- Jacques Lacan: Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung. Turia + Kant 2004.
- Norbert Grob: Im Kino gewesen … Kritiken zum Film (1976 – 2001). St. Augustin: Gardez! 2003.
- Siegfried Kracauer: Kleine Schriften zum Film. 3 Bdd., hrsg. von Inka Mülder-Bach. Frankfurt: Suhrkamp 2004.
- Linda Hentschel. Pornotopische Techniken des Betrachtens. Raumwahrnehmung und Geschlechterordnung in visuellen Apparaten der Moderne. Reihe: Studien zur visuellen Kultur, Bd. 2. Marburg: Jonas 2001.
- Silvia Kling. Filmologie und Intermedialität. Der filmologische Beitrag zu einem aktuellen medienwissenschaftlichen Konzept. Tübingen: Stauffenberg 2002.
- Irmberg Schenk (Hg.): Zeit-Sprünge. Wie Filme Geschichte(n) erzählen. Berlin: Bertz 2004.
- Christian Mikunda: Kino spüren. Strategien der emotionalen Filmgestaltung. Wien: WUV 2002.
- Michel Foucault: Die Hermeneutik des Subjekts. Vorlesung am Collège de France (1981/82). Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004.
- Joachim Krampert/Jürgen Wehnert: Das Edgar Wallace Lexikon. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004.
- Gérard Naziri: Paranoia im amerikanischen Kino. Die 70er Jahre und die Folgen. St. Augustin: Gardez 2003.
- Marli Feldvoß/Marion Löhndorf (Hrsg.): Marlon Brando. Berlin: Bertz 2004.
- Hans Helmut Prinzler/Gabriele Jatho (Hrsg.): New Hollywood 1967 – 1976. Trouble in Wonderland. Berlin: Bertz 2004.
- Seymour Chatman/Paul Duncan (Hrsg.): Michelangelo Antonioni – Sämtliche Filme. Köln: Taschen 2004.
Weniger als die Hälfte jener 25 Seminare, die Jacques Lacan zwischen 1953 und 1979 hielt, sind überhaupt in Buchform ediert. Auf deutsch liegen, neben einer Teilübertragung seines Hauptwerkes, den 1966 erschienenen Écrits, gar nur sieben Übersetzungen seiner Seminare vor. Nachdem zuletzt 1997 „Die Psychosen“ erschienen – und der Quadriga-Verlag damit seine Edition einstellte – hat nun mit erheblicher Verzögerung der Wiener Verlag Turia + Kant den Folgeband über „Die Objektbeziehung“ herausgebracht (in einer um Genauigkeit bemühten aber holprigen Übersetzung). Es ist ein klinisch ausgerichtetes Buch, in dem Lacan Falldarstellungen seiner Kollegen einer akribischen Relektüre unterzieht. Lacan versucht aufzuzeigen, dass (Miss)Erfolge der Behandlung auf dem jeweils verkürzt verstandenen Begriff des psychoanalytischen Objekts basieren. Seine eigene Vorstellung dieses zentralen Begriffs entwickelt er im Zuge einer Relektüre von Freuds berühmter Fallgeschichte des „kleinen Hans.“ Eine mit Claude Levi-Strauss‘ Mytheninterpretation enggeführte Auffassung des Ödipuskomplexes führt zu der radikalen und paradoxen Vorstellung, dass das kindliche Subjekt entsteht, indem es stirbt bzw. aus der Mutter-Kind-Beziehung herausgerissen, sprich „symbolisch kastriert“ wird. Die Pferdephobie des kleinen Hans ist als Symptom ein Kompromiss zwischen der väterlichen Schwäche und der dadurch implizierten Überpräsenz der verschlingenden Mutter. Das hiermit formulierte Konzept der Angst nimmt teilweise das Angstseminar von 1962/63 vorweg, das soeben auf französisch erschienen ist.
Jacques Lacan: Das Seminar, Buch IV. Die Objektbeziehung. Turia + Kant 2004, 521 S. (broschiert), 40,00 Euro.
