Witch Book Project

In seiner Dissertation Auf der Jagd nach Hexen und Zuschauern widmet sich Wolfgang Arend einer mediensoziologischen Theorie des Remakes, deren theoretisches Fundament er im ersten Teil des Bandes etabliert, um dieses in den folgenden zwei Dritteln des Textes am Sujet des Hexenfilmes zu spiegeln.


Das Remake stellt ein äußerst produktives Pseudo-Genre des Films dar, weil in ihm die ökonomischen Mechanismen der Filmbranche deutlich zum tragen kommen. Allein der erwartete finanzielle Gewinn hält die Produktion von Neubearbeitungen im Gang – ein Gewinn, der sich oftmals aus den Einspielergebnissen des Originals herauslesen lässt.

Arend stellt zunächst in einem historisch reflektierenden Teil heraus, dass das Remaking keineswegs allein ein Phänomen des modernen oder gar postmodernen Kinos sei, sondern von je her den Output mitbestimmt hat. Als Quellen dienen ihm hierfür die einschlägigen Lexika (Druxmann, Limbacher u. a.), deren Qualität er (zusammen mit interpretierenden Beiträgen zum Phänomen Remake) in einem Überblick über die Forschungsliteratur bewertet.

In einem deskriptiven Teil geht es ihm dann um die qualitative Erfassung von Remake-Kriterien. Arend etabliert hier einen umfangreichen Katalog von Produktionszahlen, Verortungen geografischer Art und Verteilungen auf die verschiedenen Genres um sich dann auf phänomenologische Aspekte sowie text- und medienwissenschaftliche Deutungen zu konzentrieren. Gerade hier legt der Band ein beeindruckendes Tempo vor und streift die allerwichtigsten theoretischen Aspekte nur kursorisch, was allerdings angesichts der soziologischen Ausrichtung der Arbeit verständlich ist. Der von Arend aufgestellte Katalog findet im Hauptteile des Buches bei der Analyse der Hexenfilme seine Anwendung.

Arend begegnet dem im Allgemeinen häufig postulierten Vorurteil, »Remakes seien billig hergestellte Produkte der Filmindustrie oder Low-Budget-Produktionen […] erfolgloser Filmemacher, denen es an eigenen Ideen mangele.« in Form einer detaillierten Analyse zweier filmischer Adaptionen des Theaterstücks The Crucible von Arthur Miller. Hierbei handelt es sich um die jeweils gleichnamigen Filme Hexenjagd (F/DDR 1957) und Hexenjagd (US 1996). Um aus einer diachronen Perspektive die sich ändernden Bedeutungsstrukturen im Film zu untersuchen und eine stringente Vergleichsbasis zu schaffen, wählt Arend die »komparative Original-Remake-Analyse«. Seine Untersuchung orientiert sich somit an einer kultur-soziologischen Hermeneutik des Bild- und Filmverstehens, wodurch latente Deutungs- und Orientierungsmuster rekonstruiert werden, um sie in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung verstehbar zu machen.

Besondere Aufmerksamkeit durch den Autor erfährt der gesellschaftspolitische Entstehungskontext des Miller’schen Theaterstücks. Arend verweist auf die offene antikommunistische »Hexenjagd«, Anklagen und Verurteilungen, die seit Ende der 40er Jahre potenzielle Staatsfeinde verstärkt im Umfeld der Hollywood-Studios aufzuspüren versuchte, wurden doch so genannte »Schwarze Listen« mit den Namen vieler Künstler und Intellektueller geführt – zu den verdächtigten Sympathisanten zählte auch Arthur Miller.

Arend begreift Film »als eine aus gesellschaftlichen Verhältnissen geborene und gesellschaftlich determinierte ästhetische Hervorbringung […], welche wieder in die Gesellschaft zurückwirkt.« und entwickelt hieraus die Basis seiner theoretischen wie methodischen Überlegungen, auf denen er seine filmanalytische Konzeption des Remakes aufbaut. Speziell an ihnen lassen sich derartige Trans-formations-prozesse exorbitant nachzeichnen, da sie einem offenkundigen Inszenierungs-wandel unterliegen.

Der Autor untersucht die Inszenierung des Hexenmythos’ im Film auf der Basis einer wahrnehmbaren Attraktivität von Symbolen und Mythen des Bösen in den audio-visuellen Medien und insbesondere dem populären Kino. Seine Untersuchung vermittelt dem Leser in klar verständlicher Weise dynamische Strukturen medial repräsentierten Mythenwandels. Ausgehend von der Präsenz von Hexenfiguren in den einzelnen Medien, gibt er einen kurzen ideen-, sozial- und kunsthistorischen Über-blick zur Thematik von Aber- und Hexenglauben, gelangt schließlich zur Entstehungs-geschichte des Hexenmusters der christlichen Vorstellungswelt, das durch die Reduktion gesamt-gesellschaftlicher Konflikte verantwortlich ist für die historischen Hexen-verfolgungen und deren dramatische Folgen. Arend versäumt es unterdessen nicht, dem Leser die Problematik der Verfilmung historischer Stoffe vor Augen zu führen.

Wolfgang Arend
Auf der Jagd nach Hexen und Zuschauern
Mediensoziologische Bausteine zu einer Theorie des Remakes am Beispiel von Hexenfilmen.
Reihe Filmforschung #1
Mainz: Bender Verlag, 2001
Paperback, 287 Seiten
21,90 Euro

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