Was Medien-wissen-schaf(f)t

In unserer Kultur, in der die Massenmedien eine solch außerdordentliche Rolle spielen, die sich von Medien leiten lässt, ist Kulturtheorie auch notwendig Medientheorie. Die Medienwissenschaft bildet daher die technologische Spezifikation innerhalb der Kulturwissenschaften. Sie verfügt über einen eigenen theoretischen Schriften-Kanon, über eine Geschichte, über ein Bündel an Methoden und einen abgrenzbaren Gegenstandsbereich. Ex negativo ist dieses Faktum bislang dadurch bestätigt worden, dass Medientheorien und -theoretiker als solche in keine geistes- und kulturwissenschaftlichen Enzyklopädien einbezogen worden sind – mit Ausnahme der so genannten „Bindestrich-Disziplinen“ (Medien-Soziologie, Medien-Pädagogik und neuerdings Medien-Philosophie) bei denen sich jedoch keine genuine Betrachtung der Gegenstände herausgebildet hat, sondern diese allenfalls in den Bestand bestehender theoretischer Modelle inkorporiert wurden.

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Psychoanalyse, transdisziplinär

Die Psychoanalyse ist als Wissenschaft selbst transdisziplinär angelegt gewesen und hat diesen Charakter außerhalb der psychologischen Forschung auch stets behalten. Ihr Begründer Sigmund Freud hat nicht wenige seiner Studien über die Betrachtung des Individuums auf die Gesellschaft erweitert (Das Unbehagen in der Kultur, 1929/30) und auf die Ästehtik übertragen (Das Unheimliche, 1919). Dass er als Intellektueller seiner Zeit an wichtigen Debatten teilgenommen hat, zeigt nicht zuletzt sein Briefwechsel mit Albert Einstein „Warum Krieg?“ (1933). Die Psychoanalyse als „Psychologie“ hingegen hat sich aus der Transdiszipliarität immer mehr zurückgezogen und das, obwohl die einzelnen Disziplinen aus Natur- und Kulturwissenschaften stets an der Erweiterung der Theorie mitgearbeitet haben.

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Nazis im Nachthemd

Kino-Blockbuster sind ein Segen für Filmbuchpublizisten und -verlage gleichermaßen. Will man die eigene Bibliografie (oder das Verlagssortiment) um einen Bestseller bereichern, muss man lediglich den jeweiligen Blockbuster thematisieren. Im Falle von Guido Schwarz‘ „Jungfrauen im Nachthemd – Blonde Krieger aus dem Westen“ ist Peter Jacksons Lord of the Rings willkommener Anlass gewesen.
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Film/Musik

Das Verhältnis von Film und Musik ist komplex. Musik hat die laufenden Bilder von Beginn der Filmgeschichte an begleitet – zur Untermalung, Kommentierung und Rhythmisierung. Doch als eigenständige Kunstform ist die Filmmusik erst nach dem zweiten Weltkrieg ins Bewusstsein gerückt. Und kommerzielle Beachtung fand sie gar erst seit den 1960er Jahren, als sich auch Popmusiker des Films bedienten, um ihre Werke einem breiteren Publikum anzudienen. Die weiterführende Auseinandersetzung und Theoriebildung zur Filmmusik ist auf wenige Arbeiten beschränkt, von denen die Auseinandersetzungen Adornos und Eislers die bekanntesten sind. Die verschiedenen Funktionen der und Sichtweisen auf die Filmmusik haben dazu geführt, dass dieses Genre heute ein breites Spektrum an Varianten herausgebildet, sich quasi zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Musik etabliert und eine eigene Hörerschaft – jenseits des Kinosaals – gefunden hat.

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Unsere moderne Postmoderne

Gern wird sie tot gesagt, die Postmoderne – und das schon, seit sie Anfang der 1980er Jahre als Theoriemodell für Ästhetik, Ethik und Epistemologie aufgetreten ist. Der seit dem konstante Output an Literatur zu allen möglichen Phänomenen der Kultur und der Wissenschaft zeigt hingegen, dass Postmodernismus im Denken so präsent ist, wie zu Beginn. Der Schüren-Verlag wartet nun mit dem Sammelband »Die Postmoderne im Kino« auf.