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Manfred Riepe
„Im Kino gewesen …“ versammelt 129 Kritiken von Norbert Grob – „Autor, Kritiker, Essayist, Wissenschaftler“. Die Wirkungsbreite Grobs schlägt sich nieder in den Texten: der frz. Autorentheorie nahe und Rivette, Godard und den anderen im Geiste verbunden, hat Grob einen charakteristischen Stil, dringt tiefer in die Filme ein als üblich und gestaltet die Texte mit Liebe und Gewissenhaftigkeit. Die Kritiken stammen aus den Jahren 1976 – 2001 und wurden zum größten Teil zu den jeweils aktuellen Filmstarts für verschiedene Publikationen geschrieben. Viele Genres, Themen und Autoren (Eastwood, Thome, Sautet, Wong Kar-wai …) lassen sich hier finden oder entdecken, aber auch Realisationen werden gewürdigt. Ein feines Lesebuch, fast ein Kompendium – und am Ende auch eine Seltenheit in der deutschen Filmpublizistik. Der Wunsch: „Mögen noch viele Kritiken-Sammelbände folgen“ ist damit auch ein Kompliment an dieses auch schön gestaltete Buch.
Norbert Grob: Im Kino gewesen … Kritiken zum Film (1976 – 2001). St. Augustin: Gardez! 2003, 436 Seiten (broschiert), 24,95 Euro.
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Karsten Hertrich
Der Kulturphilosoph Siegfried Kracauer (1989-1966) war bis zu seiner Flucht 1930 vor den Nazis ins Exil (zunächst Frankreich, später in die USA) in Deutschland als Journalist unter anderem bei der Frankfurter Zeitung tätig. Vor allem dort, während und nach dem Krieg aber auch in der Neuen Zürcher Zeitung sind in der Zeit von 1921 bis 1961 hunderte Essays und Kritiken zum Film erschienen, die Kracauers späteren Weg als Filmtheoretiker andeuteten und vorbereiteten. Im Suhrkamp-Verlag sind jetzt im Rahmen der Werke-Ausgabe Kracuers „Kleine Schriften zum Film“ erschienen, die diese Texte erstmals gesammelt und chronologisch sortiert zur Verfügung stellt. In drei Bänden (6.1: 1921-1927, 6.2: 1928-1931 und 6.3: 1932-1961) versammelt die Herausgeberin Inka Mülder-Bach 804 Texte Kracauers, die in mehr oder weniger intensiver Beziehung zum Thema Film stehen: von zeitgenössischen Filmkritiken über filmkulturelle Essays bis hin zu theoretischen Abhandlungen. Ergänzend enthält der dritte Band Typoskripte in der amerikanischen Originalfassung sowie Exposees und Entwürfe zu Kracauers eigenen Filmentwürfen. Umfangreiches Personen- und Filmregister machen den Dreibänder dabei auch außerhalb der Gesamtreihe interessant.
Siegfried Kracauer: Kleine Schriften zum Film. 3 Bdd., hrsg. von Inka Mülder-Bach. Frankfurt: Suhrkamp 2004, 1676 Seiten (broschiert), 112,00 Euro.
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Stefan Höltgen
„Bin ich schon drin?“ – Diese gern doppeldeutig verstandene Frage aus der AOL-Werbung aufgreifend geht die Kulturwissenschaftlerin Linda Hentschel der Frage noch dem Zusammenhang zwischen Raumwahrnehmung und Geschlechterordnung nach. In medialen Quellen vom 15. bis 20. Jahrhundert beleuchtet sie dabei die mal mehr, mal weniger subtile „Überblendungslust von Raum und Frau“. Ihre Vorgehensweise ist dabei multimethodisch zwischen Diskursanalyse, Kulturanthropologie und Psychoanalyse situiert und beleuchtet Pornografie, Kunst- und Architekturgeschichte, Raum-, Film- und Meidnetheorie. Auf nur 116 Seiten gelingt ihr dabei ein Überblick und eine Analyse der Medienkultur als „Feminisierung des Raumes“. Der Band ist reichhaltig mit Fundstücken aus der Kunst-, Pornografie- und Mediengeschichte illustriert.
