Katze im Sack

Ich muss vorausschicken, dass ich in die Vorführung geplatzt bin, als bereits der Vorspann lief. Ich weiß also nicht ob es einen Prolog gab, der den Figuren, der Geschichte einen anderen Dreh verpasst hat. Ich befürchte, selbst wenn, es hätte nichts verändert. Die erste Szene zeigt Karl, gespielt von Christoph Bach, der schon in „Detroit“ eine schwierige Rolle zu verkörpern hatte. Er lässt sich per Anhalter von einem Mann mitnehmen, der ihn kurz darauf in einem Waldstück zum Oralsex überreden will, natürlich für Geld. Karl willigt zögernd auf das Angebot ein, um den Mann schließlich zusammenzuschlagen und ihm sein unmoralisches Verhalten vorzuwerfen. Später wird man erfahren, dass der Mann seine Frau schlägt. Das beschreibt bereits die Haltung des Films zu käuflichem Sex, eigentlich Sex im allgemeinen.
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Willenbrock

Im Kern erzählt der Film eine Verunsicherung. Andreas Dresen beschreibt in einem Interview, wie er bei einem Urlaub in Griechenland nachts wach wurde und plötzlich ein fremder Mann im Raum stand, wie er aufgesprungen ist, ihm nackt und schreiend begegnet ist. Diese Erfahrung findet sehr direkt und kaum verfälscht Eingang in den Film. Das ist jetzt kein Witz, aber mir ist tatsächlich vor etlichen Jahren etwas ganz ähnliches passiert. Auch in Griechenland, in Patras um genau zu sein. Da stand mein Zimmernachbar plötzlich im Raum, ein dubioser, vierschrötiger Sizilianer, wer weiß wie lange schon. Es war letztlich alles ganz harmlos, ich hab ihn verscheucht, aber der Interrailtrip sollte seine Unbeschwertheit verloren haben.
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The Life Aquatic with Steve Zissou

Man kommt den Filmen des Texaners Wes Anderson mit einer Plotbeschreibung nicht bei. Eher schon macht es Sinn exemplarisch eine Szene herauszugreifen und daran die Wirkungsweise des Films zu beschreiben. Ein Wes Anderson Film ist bereits nach einer Einstellung als solcher zu erkennen, unzweifelhaft, und wenn man so will ist das auch ein Verdienst. Das Problem, dass ich mit seinen Filmen bislang hatte, tritt in „Die Tiefseetaucher“ überdeutlich zu Tage. Es sind Fingerübungen, die ins Nichts laufen und schlimmer: die eine Leere in sich tragen, dir mir die Lust am Sehen nehmen. Ich fühle mich hinterher wie ausgekotzt.
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Inside Deep Throat

“Deep Throat“ ist ein Mythos, tatsächlich in seiner filmhistorischen Bedeutung vergleichbar mit dem ebenfalls auf dem Festival gezeigten „Heavens Gate“. Wenn man „Inside Deep Throat“ mit der Heavens Gate-Doku „Final Cut“ vergleicht, begreift man, was dem letztgenannten fehlt. Der Film schafft es die ganz persönlichen Tragödien der Beteiligten in Bezug zu setzen, zur soziokulturellen Dimension des Films.
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The Ballad of Jack and Rose

Zur Abwechslung mal ein Film der etwas zu sagen hat. Zunächst größte Vorbehalte meinerseits. Es geht um Utopien, um Aussteigertum, Hippiekram und begrabene Träume. Der Film wählt die Form des klassischen Erzählkinos und muss dabei jede Menge Balast mit sich herumschleppen. Zu Beginn verspricht das Ganze furchtbar zu werden. Daniel Day Lewis und seine Filmtochter leben praktisch allein auf einer vorgelagerten Insel auf dem Gelände einer ehemaligen Kommune im Osten der USA. Zwei Dylan Songs etablieren mit dem Holzhammer die gewünschte Atmosphäre. Lewis, seine Figur natürlich, lebt nicht im Hier und Jetzt. Er belügt sich selbst und hat, nach einer überstandenen Herzattacke, nicht gerade das was man eine gute Zeit nennt.
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13 Lakes

Der Titel könnte den Inhalt des Films nicht treffender bezeichnen. James Benning, dessen Filme in der derzeitigen Kinolandschaft einzigartig sind, hat sich dieses Mal 13 Seelandschaften vorgenommen. Wie bereits in seinen früheren Filmen sind die statischen, jeweils um die 10 Minuten langen Einstellungen, von einer mehrere Sekunden andauernden Schwarzblende unterteilt. So kommt der gut 130 minütige Film zustande.
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10 Skies