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Semiologische Lückenfüller?

Mit dier Wiederaufführung der Fernsehserie Twin Peaks auf Kabel1 sind zwei Merchandising-Bücher neu aufgelegt worden, die sich als interessante Ergänzung zum Twin Peaks-Universum zu verstehen. Die seinerzeit häufig als postmodernistisch apostrophierte Serie aus der Feder von David Lynch und Marc Frost hat wohl wie kaum ein zweites Fernsehereignis der 90er Jahre auf die Zuschauer gewirkt. Anfangs wohl als Kolportage auf Krimi- und Soap-Serien konzipiert, entwickelte Twin Peaks schnell einen eigenen Charakter als Erzählung und ästhetisches Sujet. Zur offenkundigen Doppelcodierung als „Serie über Serien“ kam spätestens ab der zweiten Staffel ein neuen Konzept, das sich am treffendsten als „semiologischer Gap-Text“ bezeichnen ließe, hinzu. Immer mehr Elemente und Figuren hielten Einzug in die Erzählung, die ihr narrativ ohnehin brüchiges Konzept vollends aufbrachen und auf nichts als die eigene Zeichenhaftigkeit verwiesen.

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Science Fiction – Double Feature

Das Projekt, das Georg Seeßlen mit seinen „Grundlagen des populären Films“ unternimmt, ist in der deutschen Filmpublizistik einzigartig. Seeßlen versucht nicht nur, den bestehenden Debatten neue Aspekte hinzuzufügen, sondern diese Debatten auch weitgehend zusammenzufassen. Dabei dient ihm die Genre-Klassifizierung des Films als Grundlage: Jedem der Einzelwerke der Reihe ist die Geschichte und Ästhetik eines Genres gewidmet.

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Kubrick3

Das vergangene Jahr war ein fruchtbares, was deutschsprachige Publikationen auf dem Filmsektor anging. Das lag zum einen daran, dass Alfred Hitchcock 100 Jahre alt geworden wäre, hatte aber auch den traurigen Grund, dass am 7. März der nach vieler Ansicht “bedeutendste Filmregisseur aller Zeiten” – Stanley Kubrick – im Alter von 70 Jahren gestorben ist. Seine Hinterlassenschaft ist reichhaltig: Vom genialen Schlusswurf Eyes wide shut über zahllose Mythen, die um seine Filme und um seine Person gesponnen wurden bis hin zu einem Schwall an Literatur, die sich mit seiner Person und seinem Opus Magnum auseinandersetzt. Drei dieser Bücher möchte ich im Folgenden vorstellen.
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Sachlexikon Film

Das Sachlexikon Film von Rainer Rother (Hrsg.) ist eines der wenigen Filmlexika, die überhaupt in deutscher Sprache erschienen sind und stellt eine gelungene Synthese aus Wörterbuch und Sachlexikon dar. Anhand von vielen Stichworten und Artikeln verschiedenster Autoren wird ein guter Überblick über Fakten und Zusammenhänge rund um das Medium gegeben.
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Lynch über Lynch

Es besteht eine eigenartige Diskrepanz zwischen dem, was David Lynch filmt und dem, was er über dieses Gefilmte sagt. Er verweigert nämlich nicht nur eine Deutung seiner Filme, sondern scheint die Fragenden auch bewusst in die Irre führen zu wollen mit Aussagen, die mindestens ebenso kryptisch sind, wie die Bilder zu denen sie gemacht werden. Interessanterweise ist aber genau das, was Lynch sagt, häufig das Einzige, was sich über seine Filme sagen lässt. Denn einen hermeneutischen Zugang, der zu einer schlüssigen Interpretation führen würde, findet man in keinem Film Lynchs. Allenfalls Signifikanzen – Bedeutungen für den einzelnen Betrachter -, die mehr gefühlt als gedacht werden, lassen sich Werken, wie Eraserhead (USA 1977), Blue Velvet (USA 1986) oder Lost Highway (USA 1997) entnehmen.
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Gräben graben