Linda Hentschel: Pornotopische Techniken des Betrachtens. Raumwahrnehmung und Geschlechterordnung in visuellen Apparaten der Moderne. Reihe: Studien zur visuellen Kultur, Bd. 2, Marburg: Jonas 2001, 150 Seiten (gebunden), 25,00 Euro.
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Stefan Höltgen
Filmologie – das ist die „erste systematiche und interdisziplinär fundierte Auseinandersetzung mit Film und Cinéma überhaupt“ gewesen. Diese Begrüdnungsdiziplin entstand 1847 an der Pariser Sorbonne und hat bis 1961 eine richtungsweisende Forschungstraditionen für „Phänomenologie des Films“ oder „Internedialität“ begründet. Letzterem Aspekt widmet sich Silvia Klings kleine Schrift im Stauffenburg-Verlag mit dem Titel „Filmologie und Intermedialität“. Die Autorin stellt darin zunächst die Entstehung, Geschichte und frühen Vertreter der Schule vor, bevor sie sich den Diskursen über Intermedialität widmet, die sich zwischen den Arbeitsfeldern „fait filmique“ (Film als ästhetisches Objekt) und „fait cinématographique“ (Film als sprachliches Objekt) aufspannt. Kling bereitet mit ihrem Buch eine filmwissenschaftliche Archäologie der Filmwissenschaft vor, die jünst auf einem Jenaer Kongress zur „Phänomenologie des Films“ ihre erste Erweiterung erfuhr und der sicherlich noch etliche wichtige und auch für die heutige Forschung relevante Themen zu entnehmen sein werden.
Silvia Kling: Filmologie und Intermedialität. Der filmologische Beitrag zu einem aktuellen medienwissenschaftlichen Konzept- Tübingen: Stauffenberg 2002, 83 Seiten (broschiert), 24,50 Euro.
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Stefan Höltgen
Zeit ist die wichtigste Bedingung filmischen Erzählens – denn im Gegensatz zur erzählten Zeit knüpft Film auch die Erzählzeit eng an seine Präsentation. Gerade im Kino, wo der Zuschauer keine Einflussmöglichkeit hat, den Film zu unterbrechen, wird sie zum wichtigen ästhetischen Kriterium. Doch auch die erzählte Zeit erfährt im Verlauf der Filmgeschichte eine zunehmende Veränderung in ihrem Rhythmus – was mit den Unterschied zur literarischen Erzählung markiert: Die „Beschleunigung aller Lebensbereiche“ in der Moderne verdoppelt sich in Schnittfrequenzen, Bewegung vor und mit der Kamera. Das 8. „Internationale Bremer Symposium zum Film“ beschäftigte sich daher im Frühjahr mit der Zeit als Bedingung filmischen Erzählens. Im Bertz-Verlag ist nun ein Sammelband mit dem Vorträgen der Veranstaltung erschienen. Irmberg Schenk versammelt in „Zeit-Spünge. Wie Filme Geschichte(n) erzählen“ 16 Aufsätze zum Thema. Der etwa 190 Seiten starke, wie üblich reich bebilderte Band aspektiert dabei verschiedenste Genres und Gattungen als auch Film- und Theorie-Autoren. Ein Film- und Personen-Register runden den Band ab.
Irmberg Schenk (Hg.): Zeit-Sprünge. Wie Filme Geschichte(n) erzählen. Berlin: Bertz 2004, 191 Seiten (broschiert), 14,90 Euro.
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Stefan Höltgen
„Im Kino gewesen. Geweint.“ Dieser berühmte Tagebucheintrag Franz Kafkas aus dem Jahr 1913 ist nicht nur das Ergebnis literarischer Reduktion eines Erlebnisses, sondern auch das eines ästhetischen Plans. Die Gestaltung von Film unterliegt nämlich – das ist trivial – Strategien von Emotionserzeugung. Diese sind kein zufälliges Ergebnis der Kombination von Erzählung, Mise-en-Scène oder Montage. Christian Mikunda hat in der Zweitausgabe seines Buches „Kino spüren“ genau diesen Strategien nachgestellt und eine Psychologie der Emotionserzeugung im Kino erstellt. Damit reiht er sich in eine theoretische Linie zu Steven Shaviro (The Cinematic Body) und Linda Williams/Carol Clover (Body Genres), die eine somatische Theorie des Kinos diskutieren. Mikundas Buch ist dabei sowohl als Analyse wie auch als Leitfaden lesbar: Die emotionale Filmgestaltung, die dem Rezipienten kaum bewusst ist, wird von ihm in ihre filmästhetischen Wirkungsbereiche aufgegliedert und am Beispiel (mit zahlreichen Abbildungen) diskutiert. Mikundas Buch ist in seiner Detailliertheit bislang einzigartig und ein wichtiger Beitrag zur somatischen Theorie des Kinos.
