The Revenge of Hammer

A. Oetjen: Hammer Horror – Galerie des Grauens, Meitingen: Corian 1995

1958 schrieb ein kleines, britisches B-Movie-Studio mit einer eigenwilligen Adaption des klassischen Frankensteinstoffes Filmgeschichte: The Curse of Frankenstein (GB 1958) von Terence Fisher, mit Peter Cushing und Christopher Lee in den Hauptrollen, war nicht nur der erste Gruselfilm in satten Farben, er war zudem – für damalige Verhältnisse – ungewöhnlich blutig und detailverliebt. Erstmals also wurde der Lebenssaft blutrot vergossen, erstmals die Linse der Kamera aufs Körperinnere fokussiert. Was heutzutage in der Ästhetikgeschichte des Films als Grundstein des Splatterfilms gilt – wenn auch CURSE selbst kein solcher ist -, war damals für das seit jeher morbide England ein Hochgenuß des Nervenkitzels. Die vollen Säle bescherten den Hammer Studios Reichtum und ein Konzept, das ihnen über Jahre hinweg höchst rentable Betriebsamkeit garantieren sollte.
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Der Blick in den Psychopathen

Eine Folge der zunehmenden Mediatisierung des Gewaltverbrechens ist die Verschiebung der Perspektive, die der Film seinem Gegenstand gegenüber einnimmt. Ließen sich in der Frühzeit des Psychothrillers noch hochgradig spekulative und reißerische Titel vermarkten, so verlangt das Publikum, dessen Wissen nicht zuletzt durch die Filmgeschichte selbst genährt wurde, heute nach differenzierten Betrachtungen. Der diesbezügliche Wandel wird recht deutlich, wenn man sich Remakes von bestimmten Stoffen (z. B. Es geschah am helllichten Tag, D 1958 vs. The Pledge, USA 2001) oder Wiederaufnahmen bestimmter authentischer Fälle (z. B. des Ted Bundy-Falls in The deliberate Stranger, USA 1986 vs. Ted Bundy, 2002) im Spielfilm ansieht. Mit dieser neuen Betrachtungsweise einher geht auch ein »intentionaler Gestus« des jeweiligen Filmautoren, der sein Werk nun nicht länger allein als reine Unterhaltung, sondern darüber hinaus auch als »Studie« über seinen Gegenstand verstanden wissen will (siehe meinen Beitrag über die Jack the Ripper-Adaptionen in dieser Ausgabe).

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Mörderisches Profil

„Der Serienmörder ist noch ein echter Held“, äußerte der französische Philosoph Jean Baudrillard einmal in einem Interview. In der Tat ist der Serienmörder auch eine kulturelle Ikone, ein Objekt der Faszination, das die Medien fasziniert präsentieren und vermarkten. Die Faszinaiton, die vom Serienmörder ausgeht, hängt mit seinem radikalen Freiheitsanspruch zusammen, den er durch seine Taten die soziale Gemeinschaft verwirklicht. Doch das ist eben nur eine Seite.

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Aus 10 mach 4

Monolithisch steht es nun schon seit 15 Jahren in der Filmlandschaft und man kommt an ihm nicht vobei: Das Lexikon des internationalen Films. Als Zusammenstellung der seit Ende des zweiten Weltkrieges für den katholischen Filmdienst entstandenen Filmkritiken hat es Umfang und Bedeutung wie kein zweites Nachschlagewerk erhalten – und das trotz aller Kritik am vermeintlichen Dogmatismus des filmdienst, aus dessen Kurzbesprechungen das Lexikon seine Kritiken rekrutiert.

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Mach’s noch einmal

Das Phänomen des filmischen Remakes ist in der Vergangenheit durch zahlreiche Publikationen aufgearbeitet worden. Dazu zählten sowohl wissenschaftlich-methodische Abhandlungen (wie das jüngst erschienene Remake-buch von Wolfgang Arendt) aber auch eine Reihe von Lexika, die – mal mehr mal weniger – versuchen Remakes zu sortieren und aufzulisten.

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Cronenberg als Objekt klein a.

