Gräben graben

Drucilla Cornell (Hg.): Die Versuchung der Pornografie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998

Beim Versuch, Pornografie als ästhetisches Phänomen zu greifen, findet man sich leicht einem Hindernis gegenüber gestellt: Der größte Teil der zu diesem Thema existierenden Publikationen handeln nicht von, sondern gegen Pornografie. Das Ergebnis steht schon zu Anfang der Untersuchung fest und die Argumentation verläuft dann auch nicht mehr besonders sachlich, sondern hangelt sich mühselig von Seite zu Seite, immer bestrebt, dem Vorurteil gerecht zu werden. Nun ist Pornografie in ihren Erscheinungsformen sicherlich kein besonders unterhaltsames Genre und der ästhetische Reiz ist (wenn überhaupt vorhanden) schnell gesättigt. Aber eine deduktive Betrachtung, die ja sonst auch allen „Trash- und Pulp-Künsten“ angedeiht, sollte auch (ja: gerade) hier Basis wissenschaftlicher Untersuchung sein.

In ihrem Buch Die Versuchung der Pornografie versucht die Autorin Drucilla Cornell einen „ethischen Feminismus“ zu begründen, der sich des psychoanalytischen Models Lacans als Argumentationsgrundlage bedient. Eine Auseinandersetzung mit dem vor kurzem erschienenen Text Nur Worte Catherine McKinnons dient als Anlass, die eigenen Reflexionen über das Thema zu präsentieren. McKinnons Modell, dass monokausale Erklärungen, wie etwa „Pornografiekonsum führt zu Vergewaltigung“, propagiert, wird von Cornell einer kritischen Analyse unterzogen. Dabei rückt filmische Pornografie in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung und wird zuerst kategorisiert in diejenige, die Frauen physische Gewalt antut und die, die den Frauenkörper durch Bildausschnitte „zerstückelt“.

Solcherart als „Handlung“ (und nicht wie bei McKinnon als „Worte“) charakterisiert, fiehle Pornografie bei Cornells Argumentation nach amerikanischer Rechtssprechung nicht unter die Redefreiheit und kann (und darf) somit verboten werden. Cornell fordert die Errichtung „pornografiefreier Zonen“, in denen Frauen nicht mehr ungewollt mit ihrem auf die eine oder andere Art „zerstückeltem“ Ebenbild konfrontiert werden müssen. Ebenso macht sich die Autorin für alternative Produktionen „feministischer Pornos“ stark. Solche Forderungen sind nur zu begrüßen, jedoch kann man sich fragen, ob die Pornografie tatsächlich eine Ausnahme unter den Filmen bildet und ob es nicht denkenswert wäre, Zonen solcher Art nicht auch für z. B. Action- und Kriegsfilme, Waffenläden und Bodybuildingstudios zu fordern, damit auch Männer nicht ständig mit einem Bild konfrontiert werden, dass ihrem „Imaginären“ eben solche Gewalt antut, wie die Zurschaustellung des weiblichen Körpers den Frauen.

Den „feministischen Pornos“ liegt der Gedanke zugrunde, die weibliche Erotik stärker zu betonen und das Recht auf weibliche Sexualität stärker in den Diskurs einzubringen. Hierbei kommt es Cornell im Wesentlichen darauf an, dass Männer solche Filme nicht als Vorlage für imaginäre oder tatsächliche Handlungen benutzen können; sie gesteht jedoch ein, dass Versuche, dies zu verwirklichen, bisher fehlgeschlagen sind. Damit lässt sich auch schon die Hauptschwäche des Textes umreißen: Die Autorin scheint nur über eine sehr begrenzte Fähigkeit, ästhetische Phänomene auch ästhetisch zu betrachten, zu verfügen. Die schon angesprochene „Zerstückelung“ des Körpers ist dabei ebenso filmtypisch (und nicht nur für Pornos, sondern für alle Filme), wie auch die Tatsache, dass Film eben nicht Realität abbildet, dies jedoch suggeriert, um funktionieren zu können. Somit läuft Cornells Argumentation ins Leere, wenn sie genau diese Probleme als Ursache für die „Gewalt“, die Pornografie verursacht, angibt.

Dem Text scheint es nur nebenbei um Pornografie zu gehen. Es fehlen notwendige und „sachdienliche“ empirische Belege, um die Behauptungen zu stützen. Die Empirie scheint insgesamt bei Cornell keine besonders große Rolle zu spielen. Immerhin wird der männliche „Drang“ hin zum Porno mit äußerst spekulativen psychoanalytischen (und behavioristischen) Deutungsmustern „erklärt“, auf denen dann der Rest der Argumentation fußt. Der Text ist daher überhaupt nicht geeignet, um die (ästhetische) Aufklärung über Pornografie zu forcieren, sondern allenfalls um (in ideologischer Manier) die Gräben zwischen den Geschlechtern noch ein wenig tiefer auszuheben und bereits bestehende Vorurteile zu manifestieren. Darin unterscheidet sich Cornells Buch dann auch nicht mehr von dem McKinnons.

Drucilla Cornell
Die Versuchung der Pornografie.
SV Suhrkamp Nr. 738
Reihe: Gender Studies.
16,80 DM (Taschenbuch)

Stefan Höltgen

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