Christian Mikunda; Kino spüren. Strategien der emotionalen Filmgestaltung. Wien: WUV 2002
345 Seiten (broschiert), 28,90 Euro.
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Stefan Höltgen
Der neueste Band der Vorlesungen, die der französische Philosoph am Collège de France gehalten hat, thematisiert die ‚Selbstpraktiken‘ (gr. epimeleia heautou), der griechischen und römischen Spätantike. Was Foucault in seinem Spätwerk Sexualität und Wahrheit (3 Bde.) vergleichsweise knapp umreißt und was man in der Rezeption unter dem Schlagwort „Ästhetik der Existenz“ verhandelt, wird hier auf breiter Grundlage entwickelt, etwa anhand einer genauen Lektüre von Platons Alkibiades oder Senecas Briefen an Lucilius. Die Veröffentlichung ist sorgfältig ediert und schon wegen der exzellenten und ausführlichen Kommentierung, ein sehr fruchtbarer Steinbruch für alle Foucault-Interessierten und eine wichtige Quelle für das Verständnis seiner Spätphase.
Michel Foucault: Die Hermeneutik des Subjekts. Vorlesung am Collège de France (1981/82). Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004, 280 Seiten (gebunden), 39,80 Euro.
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Patrick Baum
Edgar Wallace beschäftigt – weniger als Person, eher als intermediales Phänomen – bis heute immer wieder neu nachwachsende Fangenerationen vornehmlich der hiesigen Pulpkultur, die sich mit personellen Verflechtungen („Wer spielte wann wo in welchem von wem produzierten und geschriebenen Film mit und welche Wallace-Hörspiele hat dieser Drehbuchautor noch geschrieben?“ und ähnliche Fragen), vor allem aber mit der spezifischen Ästhetik der Wallace-Welt auseinandersetzen. Mit dem „Edgar Wallace Lexikon“ liegt im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag nun ein weiteres, faszinierendes Lexikon aus der dahingehend nicht unbeleckten Reihe an Filmnachschlagewerken vor. Die beiden Autoren haben sichtlich Mühe und Herzblut in das Projekt gelegt und mit über 1000 Schlagwörtern, einer hohen Verweisdichte, zahlreichen Quellzitaten und vielfältigem Bildmaterial den intermedialen Wallace-Kosmos in seiner Gesamtheit zu fassen gekriegt. Die ausgiebige Recherche der beiden Wallace-Enthusiasten garantiert eine hohe und verlässliche Informationsdichte, auch entfernt wallace-relevante Schlagwörter wurden berücksichtigt und adäquat lexikalisch aufbereitet. Ein schönes Kompendium, das zum lange Blättern einlädt und ohne Zweifel zur grundlegenden Lektüre für weitere Forschungsarbeiten am Wallace-Korpus zu zählen sein wird.
Joachim Krampert/Jürgen Wehnert: Das Edgar Wallace Lexikon. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004, 800 Seiten (broschiert), 29,90 Euro.