Manfred Riepe: Bildgeschwüre, Bielefeld: [transcript] 2002

Jeder Leser Freuds, denke ich, wird sich seiner ersten Eindrücke erinnern: Eine unglaubliche Voreingenommenheit für die am wenigsten wahrscheinlichen Interpretationen, ein fanatisches Insistieren auf dem Sexuellen. Und alles in seinen verfallenen, pervertierten Formen: Bedeutung, Wort, Handlung – heruntergekommen zu lächerlichen Kalauern.
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Film verstanden.

Benedikt Descourvières: Kriegs-Schnitte, St. Augustin: Gardez! 2002

„Ist es notwendig zu lernen, wie man einen Film versteht?“ fragte James Monaco sich und den Leser in den frühen 80er Jahren zu Beginn seines Buches „Film verstehen“, das längst zum Standardwerk avanciert ist. Ein Wälzer, der dem Interessierten auch heute noch fundierte Einblicke in Filmgeschichte, –theorie und –technik bietet, der vor allem aber auch der breiten Masse „Film“ im Vergleich zu anderen Kunstformen als ein nicht minder anspruchsvolles Medium präsentierte. Lange sollte es jedoch noch dauern, bis die Vermittlung von Medienkompetenz zur Analyse audiovisueller Medien – AV-Texte, wie der Medienpädagoge Christian Doelker sie nennt – auch im pädagogisch-schulischem Rahmen Einlass gewährt wurde. So verlies man sich lange Zeit auf das vorschnelle Urteil, dass Filme nur der Zerstreuung dienten und somit kein Unterrichtsgegenstand sein könnten, oder dass (Spiel-)Filme, wenn überhaupt, nur in Form der „Literaturadaption“ und dann auch nur zur Veranschaulichung des bereits Gelesenen oder als kleines „Bonbon“ für die Schüler einen Platz im Curriculum verdienten. Erst einem erweiterten (akademischen) Textbegriff ist es schließlich zu verdanken, dass – erstmals im Jahre 1998 in der Rheinland-Pfalz – der „verantwortungsbewusste Umgang mit diesen Medien und die kreative Nutzung ihrer Möglichkeiten“ zum festen Bestandteil der pädagogischen Ziele im hierfür naheliegenden Fach Deutsch erklärt wurde. Allein, dank eines jahrzehntelang am medialen Alltag vorbeikonzipierten Deutschunterrichts ist es anzulasten, dass die Lehrkräfte selbst kaum Kompetenzen in Sachen Filmtheorie und – analyse mitbringen, diese also zunächst selbstständig erarbeiten müssen, um sie anschließend ihren Schülern adäquat vermitteln zu können. Der Literaturwissenschaftler Benedikt Descourvières reicht ihnen mittels „Kriegs-Schnitte – ‚Wege zum Ruhm‘,’Full Metal Jacket‘ und ‚Independence Day‘ im Deutschunterricht“ eine helfende Hand.
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Monstrum

Mediävist und Cineast zu sein, ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Denn auch wenn das im Film vermittelte Bild des „düsteren Mittelalters“ leider allzu oft das Bild jener Epoche ist, das wohl jeder im Hinterkopf hat, so ist es zumindest auch eine Freude zu sehen, dass selbst die allerneuesten Medien nicht ohne Tradition auskommen. In der Literatur vergangener Jahrhunderte finden sich erstmals die Figuren, von denen vor allem der fantastische Film bis heute zehrt: Hexen, Vampire, Wolfsmenschen, Zyklopen und Golems.

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Coffee and Cigarettes

im Jarmusch ist jener Regisseur, dem gern von Presse und Publikum der ‚Independent‘-Stempel aufgedrückt wird. Er sei der einzige amerikanische Filmemacher, der völlig unabhängig von einem Studiosystem arbeiten kann und dem auch nach der Kinoauswertung weiterhin die Filmnegative gehören. Jarmusch selbst lehnt eine Kategorisierung in ‚Independent‘ und ‚Mainstream‘ ab, da beide Bereiche ähnlich vermarktet und distribuiert werden. Wenn Filme wie Der englische Patient (USA 1997) oder Shakespeare in Love (USA 1999) als Independent-Filme angepriesen werden, beide von der Disney-Tochterfirma Miramax in die Kinos gebracht, dann stimmt mit dem unabhängigen Film etwas nicht, so Jarmuschs Begründung.
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Die Kultur der Erinnerung

