Bunt! Das 20. Jahrhundert

Peter W. Engelmeier: Film! Das 20. Jahrhundert, München u.a.: Prestel 2000

Der Prestel Verlag hat sich Veröffentlichungen zur Architektur, Fotografie und Kunst verschrieben. Programmatisch reiht sich da der Überblick über 100 Jahre Filmgeschichte ein.

Die Zusammenschau selektierter filmischer Werke bietet eine alle Genres berücksichtigende Übersicht über das Jahrhundert, in dem sich der Film als Kunstform für ein Massenpublikum etablierte. Insgesamt 84 europäische und amerikanische Filme sind in dieser kommentierten Zeitreise versammelt, deren Auftakt der Stummfilmerfolg von Charles Chaplin, The Kid von 1920 bildet. Jedem Einzelwerk ist eine reich bebilderte Doppelseite gewidmet, eingebettet in eine Kurzanalyse aus der Feder und Perspektive eines der achtzehn beteiligten Film-Fachautoren.

Der Herausgeber, Peter W. Engelmeier, beschreibt in seinem einleitenden Beitrag die nicht zu unterschätzende Schwierigkeit, die die notwendige Auswahl aus der Menge der produzierten Filme gerade unter objektivierbaren Kriterien darstellen musste. Umso verwunderlicher, dass die getroffene Filmauswahl nach kontroverser Beurteilung durch unterschiedliche (dennoch: subjektive!) Kritiker abermals den Anspruch erhebt, eine Art objektive Revue zu verkörpern.

Das die Einleitung resümierende Postulat – „Vorhang auf also für die Highlights des ersten und einzigen Jahrhunderts des Films“ verwundert umso mehr, als doch gerade eben das dritte Jahrhundert des Films eingeläutet wurde und sich diesen Worten darüber hinaus ein essayistischer Abriss vom nämlichen Autoren über die Anfänge des vielseitigen Mediums im 19. Jahrhundert anschließt.

Mit Psycho (USA 1960) wird bedauernswerter- aber auch unverständlicherweise nur einem einzelnen Werk des Allroundgenies Alfred Hitchcock Aufmerksamkeit geschenkt, allein dieses eine Beispiel aus seinem 53 Werke umfassenden Opus dient der Beleuchtung des meisterhaft beherrschten Suspense, Surprise und Thrills.

Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht vollends erwehren, das eher ökonomisch, oscar-orientierte als artifiziell ansetzende Bewertungsmaßstäbe angelegt wurden, wenn auch (oder weil?) eigens auf „‚kleine‘ Highlights“ wie Broken Silence (CH 95, R.: Wolfgang Panzer) oder Der Garten der Finzi Contini (D/I 70, R.: Vittorio De Sica) aufmerksam gemacht wird.

Der Herausgeber scheint vordergründig auf den gehetzten, hypertext-gewöhnten Leser abzuzielen, kleinere Ungereimtheiten und Missgriffe fallen jedoch auch auf den flüchtigen Blick ins Auge, etwa in den Angaben zu den Einspielergebnissen der Titanic (US 97, R.: James Cameron) oder auch der in der Übersetzung unfreiwillig komische geratene Ausspruch von HAL 9000, dem Bordcomputer in 2001: A Space Odyssey (GB 68, R.: Stanley Kubrick): “Dave, ich habe Angst. Mein Gehirn entleert sich …”. Die den einzelnen Filmtiteln mitgelieferten Kurzviten der jeweiligen Regisseure beschränken sich in der Tat auf wenige Eckdaten.

Der Reiz dieser Film-Hommage an das 20. Jahrhundert liegt auf der Seite der Bilder, dem Herzstück eines jeden Films, denen der Betrachter auf seiner Reise durch die plötzlich zeitlos still stehenden Jahrzehnte neues Leben einhaucht. Kino-Impressionen werden wach und entführen uns, halten uns gefangen in der Magie wieder lebendig gewordener Filmwelten aus einhundert Jahren Filmgeschichte.

Scharfsinnige wie amüsante Beobachtungen stellt Michael Althen in seinem den Band beschließenden Essay „Wie das ›Ende‹ aus dem Film verschwand“ an.

Peter W. Engelmeier (Hrsg.)
Film! Das 20. Jahrhundert
München u. a.: Prestel Verlag, 2000
192 Seiten; 29,95 Euro (Großformat)

Miriam-M. Höltgen

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