem Wilden Westen. Alt und schon oft erzählt. Irgendwann ist das dem Kino zu langweilig geworden und so erschuf man ein neues Genre, den Neo-Western. Doch auch der Neo-Western hat sich meist nur dem Aufwärmen des Alten verschrieben und darüber ist ein wenig das Neue am Westen verloren gegangen, der vor allem immer noch eines ist: wild.

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Das Coen-Feeling

Ein (un)möglicher Härtefall, USA 2003, Joel Coen

Die Ehe genießt als Institution in den Filmen der Coens seit jeher einen denkbar schlechten Stand. Bereits im Debüt der beiden, Blood Simple (USA 1984), bildete eine schon vor Beginn des Film hoffnungslos in die Brüche gegangene Ehe die Kulisse für die gegenseitige brutale Zerfleischung der beiden Eheleute (und aller Beteiligten). In Fargo (USA 1996) ließ der Gatte seine Gattin entführen, in O Brother Where Art Thou? (USA 2000) diente die Suche nach dem benötigen Kitt einer ebenso in die Brüche gegangenen Ehe zum Anlass einer Odyssee quer durchs weite Land um den Mississippi, in The Man Who Wasn’t There (USA 2001) macht sich Billy Bob Thornton die Seitensprünge seiner Gattin gefühlskalt zunutze. Die Ehe mit ihren zahlreichen gegenseitigen Verpflichtungen und den damit einhergehenden personellen Beziehungsgeflechten dient den beiden Feuilleton-Lieblingen im wesentlichen als Matrix für ihre Anordnungen mikrosozialer Kleinstmaschinen, die, einmal sorglos angelassen, kaum mehr noch zu stoppen sind, am wenigsten von den darin Gefangenen selbst. Romantik findet auf dieser Spielwiese des sophisticated humor a priori keinen Platz. So ist es nur als doppelt ironisch gebrochen zu bezeichnen, wenn George Clooney als Staranwalt Miles Massey im neuesten Film der Coen Brüder ausgerechnet als Eröffnungsredner eines Kongress von Eherechtsanwälten seinen Aufsatz zerreit und so geläutert wie mitreißend verkündet, seinen Zynismus beiseite gelegt zu haben und endlich, ja endlich die eine große wahre Liebe im Leben gefunden zu haben. Trotz andernweitiger Hinweise – Zaghafter Applaus, dann standing ovations, Schulterklopfen, Umarmungen folgen diesem euphorischen Plädoyer, als der zuvor so eitle Anwalt mit halb aus der Hose hängendem Hemd durch die Massen Richtung Ausgang schreitet – kann das nur nicht ernst gemeint sein, selten haben die Coens so böse ihr Spiel mit der Liebe getrieben. Denn dass sich die nunmehr gefunden geglaubte Liebe nur wenig später als sorgfältig geplante Falle herausstellt, sollte jedem, vor allem eigentlich Massey selbst, bereits im Vorfeld klar sein: Marylin Rexroth (Catherine Zeta-Jones), das Objekt der Begierde, stand nur kurz zuvor noch auf der juristisch gegnerischen Seite, als Gattin eines Mandanten von Massey, der diese in einer wahnwitzigen Gerichtsverhandlung um das bereits zum Greifen nahe Vermögen ihres Ex-Gatten brachte. Ein berechnendes Heiratsluder, wie es im Buche steht, eine fleischfressende Pflanze, deren klebrige Blätter sich lange schon um die Fliege Massey gelegt haben. „Das Coen-Feeling“ weiterlesen

»Ich schneide nur die Haare« – Willkommen in Coen County!

Ed Crane (Billy Bob Thornton) arbeitet als Barbier in einer amerikanischen Kleinstadt, in the middle of nowhere, dort, wo die Zeit stehen geblieben ist. Man schreibt das Jahr 1949, zeitgenössisch brisante Themen werden im Friseursalon debattiert, um das Gespräch am Laufen zu halten. »Die Russen haben eine Atombombe gebaut«, sagt ein Kunde eher beiläufig.

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