Fantasyfilm

Der Fantasy-Film fristet schon von je her ein Schattendasein zwischen dem Horror- und dem Science- Fiction-Film. Das liegt augenscheinlich daran, dass die Sujets beider letztgenannter Genres verlockenderes Potenzial zu besitzen scheinen: futuristische oder grauenvolle Stoffe sind in der Publikumsgunst höher angesiedelt, als die Pittoresken irrealer Fantasiewelten.

Die gewichtigere Ursache für die stiefmütterliche Behandlung des Fantasy-Films kommt aber von woanders her: Es liegt in der Gespaltenheit des Genres selbst, unter das Stoffe aller möglichen Couleur gefasst werden: Von fernen Planeten mit rätselhaften Wesen („The Dark Crystal“) über Stoffe der Mythologie („Excalibur“) und des Horrors („Leprechaun“) bis hin zu ganzen Weltentwürfen („Lord of the Rings“) lässt sich eigentlich alles unter dem Begriff „Fantasy“ subsummieren, was nicht ZU horribel oder futuristisch ist.

Darin begründet sich wohl auch die Schwierigkeit ein Lexikon des Fantasy-Films zu schreiben. Was muss auf jeden Fall, was darf unter keinen Umständen und was kann vielleicht in den Corpus aufgenommen werden? Wie weit darf ein Stoff sich in anderen Genres bedienen? Wie „pur“ muss er sein, um als fantastisch zu gelten? Dass diese Fragen nicht zuletzt mit dem reichlich wackligen Genre-Begriff selbst zu tun haben und eng an den Glauben positivistischer Strukturierbarkeit der Lumiere-Galaxis geknüpft sind, versteht sich fast von selbst. Daher muss man schon einige Augen zudrücken können, um sich als Autor an ein Projekt zu wagen, wie es jetzt vom Lexikon-Imprint- Verlag vorgelegt wurde.

Auf etwa 650 Seiten haben Ronald Hahn und Rolf Giesen in Zusammenarbeit mit Volker Jansen und dem leider schon verstorbenen Norbert Stresau (alles ausgewiesene Fachmänner der fantastischen Genres) über 1300 Titel zusammengetragen. Jeder Film wartet mit einer – je nach der von den Autoren geschätzten Wichtigkeit – mehr oder weniger umfangreichen Besprechung auf und nennt zahlreiche Produktionsdaten und Stabangaben. Im Appendix des gut bebilderten Lexikons befindet sich ein Personen-, Titel- und Literaturregister, das allen Ansprüchen genügt.

Das neue Lexikon des Fantasy-Films stellt sich wacker dem eingangs geschilderten Problem und versucht durch seinen Filmbestand die Grenzen des Genres zu umreißen. Dabei behilflich ist ihm das Einleitungskapitel, das Fantasy zu definieren versucht – unter anderem mit einer grafischen „Übersicht“, die zeigen soll, was denn nun zum Genre gehört und was nicht. Wie alle Grafiken stößt auch diese aufgrund der Reduktion ihrer Information auf ihre Grenzen und mutet daher wie ein Dokument aus Zeiten, in denen soetwas noch möglich war, an. (In der Tat findest sich im 1985er Horror-Lexikon von Hahn und Jansen eine ganz ähnliche Grafik, die die Genres Horror, Fantasy und Science Fiction zu trennen versuchte).

Dem Autorenkollektiv kommt allerdings zu Gute, dass sie ebenfalls im Imprint-Verlag ein Horror- Lexikon veröffentlich haben (und schon länger vorher bei Heyne ein Science Fiction-Lexkon). Somit können sie sich sicher sein, dass im dann schließlich kompletten/komplexen Triumvirat ihres lexikalischen Schaffens alle Filme der fantastischen Genres rechierchierbar sind. Mann kann in dieser Hinsicht tatsächlich schon von einem Lebenswerk sprechen!

Das neue Lexikon des Fantasy-Films (als bislang letzter Beitrag dieses Lebenswerkes) darf wohl als der bislang wichtigste deutschsprachige Versuch angesehen werden, die hochgradig heterogene Fantasy-Film-Landschaft auszuloten, zu ordnen und zu begrenzen. Denn selbst in einer Zeit, in der im Genrekino fast ausschließlich Hybridität gefeiert wird, ist man als Seher (und Leser) bei der Suche nach Informationen immer noch auf induktives Vorgehen angewiesen. Und was hilft da besser als ein gut sortiertes Lexikon?

Ronald M. Hahn & Rolf Giesen
Das neue Lexikon des Fantasy-Films
ca. 1300 Fantasy-Filme, 650 Seiten, 200 Abbildungen
Berlin: Lexikon Imprint Verlag, 2002
Taschenbuch, Format 17 x 24 cm, fadengeheft. Klappenbr.
25,90 EUR

Stefan Höltgen

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