Nach „13 Lakes“ am nächsten Morgen „Ten Skies“. Von der Nacht gezeichnet bin ich einen Moment unsicher, ob ich nicht doch lieber eine andere Vorführung wählen soll. Die Befürchtung ist klar. Was soll nach dem gestrigen Erlebnis noch Neues hinzukommen. Ich hätte mich kaum gründlicher täuschen können.
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The Devil in Mr. Johnston

Für jeden halbwegs an Musik interessierten Menschen gibt es Bands, die man zumindest einmal in seinem Leben gesehen haben will. Ich hatte ziemlich viel Glück was das anbelangt und dennoch werde ich es vermutlich nie verschmerzen, Hüsker Dü nie gesehen zu haben oder Anfang der 90er, als ich gerade nach Berlin kam, Velvet Underground verpennt zu haben. Daniel Johnston gehört nicht dazu, obwohl sich seine Songs bei mir tief eingegraben haben. Das hat nichts mit dem Musiker zu tun sondern mit dem unguten Gefühl, das mich beschleicht, wenn ich Aufnahmen von seinen Auftritten sehe.

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Klößchen

Sicher einer der spannendsten Filmemacher aus Hongkong ist Fruit Chan, der 1997 mit seinem selbstproduzierten Low-Budget Streifen „Made in Hong-Kong“ auf Anhieb den Zugang in die Welt der internationalen Filmfestivals geschafft hat und dem der Ruf des kompromisslosen Autorenfilmers vorauseilt; nebenbei bemerkt, denn so wichtig ist das nun auch nicht. Interessanter schon, dass man beim Betrachten von „Dumplings“, der übrigens weltweit als Horrorfilm vermarktet wird, überrascht ist, immer wieder und auf unterschiedliche Weise.
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Green Chair

Eine Frau und ein junger Mann lieben sich. Sie haben Sex, immer wieder. Der Mann ist minderjährig, stellt sich heraus, nicht nur in Korea ein Fall für den Richter. Die Medien stürzen sich auf die Geschichte, ein besonders aufdringlicher Journalist hängt sich an ihre Versen und schießt Fotos. Die Frau wird zu 100 Tagen Sozialdienst verdonnert, den sie in der Psychiatrie ableistet. Dennoch können die zwei nicht voneinander lassen. Man taucht in der Folge bei der Schwester der Frau unter, sucht Bumshotels auf, bei denen die Kennzeichen der geparkten Autos dezent verdeckt werden und hat vor allen Dingen ausgedehnten Sex – warum auch nicht.
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World’s End

Es gibt eine Szene in diesem wunderschönen Film, in der die wohltuend zurückgenommene Inszenierung für einen kurzen Moment aufgegeben wird, in der der immer ein wenig schlafmützig wirkende Shinnosuke seinen ganzen Schmerz in die Welt hinausbrüllt, das Mobiliar zerlegt und jedwede Kontrolle über sich verliert. Es ist bezeichnend, dass gerade diese Szene mißlingt, dass sie wie ein Fremdkörper in einem ansonsten erstaunlich geschlossenen Film wirkt. Und es ist bemerkenswert, dass sie dennoch vielleicht am besten die Haltung des Films unterstreicht. Als Shinnosuke durchdreht, kommt sein Mitbewohner, Chef und Freund gerade rechtzeitig aus den Bergen zurück um ihn mit einem ungestümen Kuss zu überraschen. Das Leben geht weiter, muss weitergehen, vielmehr: es ist unverzeihlich sich zu verkrümeln, noch dazu wenn man geliebt wird. Es gibt kaum ein Bild, dass man zitieren möchte, keinen Dialogsatz, an den es sich zu erinnern gilt. Es braucht kein Gerüst an dem man sich abzuarbeiten hätte, noch nicht einmal ist eine „ganz bestimmte“ Atmosphäre spürbar, der man hilflos mit sorgfältigst abgewogenen Formulierungen beizukommen bräuchte. Es ist faszinierend mit anzusehen, wie ein Film es fertigbringt, ohne Tricks und doppelten Boden, vollkommen frei von jeglichem Pathos, ja beinahe schon beiläufig seine Geschichte zu erzählen. „Worlds End“ beweist gerade wegen seiner schwebenden Leichtigkeit wahre Größe. Ein bezauberndes Stück Kino, dass uns daran erinnert den Moment zu leben, auch wenn es für viele von uns eine unerfüllte Sehnsucht bleiben mag. Ein erstes Highlight und ich befürchte nach ausführlichem Studium des Programms: es wird derer nicht viele geben. Schnief.

