The Devil in Mr. Johnston

Für jeden halbwegs an Musik interessierten Menschen gibt es Bands, die man zumindest einmal in seinem Leben gesehen haben will. Ich hatte ziemlich viel Glück was das anbelangt und dennoch werde ich es vermutlich nie verschmerzen, Hüsker Dü nie gesehen zu haben oder Anfang der 90er, als ich gerade nach Berlin kam, Velvet Underground verpennt zu haben. Daniel Johnston gehört nicht dazu, obwohl sich seine Songs bei mir tief eingegraben haben. Das hat nichts mit dem Musiker zu tun sondern mit dem unguten Gefühl, das mich beschleicht, wenn ich Aufnahmen von seinen Auftritten sehe.


Daniel Johnston ist manisch depressiv und vermutlich schizophren, was immer das heißen mag – keiner was das schließlich genau. Ausdruck seiner Krankheit ist sein obsessives Bedürfnis nach Anerkennung als Künstler. Wenn er Mitte der 80er Jahre zum ersten Mal bei MTV auftaucht, hat sich für ihn ein Lebensziel erfüllt. Der Film zeigt das ganz deutlich, wie überhaupt viel gezeigt wird. Johnston hat unentwegt mit der Filmkamera hantiert, seine Ängste und Wahnvorstellungen in den Taperekorder gesprochen.

Wenn Johnston nach einem Zusammenbruch von Sonic Youth Drummer Steve Shelley nach New York gelotst wird, ist eine Kamera dabei; wenn die Bandmitglieder den plötzlich verschwundenen, stark suizidgefährdeten Johnston auf der anderen Seite des Hudson Rivers, im schäbigen New Jerey aufgabeln – auch dann fuchtelt irgendwer mit einer Videokamera herum. Nicht nur dass es mir vollkommen schleierhaft ist, wie man in einer solchen Situation ans dokumentieren denken kann, werfe ich den Filmemachern vor, dass sie sich dieses Materials auf eine Art und Weise bedienen, die die Mechanismen des kommerziellen Musikbetriebs verlängern.

Insofern ist der Film auch eine Betrachtung über eben diese Mechanismen, die scheinbar vor nichts und niemandem Halt machen. Das Unangenehme und auch Verstörende daran ist die Tatsache, dass der Eindruck entsteht, genau das sei für Johnston Lebenselexir und Daseinsberechtigung – ein Nullsummenspiel wechselseitiger Ausbeutung. Nur konsequent dass alle beteuern wie positiv sich Johnstons Karriere entwickelt hat, sogar bis nach Europa, wo man ihn in Stockholm beim gemeinsamen Singsang mit dem Publikum zeigt.

Jeder der in seinem Bekanntenkreis mit dieser Krankheit konfrontiert wurde weiss aber ganz genau, dass das alles nichts bedeutet. Wenn Johnstons Galerist in Los Angeles stolz verkündet, dass praktisch alle Gemälde noch vor der Vernissage einen Abnehmer gefunden haben, ein alter Weggefährte pausenlos die frühen Tapes überspielt, beklebt und vertreibt um Johnstons Werk vor der Auslöschung zu bewahren – wenn man Curt Cobain sieht, mit Daniel Johnston T-shirt und immer wieder Talking Heads von Musikjournalisten, die das geniale Talent wie in einem Mantra beteuern, dann wird die direkte Verbindung des Films zu seinem Sujet überdeutlich. „The Devil and Daniel Johnston“ ist an dem Mythos interessiert, nicht an dem Menschen.

Thomas Reuthebuch

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