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Thomas Groh
Naziris Auseinandersetzung mit dem politischen US-Paranoia-Kino der 70er Jahre wird seinem bis heute faszinierenden Gegenstand leider nur bedingt gerecht. Es hapert an der offenbar mangelnden Ambition: So möchte der Autor zum einen den „Wirklichkeitsbezug“ der einzelnen Filme untersuchen, zum anderen, wie es den einzelnen Beiträgen gelingt, eine „Atmosphäre von Angst und Verunsicherung“ herzustellen. Dem folgen sechs versiert durchgeführte Analysen der kanonisierten Klassiker des Subgenres, die für sich genommen je überzeugen und den Blick auf die Filme erweitern, letztendlich aber einen großen Überbau missen lassen. Als Fluchtpunkt wie Rückkehr zum thematischen primus movens des Subgenres – der Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy – wird Oliver Stones J.F.K. (USA 1991) deklariert – ein zwar an sich richtiger Gedanke, der jedoch letztlich nur auf der Ebene des Offensichtlichen verharrt. Vorangestellt sind den Einzelbetrachtungen auf wenigen Seiten eine kurze Geschichte des Paranoia-Kinos, der mehr Raum gut getan hätte, sowie eine allenfalls kursorische, hier und da zudem etwas ungenaue Betrachtung der USA vor dem historischen Hintergrund der 1960er und frühen -70er Jahre. Im Gesamten bleibt das Buch somit eher als wissenschaftliche Fingerübung in Erinnerung.
Gérard Naziri: Paranoia im amerikanischen Kino. Die 70er Jahre und die Folgen. St. Augustin: Gardez 2003, 348 Seiten (broschiert), 24,95 Euro.
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Thomas Groh
Der eigenwillige Stil Marlon Brandos, sein oft egozentrisches Auftreten und sein Umgang mit den Medien machen den Darsteller bis heute zum Gegenstand mancher Kontroversen. Zum 80. Geburtstag des exzentrischen Schauspielers im April dieses Jahres legt der Bertz Verlag in seiner meist nur Regisseuren vorbehaltenen film-Reihe eine ausführliche Hommage vor und weicht somit nach ähnlichen Veröffentlichungen zusehends implizit den Autorenbegriff, der als Grundgedanke hinter dieser Reihe steht, erfreulicherweise zugunsten einer erweiterten Perspektive auf, in der auch Schauspieler unter dem Begriff subsumiert werden können. Ein ausführliches, einleitendes Essay, dass Brandos spezifischem Stil analytisch begegnet, kann hierfür als weiteres Indiz angesehen werden. Das strukturelle Konzept der Reihe wird beibehalten: Einführenden Essays folgen zahlreiche Einzelbesprechungen aller in Frage kommenden Filme zahlreicher Filmkritiker hiesiger Provinienz. Ein roter Faden kann sich in dieser Form natürlich nur schwer entwickeln, die einzelnen Filmtexte, die in der Regel gelungen zwischen Filmkritik und Hintergrunderläuterung changieren, sind somit eher zur gezielten Lektüre, etwa im Vorfeld einer Sichtung oder zur Nachbearbeitung einer solchen, geeignet. Angenehm fällt auf, dass man sich nicht ausschließlich auf Respektbekundungen verlässt, sondern auch kritische Töne – etwa im Falle des offen rassistischen Das kleine Teehaus (USA 1956) – anzubringen weiß. Auch obskure, heutzutage kaum mehr bekannte, geschweige denn leicht verfügbare Filme wurden in der Betrachtung berücksichtigt, die so einen großzügigen Panoramablick auf das Schaffen Brandos gestattet. Wie abgeschlossen das Werk zum Zeitpunkt der Publikation bereits war, ahnte man im April noch nicht: Der von vielen als größter aller Zeiten gefeierte Schauspieler starb am 01.Juli 2004.
Marli Feldvoß/Marion Löhndorf (Hrsg.): Marlon Brando. Berlin: Bertz 2004, 336 Seiten (gebunden), 19,90 Euro.