Die Kultur der Erinnerung ist bekanntlich historischen Wandlungen unterworfen, und bei Ereignissen der jüngeren Geschichte insbesondere an das Selbstverständnis von Generationen gebunden. Kein Gegenstand beweist das deutlicher als der Umgang mit dem „Zivilisationsbruch“ Auschwitz durch die Generationen der deutschen Nachkriegsgeschichte: der des „Wirtschaftswunders“ und der ihr allgemein – und so allgemein zu Recht – angelasteten Verdrängung der Verbrechen, in die sie selbst involviert war, der 68er, die mit emphatischen und manchmal selbstgerechten Schuldzuweisungen an die Generation der Väter und Mütter dennoch eine breite Aufarbeitung der Geschichte des „Dritten Reichs“ in Deutschland initiierte, und der neuerlichen Historisierung der 68er, die sich eben anschickt, andere Verdrängungen aufzuhellen.

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The Film Minister

Es sei nicht ungewöhnlich gewesen, sich Bemerkungen zu gesehenen Kinofilmen in Tagebüchern zu notieren. Allerdings halten die Beobachtungen Goebbels dem Vergleich mit den festgehaltenen Gedanken Klemperers oder Kafkas nicht stand. Besonders clever war er nicht, der selbst ernannte nationalsozialistische Filmexperte Goebbels, nicht fähig zu kühler Analyse. Seine Bewertungen fallen sehr emotional und extrem aus. „Enthusiastisch“, „bewegt“ , „wunderschön“ oder „pure Freude“ sind die Attribute, die er für die Wiedergabe persönlicher Impressionen nach der Rezeption von Wege zur Kraft und Schönheit (D 1926) oder Die Nibelungen (D 1922/4) findet. Immer wieder äugt er aber auch auf die Reaktion des Publikums, hegt Zweifel an der Wirkung der nationalsozialistischen deutschen Filme der Zwanziger, bemerkt wohl den hohen technischen Standard und die Professionalität des amerikansichen Films, ist von Eisensteins Arbeit fasziniert. Bewundert den Einfluss des russischen Films auf die Massen.

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Déjà vu

Der Reproduktionsgedanke ist am Anfang des dritten Jahrtausends überall vertreten: Medien verdoppeln die Lebenswelt, Biologen verdoppeln die Chromosomen (und damit augenscheinlich die „Individuen“) und Walter Benjamins Essay vom „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ erlebet seine x-te Renaissance. Da wurde es höchste Zeit, dass „die Welt im Zeitalter ihrer tatsächlichen Reproduzierbarkeit“ endlich einmal auf den Punkt gebracht und mit einer Kulturgeschichte der Verdopplung begonnen wurde. Diesem Projekt stellt sich der ehrgeizige Versuch des amerikanischen Kulturhistorikers Hillel Schwartz.

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The Horror!

Wie rezensiert man ein Filmlexikon? Natürlich könnte man einige allgemeine Worte darüber verlieren, wie notwendig oder obsolet lexikalisches Wissen über dieses und jenes Genre ist. Man könnte auch eine Gegenüberstellung wagen und fragen, ob das neue Lexikon eventuell mehr oder weniger, bessere oder schlechtere Beiträge hat, als seine Konkurrenten. Interessanter scheint es da schon, wenn man in der glücklichen Lage ist, die Geschichte eines Lexikonprojektes nachzuzeichnen. Diese verrät nämlich nicht nur, was sich am Gegenstand des Lexikons über die Jahre hinweg so alles getan hat, sondern vor allem auch, ob und welchen Perspektivwechsel die Autoren durchgemacht haben.
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O Mensch gib acht, was spricht die Mitternacht

Christian von Asters Horror-Lexikon ist nun in Zusammenarbeit mit dem Universal-Filmsender „13th Street“ in einer stark erweiterten Neuauflage erschienen. Bemerkt sei hierzu, dass das mittlerweile 400 Seiten starke Werk aus dem Lexikon Imprint Verlag zunächst einmal ein Textsortenfehler ist, denn es handelt sich gar nicht um ein echtes Lexikon. Auf den ersten Blick scheint die alphabetisierte Aneinanderreihung der Stichworte zwar zum Nachschlagen zu verführen, wer sich allerdings seinen Hang zum Morbiden freimütig eingesteht, wird das dunkle Büchlein bald schon ganz brav wie einen Roman von vorn bis hinten durchlesen und dabei Erhellung über Filme, deren Regisseure, Motive, Phantastisches und Grauenhaftes in Fiktion und Wirklichkeit finden.

