Kubrick3

Das vergangene Jahr war ein fruchtbares, was deutschsprachige Publikationen auf dem Filmsektor anging. Das lag zum einen daran, dass Alfred Hitchcock 100 Jahre alt geworden wäre, hatte aber auch den traurigen Grund, dass am 7. März der nach vieler Ansicht “bedeutendste Filmregisseur aller Zeiten” – Stanley Kubrick – im Alter von 70 Jahren gestorben ist. Seine Hinterlassenschaft ist reichhaltig: Vom genialen Schlusswurf Eyes wide shut über zahllose Mythen, die um seine Filme und um seine Person gesponnen wurden bis hin zu einem Schwall an Literatur, die sich mit seiner Person und seinem Opus Magnum auseinandersetzt. Drei dieser Bücher möchte ich im Folgenden vorstellen.

Da wäre zunächst Rolf Thissens Monografie “Stanley Kubrick – Der Architekt als Regi-sseur”. Thissens Buch, in der Heyne-Filmbibliothek erschienen, reiht sich nahtlos an ähnliche Veröffentlichungen des Verlages (etwa Robert Fischers David Lynch – Die dunkle Seite der Seele) an. Thissen verspricht im Titel eine Menge: Um das Architektonische in Kubricks Filmen soll es gehen. Im Vorwort rechnet er mit allen bisherigen Exegeten Kubricks ab. Ihre Paraphrasen “Despot, Kontrollfreak, Genie, …” seien “hirnrissig, oberflächlich und sehr kurz gedacht”. Nein: Kubrick ist nichts von alledem, er ist “Architekt”.

Thissen, der des öfteren seine bedenkliche Neigung zur Esoterik mit dem Thema paart, ohne genau zu begründen, warum er das tut, versucht auf 288 zahlreich bebilderten Seiten das Gebäude, das Kubrick errichtet hat, zu analysieren. Dabei verfährt er klassisch: Chronologisch betrachtet er Film um Film (je zu zweit oder dritt in einem Kapitel zusammengefasst) und liefert zu jedem Werk eine komplette Inhaltsangabe nebst Analyse. Bei letzterer verlässt sich Thissen dann allerdings auch gern auf das, was andere über Kubrick geschrieben haben, so dass es schon einmal vorkommt, dass er fremde Kritiken in voller Länge wiedergibt – ohne ein eigenes Wort dazu zu liefern.

Es wird dann auch – über reine Andeutungen hinaus – nicht ganz klar, wo genau das Architektonische in Kubricks Werk zu verorten ist. Positiv ist zu bemerken, dass dem Band zwei lange und aufschlussreiche Interviews – eines mit Jan Harlan (Kubricks Schwager), ein weiteres mit Andew Birkin (einem Produktionsassistenten bei Kubricks 2001) – angehängt sind. Schlecht fällt hingegen die fehlende Bibliografie auf.

Der zweite Band, der sich mit Kubrick monografisch auseinandersetzt, stammt von Georg Seeßlen und Ferdinand Jung. Seeßlen, der Vielschreiber der bundesdeutschen Kinopublizistik liefert wie gewohnt eine sehr sorgsam recherchierte und mit sehr genauen und stichhaltigen Analysen versehene kommentierte Filmografie zu Kubrick ab.

Auch in “Stanley Kubrick und seine Filme” (schon weniger programmatisch als der Heyne-Titel und lässt daher noch Überraschungen zu) findet die Betrachtung chronologisch statt. Zuvor bestechen die Autoren jedoch durch einen über achtzigseitigen Essay über Motive, Legenden und Strukturen Kubrick’scher Filme.

Die Analysen Seeßlens und Jungs sind originell und basieren auf einer genauen Lektüre der Filme. Dass man es mit einem populärwisschenschaftlichen Band zu tun hat, fällt nicht nur an der spärlich(er)en Bebilderung auf, sondern auch daran, dass im Anhang Quellennachweise, Bibliografien und eine umfassende Filmografie zu Kubrick genannt werden.

Die letzte Veröffentlichung ist eine Aufsatzsammlung von Andreas Kilb, Rainer Rother und anderen im Bertz-Verlag (film: 8) herausgegeben. Eine wahre Freude ist das Buch, das in seinem lockeren Layout 13 Autoren vereinigt, die alle viel und Unterschiedliches zu Kubricks Werk zu sagen haben. Eingerahmt wird der Band von drei Essays, die sich mit den Motiven und Strukturen von Kubricks Oeuvre befassen. Auf 320 Seiten bietet “Stanley Kubrick” solide Analysen – nicht selten kontrovers – gepaart mit gestochen scharfen Bildern (ein Mangel der Monografie von Seeßlen und Jung). Auch die Veröffentlichung vom Bertz-Verlag endet mit einer gigantischen Bibliografie und einer umfassenden Filmografie des Regisseurs, der wohl wie kein zweiter Jahrtausendkino gemacht hat.

Rolf Thissen
Stanley Kubrick – Der Regisseur als Architekt
Wilh. Heyne Verlag 1999
288 S.; 9,95 EURO

Georg Seeßlen & Ferdinand Jung
Stanley Kubrick und seine Filme
Schüren Verlag (edition ARTE) 1999
320 S.; 19,80 EURO

Andreas Kilb, Rainer Rother u. a.
Stanley Kubrick
Bertz Verlag (film: 8) 1999
320 S.; 16,90 EURO

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