Sachlexikon Film

Das Sachlexikon Film von Rainer Rother (Hrsg.) ist eines der wenigen Filmlexika, die überhaupt in deutscher Sprache erschienen sind und stellt eine gelungene Synthese aus Wörterbuch und Sachlexikon dar. Anhand von vielen Stichworten und Artikeln verschiedenster Autoren wird ein guter Überblick über Fakten und Zusammenhänge rund um das Medium gegeben.

Das Buch vermittelt ein solides Basiswissen aus den Bereichen Technik, Genre, Stil, Fachbegriffe, Produktion, Produzenten, Geschichte und Berufsgruppen. Es richtet sich ebenso an theoretisch interessierte, wie auch praktischer veranlagte Filmfreunde. Bei etwas mehr als dreihundert Seiten versteht sich von selbst, dass es sich keineswegs um ein enzyklopädisches Werk handeln kann. Sehr spezielle Themen, wie zum Beispiel „englisches Licht“ oder „funktionelles Erzählen“ sucht man auch unter anderen Stichworten vergeblich.

Kritisch anzumerken ist ebenfalls, dass die überwiegende Anzahl der Artikel eine Sammlung historischer Fakten und Kenndaten ist und zu wenig Raum bleibt für problemorientierte Darstellung. Am deutlichsten wird das vielleicht unter Beiträgen wie FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwissenschaft), bei dem politische, sich daraus ergebende juristische und ökonomische Fakten in einen gesellschaftlichen Kontext gestellt werden, ohne dabei die Problematik des unmündigen oder besser entmündigten Rezipienten anzusprechen.
Ähnliche Erscheinungen auch unter dem Stichwort Horrorfilm. Wieder ein historischer Abriss, Titel, Firmen, Produzenten, Darsteller und sogar der zarte, äußerst zaghafte Versuch einer Deutung: „[ …] die Filme spiegeln die Angst der Amerikaner vor der Atomkraft wieder.“

Angst, das ist schon richtig; doch es ist die Angst vor den entfesselten Naturkräften, eine archaische Angst, die der menschlichen Aufklärung spottet und insofern als romantisches Naturverhältnis zu charakterisieren wäre. Der Artikel unterschlägt völlig die stoffgeschichtliche Affinität des Genres zum Mythos, zu dem, was Menschen von je her bewegt und unser kulturelles Bewußtsein geprägt hat. Sicher war das lange vor dem Film. Aber auch, wenn es einige Zeit her ist, dass die puristischen Ästhetiken der Aufklärung und des Idealismus das Hässliche, Monströse oder Beängstigende so gründlich aus der kulturgeschichtlichen Theorie-und Symboltradition gestrichen haben, dass es von einer anerkannten Hochkultur kommend heute nur noch in so genannten trivialen Formen erscheint, dürfen die Fakten über dieses Genre nicht einfach unterschlagen werden.

Nur genannt und nicht einmal ausreichend problematisiert ist in diesem Artikel auch die Frage der Konvention in der Ästhetik des Horrorfilms. Problemorientiert wäre zum Beispiel, die Simplizität der schablonenartigen Handlungsmuster aufzuzeigen und sie als eine genreimmanente und unerläßliche Verfahrensweise zu kennzeichnen.

Alles in allem ist es dem Herausgeber gelungen, ein sehr umfangreiches und vor allem kompaktes Nachschlagewerk in Sachen Film zu erstellen, dessen Anschaffung sich vor allen für filmhistorisch und filmtechnisch Interessierte lohnen dürfte. Wer darüber hinaus noch Problemorientierung wünscht, wird auch in Zukunft auf die bekannten „Nebenwege“ zurückgreifen müssen.

Rainer Rother (Hrsg.)
Sachlexikon Film.
Rowohlt Handbuch 6515
335 S., 29,90 DM

Matthias Werner

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