Thomas Reuthebuch

Kammerfilmmern

Vorab, um möglicher Verwirrung entgegenzuwirken: „Kammerflimmern“ läuft bereits seit dem 3.2. in deutschen Kinos. Er ist dennoch Bestandteil der Berlinale, wenn auch „nur“ in der Programmschiene „German Cinema“, die vor allem für ausländische Festivalgäste gedacht ist, die sich einen Überblick über die hiesige Filmproduktion verschaffen wollen.
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Crash Test Dummies

Das Bild eines menschlichen Crash Test Dummies steht für Regisseur/Autor Jörg Kalt für die Beschleunigung und das abrupte Abbremsen. Diese Allegorie will er übertragen wissen auf seine beiden Hauptfiguren, ein rumänisches Pärchen, dass nach Wien kommt um ein geklautes Auto nach Bukarest zu überführen. Wie der Dummy kommen sie mit hoher Beschleunigungsenergie im Westen an, werden abrupt abgebremst und geben ihre Energie an Personen weiter auf die sie treffen, einen trotteligen Kaufhausdetektiv, der es sich bevorzugt auf seiner aufblasbaren Ekelcouch besorgt und eine nymphomane, tschuldigung… lebenslustige Reisefachfrau, die gerne was erlebt.
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Die Fluchtlinien des Textes und die Grenzen des Films

Das Misstrauen der Philosophie gegenüber der medialen Vermittlung philosophischen Wissens ist wohl ebenso alt, wie die Philosophie selbst. Und die Liste der Vorwürfe, die gegen die „Träger des Gedankens“ vorgebracht worden sind, ist bekanntlich lang: Die Rhetorik trügt und blendet, die Metapher verführt, die Schrift macht vergessen und nicht zuletzt das Bild ist ein minderwertiges Erkenntnismedium, dem nicht zu trauen – vor allem – nichts zuzutrauen ist.
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Melancholiker des Films

Murnau-Freunde werden von diesem Band begeistert sein und gleichwohl melancholisch werden, zeigt doch diese Dokumentation der vom Filmmuseum Berlin und der Deutschen Kinemathek veranstalteten Murnau-Ausstellung, was alles von diesem Meister des deutschen Stummfilms normalerweise verborgen bleibt. Von Murnaus 21 Filmen gelten nur 12 als erhalten, und auch die sind bis auf wenige Ausnahmen der breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt. Heute mag Murnau seine Popularität hauptsächlich Nosferatu schulden, jenem Vampir-Klassiker aus dem Jahre 1921, dem dank einer anhaltenden Vampir-Manie des cineastischen Publikums bleibendes Interesse gilt. In Retrospektiven wird dann ab und an Der letzte Mann (1924) vorgeführt als frühes Glanzstück der entfesselten Kamera (die Karl Freund bediente) wie der psychologischen Schauspielkunst von Emil Jannings, der Faust-Film (1926) lässt sich dem literarischen Bildungskanon zuordnen, und Murnaus letzter Film Tabu (1931) hat vielleicht eine gewisse Bekanntheit als später Stumm- und früher Exotikfilm, der noch dazu auf mystische Weise mit dem Unfalltod seines Schöpfers zu tun zu haben scheint.

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Geld stinkt nicht!

Los Angeles ist eine geteilte Stadt. In ihrer Mitte ragt ein Gebirgszug und bildet die physische Grenze zwischen L.A. und dem San Fernando Valley, der Vorstadt, dem „L.A. für Arme“, wie es von den Angelinos gerne genannt wird. Auch wenn es im Valley mittlerweile Viertel gibt, die mit ihren Prachtvillen und Quadratmeterpreisen Beverly Hills Konkurrenz machen, hat die Gegend den Beigeschmack der Spießbürgerlichkeit bis heute nicht verloren. Und – um ehrlich zu sein – je tiefer man ins Valley vordringt und sich von der bergigen Grenze, auf deren Scheitel sich der berühmte Mullholland Drive entlang schlängelt, entfernt, desto mehr scheint dieser Vorwurf auch berechtigt: Zum größten Teil winzige, meist aus Holz gebaute Flachbauten reihen sich hier aneinander wie Perlen an einer Kette. Dazwischen gequetscht die obligatorische Garage, in der der noch nicht abbezahlte japanische Mittelklassewagen parkt. Und über allem wabert im Sommer eine unmenschlich drückende Hitze, der die blechernen, aus den Fenstern ragenden Klimaanlagen verzweifelt surrend Herr zu werden suchen. In dieser Idylle amerikanischen Vorstadtmiefs spielt Barry Levinsons jüngste Komödie „Neid“.
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One Point O

Unser Protagonist – Simon J. – schließt die Türe zu seinem Appartment auf: Ein karger Raum mit braunen Tapeten, in leicht flackerndes Neonlicht getaucht, spärlich möbliert. Und am Boden ein Paket, ohne Absender oder Empfänger. Niemand weiß, wie es dorthin gekommen ist, oder erst Recht, was ein leeres Paket für einen Sinn haben soll.
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