Maystbietend

Michael Petzel: Karl-May-Filmbuch – Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik, Bamberg/Radebeul: Karl-May-Verlag 1998

Kenntnisreichtum und Schwärmerei treiben zuweilen seltsame Blüten. Geradezu akribisch hat sich Autor Michael Petzel einer der aufwendigsten Recherchen in der deutschen Filmgeschichte gewidmet, ist doch Karl May hierzulande der am häufigsten verfilmte Buchautor. Eng hat er dabei mit dem Karl-May-Archiv Göttingen zusammengearbeitet und einen erheblichen Fundus an Literatur durchstöbert, um das Buch schließlich zu publizieren, gebunden im Stile der alten Reihe.

Die jeweiligen Verfilmungen werden chronologisch abgehandelt, sodass nicht nur die erfolgreichen Kinoproduktionen der 60er zur umfassenden Darstellung gelangen, sondern auch die Stummfilme der Jahre 1920/21 (Auf den Trümmern des Paradieses, Die Todeskarawane, Die Teufelsanbeter), allesamt leider verschollen. Weiterhin sind die Produktionen Durch die Wüste (1936), Die Sklavenkarawane (1958) und Der Löwe von Babylon (1959) enthalten. Aber auch sämtliche Fernsehproduktionen, wie z.B. Winnetous Rückkehr aus dem Jahre 1998, hat Petzel nicht ausgeklammert. Den Schluss bestreiten detailversessene filmografische Angaben zu jedem Streifen mit Darstellern, Produktionsstab und -daten.

Das Hauptaugenmerk gilt natürlich den „klassischen“ Karl-May-Filmen mit den Hauptdarstellern Pierre Brice als Winnetou, Lex Barker als Old Shatterhand oder aber Steward Granger als Old Shurehand. Nicht zu vergessen bleibt aber, dass wiederum andere Schauspieler die Verfilmungen als Sprungbrett für weitere Erfolge benutzen konnten. Dies betrifft vor allem Götz George, Mario Adorf, Mario Girotti (alias Terence Hill) oder Uschi Glas, das Halbblut Apanatschi. Und leider spielte Ralf Wolter im Karl May seine einzigen bedeutenden Rollen, etwa als Sam Hawkens oder Hadschi Halef Omar.

Die Kinoreihe gab überdies das Startsignal für die Eurowestern, wie Segio Leones Für eine Handvoll Dollar (1964 mit Clint Eastwood) oder Spiel mir das Lied vom Tod (1968). Der erste Film mit Brice/Barker war Der Schatz im Silbersee und wurde 1962 gedreht (wie so häufig in Jugoslawien) und am 14.12. uraufgeführt. Nach seinem ungewöhnlichen Erfolg war die Fortsetzung der Reihe beschlossene Sache, wobei es die Helden auch zeitweise in den Orient oder Lateinamerika verschlug. Die BRAVO entfachte eine regelrechte Massenhysterie (v.a. um Pierre Brice), und May-Vorführungen gehörten regelrecht zur Jugendkultur, von Jungen und Mädchen. Die Serie setzte Rekordmarken und ist die erfolgreichste Kinoreihe nach dem Zweiten Weltkrieg. Abgerundet werden die Darstellungen durch ihr spezifisches Presseecho. Und dies war dann doch irgendwann so schlecht, dass die Kinoserie abgesetzt wurde. Mit Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten fiel 1968 die (vorerst) letzte Klappe.

Petzels Buch zählt eindeutig zu den echten Liebhaberstücken für richtige May-Fans. Diesen müssen es nicht vorrangig die Filme angetan haben, auch die Lektüre einstiger Kindertage ist ja vielleicht ein Anreiz. Einen großen Bonus verdient das Buch für seine großartige Bebilderung, manchmal auch abseits des lethargischen Schauspielalltags. Hingegen verliert sich der Autor allzu oft in piepselige Details, die die Konzentration ein ums andere Mal pikant herausfordern. Ein liebevolles Stück zu einem stolzen, nicht unverdienten, Preis.

Michael Petzel
Karl-May-Filmbuch – Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik
Karl-May-Verlag Bamberg/Radebeul
29,90 Euro

Rayk Eynax

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