The Revenge of Hammer

A. Oetjen: Hammer Horror – Galerie des Grauens, Meitingen: Corian 1995

1958 schrieb ein kleines, britisches B-Movie-Studio mit einer eigenwilligen Adaption des klassischen Frankensteinstoffes Filmgeschichte: The Curse of Frankenstein (GB 1958) von Terence Fisher, mit Peter Cushing und Christopher Lee in den Hauptrollen, war nicht nur der erste Gruselfilm in satten Farben, er war zudem – für damalige Verhältnisse – ungewöhnlich blutig und detailverliebt. Erstmals also wurde der Lebenssaft blutrot vergossen, erstmals die Linse der Kamera aufs Körperinnere fokussiert. Was heutzutage in der Ästhetikgeschichte des Films als Grundstein des Splatterfilms gilt – wenn auch CURSE selbst kein solcher ist -, war damals für das seit jeher morbide England ein Hochgenuß des Nervenkitzels. Die vollen Säle bescherten den Hammer Studios Reichtum und ein Konzept, das ihnen über Jahre hinweg höchst rentable Betriebsamkeit garantieren sollte.

Es folgten Dutzende weiterer Adaptionen und Remakes der klassischen Universalfilme der 30er Jahre, man belebte den Wolfsmenschen neu, die Mumie, Dracula (in einer der schönsten Filme des Komplexes überhaupt) und ließ nahezu jedem Mythos des Gruselkinos ein eigenes Serial angedeihen. Die Filme lebten nicht nur von den gewitzten Umdeutungen der klassischen Themenkomplexe – dies geboten allein schon die teuren Lizenzen, die man nicht immer gewillt zu erstehen war -, sondern auch von ihren ästhetischen gothischen Reizen, wie nicht zuletzt auch von den beiden charismatischen Haus-und-Hof-Darstellern Peter Cushing und Christopher Lee, die in einem Großteil der Filme brillierten. Die seitdem beständig andauernde Krise des Genrefilms ab Ende der 60er Jahre ging auch an Hammer nicht vorüber: Längst schon hatten sich Epigonen der Zeigefreudigkeit am Körperinneren aufgemacht, das britische Studio zu überholen, das Publikum war des klassischen Musters überdrüssig, neue Wege, nicht immer die besten, wurden gesucht und beschritten. Anhand obskurer Produktionen wie Legend of the 7 Golden Vampires, der Cushing als Van Helsing nach China verschleppte, wo er auf Martial-Arts-Vampire – man merkt, der Eastern war in Europa damals bereits recht en vogue – stieß, kann der Niedergang des Studios in den bodenlosen Trash nachgezeichnet werden. Ab Mitte der 70er Jahre versank das Studio schließlich vollends in der Bedeutungslosigkeit, von wo es – trotz mehrmaliger Wiederbelebungsversuche – bis heute nicht zurückgekehrt ist. Hammer selbst schien, entgegen dem Duktus seiner Filme, kein Wiedergänger zu sein.

Doch in Vergessenheit geraten sind die sympathischen Gruselfilme dennoch nicht. Trotz eher sporadischer Auswertung im TV und einer sich, zumindest hierzulande, lediglich auf die großen Klassiker konzentrierenden Editionslage, haben sich die Hammerfilme unter Aficionados Kultstatus bewahrt. Nicht immer war es – zumal in Vor-Internetzeiten – einfach für Fans, sich einen kompletten Überblick, eine kommentierende Filmographie zu verschaffen, oft war dies verbunden mit aufwendiger, kostenintensiver Recherchearbeit. Die Filmpublizistin Almut Oetjen hat die Erkenntnisse dieser Arbeit bereits vor mehreren Jahren in einem Buch zusammengefasst, mit dem der Output im Bereich des klassischen, phantastischen Films der Hammer Studios als erschlossen gelten darf.

Das Buch ist dabei vor allem eins von Fans für Fans: Hochtrabende kulturwissenschaftliche Diskursanalysen, geschliffene filmwissenschaftliche Erkenntnisse darf man nicht erwarten. Dies ist – natürlich – kein Manko des Buches, es hat andernweitige Qualitäten. Zunächst wird der Korpus in verschiedene Themenkomplexe unterteilt: Frankenstein, Dracula, Mumien, Zombies und der ganze Rest. Jedem Kapitel steht eine versierte, wenn auch hier und da etwas anekdotenhaft geratene Einordnung des Phänomens in die Kulturgeschichte vornan, der eine genauere Betrachtung der einzelnen Filme folgt. Einer kompletten Synopse – es wird also auch jeweils das Ende verraten – steht eine filmkritische Betrachtung des Gesehenen hintan, geprägt vor allem von cineastischer Schwärmerei und dem einen oder anderen filminterpretatorischen Allgemeinplatz, hier und da vielleicht auch ein wenig ungelenk formuliert. Dennoch erfüllt diese Betrachtung im Gesamten durchaus ihren Zweck: Lust machen auf den Film, Blickschärfung für’s liebevolle Detail – und derer gibt es in den Hammerfilmen einige! Es entsteht somit eine komplette Katalogisierung und Einordnung des Korpus, denen man sicher noch etwas mehr Finesse gewünscht hätte, deren Wert aber, gerade im deutschsprachigen Raum der Filmpublizistik, dennoch nicht zu unterschätzen ist.

Der Betrachtung der einzelnen Themenkomplexe folgt am Ende schließlich eine kurze Portraitierung des „Hammer Dreamteams“ Fisher-Cushing-Lee, die nicht uninformativ ist und auch gerade für den Aficionado interessante biografische Details verrät. Eine komplette Auflistung aller Hammerfilme, die dem phantastischen Film zuzurechnen sind – es sei darauf hingewiesen, dass das Studio auch in allen anderen Genrespielarten zuhause gewesen ist – , ist obligatorisch vorhanden. Diese ist nicht nur chronologisch und mit den wichtigsten Credits versehen, sondern liegt zudem auch in alphabetischer Sortierung nach Originaltiteln und – überaus wichtig für die Editionsrecherche hierzulande – nach deutschen Verleihtiteln vor. Ausgewähltes, wenngleich nicht immer qualitativ voll zu überzeugen wissendes Bildmaterial rundet den positiven Gesamteindruck ab.

Mit „Hammer Horror – Galerie des Grauens“ hat Oetjen einen so vielschichtigen wie unterhaltsamen Komplex des phantastischen Films gelungen zusammengefasst und der Geschichtsschreibung dieser Gattung somit ein hilfreiches Mosaiksteinchen mitangefügt. Es macht Spaß, mit dieser Publikation an der Hand die Welten der Hammerfilme zu erkunden. Bleibt zu hoffen, dass sich die Editionslage hierzulande ein wenig bessert, mit den Veröffentlichungen der auf 20 DVDs angelegten „Hammer Edition“ von Anolis Film ist der erste Grundstein dafür zumindest gelegt.

Almut Oetjen
Hammer Horror – Galerie des Grauens
Corian-Verlag, 1995 (2. Auflage)
213 Seiten, 24,90 Euro

Thomas Groh

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