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Fantasyfilm

Der Fantasy-Film fristet schon von je her ein Schattendasein zwischen dem Horror- und dem Science- Fiction-Film. Das liegt augenscheinlich daran, dass die Sujets beider letztgenannter Genres verlockenderes Potenzial zu besitzen scheinen: futuristische oder grauenvolle Stoffe sind in der Publikumsgunst höher angesiedelt, als die Pittoresken irrealer Fantasiewelten.

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Kino der Extreme

Siegfried Kracauer gilt als der Begründer der soziologischen Filmanalyse. In seiner Frühgeschichte des Kinos „Von Caligari bis Hitler“ verdeutlicht er, dass Film vor allem Spiegel der Gesellschaft sei, in der er entsteht, und zeichnet (hierin liegt die Doppelbedeutung des »bis« in seinem Buchtitel) gleichfalls die historische Co-Entwicklung von Film und Gesellschaft, wie sie einander bedingt, nach.

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Witch Book Project

In seiner Dissertation Auf der Jagd nach Hexen und Zuschauern widmet sich Wolfgang Arend einer mediensoziologischen Theorie des Remakes, deren theoretisches Fundament er im ersten Teil des Bandes etabliert, um dieses in den folgenden zwei Dritteln des Textes am Sujet des Hexenfilmes zu spiegeln.

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Auch Werner Herzog hat klein angefangen

Sie lässt immer noch auf sich warten, die große, umfassende Werner Herzog-Monografie, in der sein Werk nicht nur gewürdigt, sondern die auch analytisch Ansätze dazu geboten werden. Woran mag’s liegen? Sind Herzogs Filme zu opak oder im Gegenteil sogar zu offen(sichtlich) für eine Analyse? Anfänge gab es bereits in den 70er Jahren in motivgeschichtlich orientierten Veröffentlichungen im Hanser-Verlag. An einem liegt die Schweigsamkeit gegenüber dem »Opus Herzog« jedenfalls nicht: Werner Herzog ist nicht »out«, wie sich jetzt zu seinem sechzigsten Geburtstag wieder einmal zeigte. Im Berliner Filmhaus fand über das entfant terrible des Neuen Deutschen Films jüngst eine Ausstellung statt.

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Trash Visions

Trash (Abfall) ist – anders als im Heftthema der vorliegenden Ausgabe – auch in einem anderen medienwissenschaftlichen Diskurs zu verstehen – als Genre. Mit Trash (oder Schlock oder Sleaze) werden absichtlicht »günstig« produzierte Filme oder TV-Beiträge bezeichnet, die sich durch Eindimensionalität in Inhalt und Darstellung auszeichnen. Begonnen mit dem Horrorkino der 40er Jahre (den sog. »B-Picures«) hat sich bis heute eine Subkultur des Trash herausgebildet, die gerade durch ihre massenmediale Vervielfachung im Fernsehen zu einem nicht unwichtigen Genre geworden ist. Dort gesellen sich zu den erzählenden Werken Daily Talks, Spielshows, SitComs, Reality-TV-Shows und Dauerwerbesendungen, die sich allesamt darin ähneln, dass sie nach dem ökonomischen Prinzip (minimaler Input mit maximalem Ergebnis) hergestellt werden.

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Das ist eine harte Rede!

Daniel Fulda/Walter Pape (Hrsgg.): Das Andere Essen. Freiburg: Rombach 2001

„Das ist eine harte Rede / wer kann sie hören?“, werden die Jünger Jesu im Johannes-Evangelium der Lutherbibel zitiert, nachdem der Gottessohn ihnen vorgeschlagen hat: „Jch bin das lebendige Brot / vom Himel komen / Wer von diesem Brot essen wird / der wird leben in ewigkeit.“ Aus nicht unverständlichem Grund lehnen die Gläubigen solches Mahl empört ab, das sie zu Kannibalen machen soll und das auch heute noch im Zentrum des Abendmahls der katholischen Kirche steht: In der Transsubstanziation wird aus Wein und Keks Blut und Fleisch des Gottessohnes herbeigeredet, um es an die Gläubigen zu verfüttern.
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