Drucilla Cornell (Hg.): Die Versuchung der Pornografie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998

Beim Versuch, Pornografie als ästhetisches Phänomen zu greifen, findet man sich leicht einem Hindernis gegenüber gestellt: Der größte Teil der zu diesem Thema existierenden Publikationen handeln nicht von, sondern gegen Pornografie. Das Ergebnis steht schon zu Anfang der Untersuchung fest und die Argumentation verläuft dann auch nicht mehr besonders sachlich, sondern hangelt sich mühselig von Seite zu Seite, immer bestrebt, dem Vorurteil gerecht zu werden. Nun ist Pornografie in ihren Erscheinungsformen sicherlich kein besonders unterhaltsames Genre und der ästhetische Reiz ist (wenn überhaupt vorhanden) schnell gesättigt. Aber eine deduktive Betrachtung, die ja sonst auch allen „Trash- und Pulp-Künsten“ angedeiht, sollte auch (ja: gerade) hier Basis wissenschaftlicher Untersuchung sein.
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Simulation und Verführung

Das Werk des französischen Theoretikers Jean Baudrillard, des „Feuilleton-Gespenstes“ der europäischen Gazetten, ist so populär, wie unverstanden. Dies klingt zunächst paradox, doch erklärt sich vor allem daraus, dass Baudrillard sich mit seinen Theorien zwischen alle Stühle setzt: Für die geisteswissenschaftliche Fachwelt sind sie nicht „wissenschaftlich“ genug und für den Nicht-Akademiker oft zu komplex und anspielungsreich und für Naturwissenschaftler oft einfach „eleganter Unsinn“. Und dennoch findet Baudrillard Beachtung. Denn seine Thesen zur Kultur scheinen zwar oberflächlich wissenschaftlicher Begründung zu entbehren, haben jedoch eine eigenartige Richtigkeit, ja sogar Relevanz. Ausgehend von der politischen Ökonomie und der Simulationstheorie in den 70er Jahren, über die Theorie der Verführung in den 80er Jahren zur Transparenz des Bösen in den 90er Jahren hat er immer wieder zentrale Momente der zeitgenössischen Kultur aufgegriffen und erklärt.
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Der Blick in den Psychopathen

Eine Folge der zunehmenden Mediatisierung des Gewaltverbrechens ist die Verschiebung der Perspektive, die der Film seinem Gegenstand gegenüber einnimmt. Ließen sich in der Frühzeit des Psychothrillers noch hochgradig spekulative und reißerische Titel vermarkten, so verlangt das Publikum, dessen Wissen nicht zuletzt durch die Filmgeschichte selbst genährt wurde, heute nach differenzierten Betrachtungen. Der diesbezügliche Wandel wird recht deutlich, wenn man sich Remakes von bestimmten Stoffen (z. B. Es geschah am helllichten Tag, D 1958 vs. The Pledge, USA 2001) oder Wiederaufnahmen bestimmter authentischer Fälle (z. B. des Ted Bundy-Falls in The deliberate Stranger, USA 1986 vs. Ted Bundy, 2002) im Spielfilm ansieht. Mit dieser neuen Betrachtungsweise einher geht auch ein »intentionaler Gestus« des jeweiligen Filmautoren, der sein Werk nun nicht länger allein als reine Unterhaltung, sondern darüber hinaus auch als »Studie« über seinen Gegenstand verstanden wissen will (siehe meinen Beitrag über die Jack the Ripper-Adaptionen in dieser Ausgabe).

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Mörderisches Profil

„Der Serienmörder ist noch ein echter Held“, äußerte der französische Philosoph Jean Baudrillard einmal in einem Interview. In der Tat ist der Serienmörder auch eine kulturelle Ikone, ein Objekt der Faszination, das die Medien fasziniert präsentieren und vermarkten. Die Faszinaiton, die vom Serienmörder ausgeht, hängt mit seinem radikalen Freiheitsanspruch zusammen, den er durch seine Taten die soziale Gemeinschaft verwirklicht. Doch das ist eben nur eine Seite.

