Willenbrock

Im Kern erzählt der Film eine Verunsicherung. Andreas Dresen beschreibt in einem Interview, wie er bei einem Urlaub in Griechenland nachts wach wurde und plötzlich ein fremder Mann im Raum stand, wie er aufgesprungen ist, ihm nackt und schreiend begegnet ist. Diese Erfahrung findet sehr direkt und kaum verfälscht Eingang in den Film. Das ist jetzt kein Witz, aber mir ist tatsächlich vor etlichen Jahren etwas ganz ähnliches passiert. Auch in Griechenland, in Patras um genau zu sein. Da stand mein Zimmernachbar plötzlich im Raum, ein dubioser, vierschrötiger Sizilianer, wer weiß wie lange schon. Es war letztlich alles ganz harmlos, ich hab ihn verscheucht, aber der Interrailtrip sollte seine Unbeschwertheit verloren haben.

In „Willenbrock“ nun ist dieser Moment Auslöser für eine Entwicklung, die vom ersten Bild an antizipierbar ist. Für mich steht der Verlust von Unschuld im Mittelpunkt. Egal wie man sich der Figur Willenbrock nähert, in ihrem Universum ist das Leben in Ordnung. Zunächst, es ist einer der wenigen Filme auf dem Festival bislang, die mich bewegt haben. Es gibt auch und gerade auf der visuellen Ebene bemerkenswerte Momente. ich weiß gar nicht ob ich das sagen soll, aber das ich hatte ich Andreas Dresen, dessen vorherige Filme ich zwar auch immer gerne sah, nicht zugetraut.

Ganz zu Beginn, wenn Willenbrocks Wagen, aus der Vogelperspektive, sich schnurgerade zwischen den Fahrbahnstreifen vorwärtsbewegt. Später, wenn er aus dem Fenster seines Hauses blickt, auf die verschneite Wohnlandschaft, in der sich die Nachbarn wie in einem Stilleben schneeschippenderweise aus dem Bild schaufeln, das alles ist ganz großartig. Dass Dresen sich gut darauf versteht Beziehungskrisen zu inszenieren war eh bekannt. Allerdings gibt es in diesem Film Dialogszenen, die merkwürdig gestelzt wirken. Immer dann, wenn die Geschichte überdeutlich in Bezug gesetzt wird zu einem gesellschaftlichen Zustand, mit einem Wort: auf die nicht wegzudiskutierende Schieflage zwischen Ost und West, immer dann verliert der Film an Intensität.

Ich bin mir nicht sicher, ob das notwendig gewesen wäre. Die Randlage Ostdeutschlands ist in den Figuren ja bereits ausreichend beschrieben. Insofern finde ich schon dass es eine Ostgeschichte ist auch wenn das Axel Prahl vehement bestreitet. Man hätte dem Betrachter vielleicht mehr Vertrauen entgegenbringen können, das aufzuschlüsseln. Die Russenmafia, der hilflose Polizeibeamte, das verkommt ein wenig zu Drehbuchakrobatik.

Thomas Reuthebuch

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