Trash Visions

Trash (Abfall) ist – anders als im Heftthema der vorliegenden Ausgabe – auch in einem anderen medienwissenschaftlichen Diskurs zu verstehen – als Genre. Mit Trash (oder Schlock oder Sleaze) werden absichtlicht »günstig« produzierte Filme oder TV-Beiträge bezeichnet, die sich durch Eindimensionalität in Inhalt und Darstellung auszeichnen. Begonnen mit dem Horrorkino der 40er Jahre (den sog. »B-Picures«) hat sich bis heute eine Subkultur des Trash herausgebildet, die gerade durch ihre massenmediale Vervielfachung im Fernsehen zu einem nicht unwichtigen Genre geworden ist. Dort gesellen sich zu den erzählenden Werken Daily Talks, Spielshows, SitComs, Reality-TV-Shows und Dauerwerbesendungen, die sich allesamt darin ähneln, dass sie nach dem ökonomischen Prinzip (minimaler Input mit maximalem Ergebnis) hergestellt werden.


Die Aufsatzsammlung TV-Trash – The TV-Show I Love to Hate, herausgegeben von Ulrike Bergermann und Hartmut Winkler in der Reihe GFF des Schüren-Verlages, widmet sich genau dieser Sparte medialer (Abfall-)Produktion. In sechs Texten setzen sich Medien- und Kulturwissenschaftler mit der Phänomenologie, Politik/Ökonomie und einzelanalytischen Darstellungen mit dem Phänomen auseinander. Im Zentrum stehen Lorenz Engells systematische (Neu-)Definition des »Abfalls« als Metapher für Waren- und Bilderwelt, welche konstitutiv für unser Verständnis medialer Berieselung ist. »Wo Müll war, soll, im Rückblick, Kultur gewesen sein«, lautet Engells Analyse der gegenwärtigen Neubewertung einstig wertloser Inhalte.

Der zweite zentrale Text von Knut Hickethier beschreibt entwirft eine eher mediensoziologische Perspektive auf den TV-Trash, der gesellschaftskonstituierend (im Sinne soziologischer Modernisierungstheorien) wirken soll. Hickethier sieht die Funktionen von Trash-TV, wie etwa den Daily Talks, genau darin, dass sie den »Zuhause-Gebliebenen« helfen, »überflüssige Lebenszeit« zu absorbieren und ihnen dabei ein Portal zur (zwar nur medial vermittelten aber immerhin) Welt bieten – und damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zur »gesellschaftliche Befriedungsfunktion.«

Die vier folgenden Beiträge stellen sich konkreten Erscheinungsweisen des TV-Trash: Joan Kristin Bleicher arbeitet Symbolsyteme der Glückspielsendung Bingo Lotto heraus, Veit Srengler widmet sich in seinem Aufsatz dem (90er-Jahre-)Phänomen Helge Schneider, Yvonne Spielmann untersucht die Strukturen der spätabendlichen 0190-Sex-Werbeclips und Eike Wenzel schließlich widmet sich dem vor einem Jahr durch Big Brother wieder hochaktuell gewordenen Thema der Reality-TV-Shows und Docu-Soaps am Beispiel der 1991 im WDR ausgestrahlten Fussbroichs-Serie.

Als »Fenster-Thema« enthält der GFF-Band drei Aufsätze zum Medium »Computerspiel«.

Ulrike Bergermann & Hartmut Winkler (Hrsgg.)
TV-Trash – The TV-Show I Love to Hate
Schriftenreihe der GFF
Marburg: Schüren, 2000
Taschenbuch, 147 Seiten, 14,80 Euro