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Aus 10 mach 4

Monolithisch steht es nun schon seit 15 Jahren in der Filmlandschaft und man kommt an ihm nicht vobei: Das Lexikon des internationalen Films. Als Zusammenstellung der seit Ende des zweiten Weltkrieges für den katholischen Filmdienst entstandenen Filmkritiken hat es Umfang und Bedeutung wie kein zweites Nachschlagewerk erhalten – und das trotz aller Kritik am vermeintlichen Dogmatismus des filmdienst, aus dessen Kurzbesprechungen das Lexikon seine Kritiken rekrutiert.

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Mach’s noch einmal

Das Phänomen des filmischen Remakes ist in der Vergangenheit durch zahlreiche Publikationen aufgearbeitet worden. Dazu zählten sowohl wissenschaftlich-methodische Abhandlungen (wie das jüngst erschienene Remake-buch von Wolfgang Arendt) aber auch eine Reihe von Lexika, die – mal mehr mal weniger – versuchen Remakes zu sortieren und aufzulisten.

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Monstrum

Mediävist und Cineast zu sein, ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Denn auch wenn das im Film vermittelte Bild des „düsteren Mittelalters“ leider allzu oft das Bild jener Epoche ist, das wohl jeder im Hinterkopf hat, so ist es zumindest auch eine Freude zu sehen, dass selbst die allerneuesten Medien nicht ohne Tradition auskommen. In der Literatur vergangener Jahrhunderte finden sich erstmals die Figuren, von denen vor allem der fantastische Film bis heute zehrt: Hexen, Vampire, Wolfsmenschen, Zyklopen und Golems.

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Déjà vu

Der Reproduktionsgedanke ist am Anfang des dritten Jahrtausends überall vertreten: Medien verdoppeln die Lebenswelt, Biologen verdoppeln die Chromosomen (und damit augenscheinlich die „Individuen“) und Walter Benjamins Essay vom „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ erlebet seine x-te Renaissance. Da wurde es höchste Zeit, dass „die Welt im Zeitalter ihrer tatsächlichen Reproduzierbarkeit“ endlich einmal auf den Punkt gebracht und mit einer Kulturgeschichte der Verdopplung begonnen wurde. Diesem Projekt stellt sich der ehrgeizige Versuch des amerikanischen Kulturhistorikers Hillel Schwartz.

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The Horror!

Wie rezensiert man ein Filmlexikon? Natürlich könnte man einige allgemeine Worte darüber verlieren, wie notwendig oder obsolet lexikalisches Wissen über dieses und jenes Genre ist. Man könnte auch eine Gegenüberstellung wagen und fragen, ob das neue Lexikon eventuell mehr oder weniger, bessere oder schlechtere Beiträge hat, als seine Konkurrenten. Interessanter scheint es da schon, wenn man in der glücklichen Lage ist, die Geschichte eines Lexikonprojektes nachzuzeichnen. Diese verrät nämlich nicht nur, was sich am Gegenstand des Lexikons über die Jahre hinweg so alles getan hat, sondern vor allem auch, ob und welchen Perspektivwechsel die Autoren durchgemacht haben.
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O Mensch gib acht, was spricht die Mitternacht

Christian von Asters Horror-Lexikon ist nun in Zusammenarbeit mit dem Universal-Filmsender „13th Street“ in einer stark erweiterten Neuauflage erschienen. Bemerkt sei hierzu, dass das mittlerweile 400 Seiten starke Werk aus dem Lexikon Imprint Verlag zunächst einmal ein Textsortenfehler ist, denn es handelt sich gar nicht um ein echtes Lexikon. Auf den ersten Blick scheint die alphabetisierte Aneinanderreihung der Stichworte zwar zum Nachschlagen zu verführen, wer sich allerdings seinen Hang zum Morbiden freimütig eingesteht, wird das dunkle Büchlein bald schon ganz brav wie einen Roman von vorn bis hinten durchlesen und dabei Erhellung über Filme, deren Regisseure, Motive, Phantastisches und Grauenhaftes in Fiktion und Wirklichkeit finden.

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