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Thomas Groh
Mit ihrer Retrospektive „New Hollywood 1967 – 1976: Trouble in Wonderland“ erwies sich die Berlinale zu Jahresbeginn einmal mehr als Stichwortgeber für die hiesige Filmkultur: Zahlreiche Artikel in der Filmpublizistik, Retrospektiven in Programmkinos, eine Filmreihe im TV sowie diverse, von der Berlinale unabhängige Buchpublikationen arbeiteten eines der aufregendsten Kapitel der US-Filmgeschichte gelungen auf. Die hauseigene Publikation zum Thema geht da beinahe schon etwas unter und erreicht die Qualität vorangegangener Retrospektivenbände leider nur auszugsweise: Schade ist zum einen, dass man sich dazu entschloss, nicht die rund 60 Filme der Retrospektive, sondern allein deren Regisseure mit knappen Portraits vorzustellen. Der Raum, der so im Einzelnen für eine Werkbetrachtung zur Verfügung steht, reicht naturgemäß kaum aus, um sonderlich in die Tiefe zu gehen. Entsprechend liest man bei etablierten Regisseuren weitgehend altbekanntes, lediglich in den Texten zu bislang vernachlässigten Filmemachern lässt sich Neues finden. Die Form orientiert sich dabei an der klassisch-cineastischen Form einer Vermengung aus Biografie, Laudatio und Werkschau. Analysen und Quellmaterialien zu den in der Reihe gezeigten Filmen wären wohl interessanter gewesen, so bleibt eher der zwiespältige Eindruck eines unkompletten Nachschlagewerks. Weit weniger Raum beanspruchen eine gute Handvoll Essays namhafter Filmpublizisten, Kulturwissenschaftler und Filmemacher für sich, in denen ausgesuchte Aspekte des Filmzusammenhangs – etwa spezifische Heldenfiguren, Utopieformulierungen und andere, naheliegende Topoi – in den Fokus genommen werden. Diese fallen versiert und informativ aus, bleiben dabei aber meist auf Augenhöhe mit den zahlreichen Artikeln, die man auch in den einschlägigen Magazinen und in den Feuilletons zur Retrospektive lesen konnte.
Hans Helmut Prinzler/Gabriele Jatho (Hrsg.): New Hollywood 1967 – 1976. Trouble in Wonderland. Berlin: Bertz 2004, 232 Seiten (gebunden), 25,00 Euro.
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Thomas Groh
Die Publikationslage zum Werk des Regisseurs Michelangelo Antonioni ist beklagenswert: Wiewohl sich seine Filme und die darin angestellten Überlegungen zum Menschen in der Moderne bis heute als brandaktuell und von ungeheurer Tiefe erweisen und Antonionis ausgeklügelte Filmsemantik theoretische und praktische Seminare an den Hochschulen beschäftigt, scheint eine analytische Werkbetrachtung bis heute zumindest im deutschsprachigen Raum nicht vorzuliegen. Zwar ist auch die Werkschau des us-amerikanischen Rhetorikprofessors Seymour Chatman dem Rahmen der Reihe ausgesuchter Regisseursportraits des Taschen Verlags gemäß keine analytische Arbeit geworden, doch gelingt es ihr zumindest, eines der aufregendsten Oeuvres europäischer Autorentradition wieder in Erinnerung zu holen. Chatmans Text entspricht dabei einer Mischform aus Biografischem, Hintergrunderläuterungen zu den einzelnen Produktionen und Exegese der einzelnen Filme, die in einem gerade für Freunde von Antonionis Schaffen leicht zu lesenden, kompletten Streifzug den Blick des Leser gelungen auf formalästhetische wie intellektuelle Besonder- und Einzelheiten der einzelnen Filme hinweist, ohne dabei einer individuellen Rezeption den Weg zu versperren. Im wesentlichen beschränkt man sich dabei auf gängige Standpunkte der Antontioni-Rezeption, der einzelne Connaisseur mag deshalb vielleicht nicht wirklich viel Neues in dem Text finden. Diesen Typ Leser dürfte dann aber das reichhaltige und qualitativ exzellente Bildmaterial in den Bann ziehen: Zahlreiche großformatige Filmstills verdeutlichen die optische Finesse der dafür viel gerühmten Filme, viele rare Fotografien aus dem Privatarchiv des Regisseurs dokumentieren die Dreharbeiten. Sogar einige Malereien Antonionis, die man ansonsten nur sehr selten zu Gesicht bekommt, wurden in einem kleines Exkurs zusammengestellt. Alles in allem ein schönes Buch, das zur entspannten Lektüre und darüber hinaus zur Wieder- oder gar Neuentdeckung eines aufregenden Filmemachers einlädt.
Seymour Chatman/Paul Duncan (Hg.): Michelangelo Antonioni – Sämtliche Filme. Köln: Taschen 2004, 192 Seiten (broschiert), 14,99 Euro.
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Thomas Groh