Geld stinkt nicht!

Los Angeles ist eine geteilte Stadt. In ihrer Mitte ragt ein Gebirgszug und bildet die physische Grenze zwischen L.A. und dem San Fernando Valley, der Vorstadt, dem „L.A. für Arme“, wie es von den Angelinos gerne genannt wird. Auch wenn es im Valley mittlerweile Viertel gibt, die mit ihren Prachtvillen und Quadratmeterpreisen Beverly Hills Konkurrenz machen, hat die Gegend den Beigeschmack der Spießbürgerlichkeit bis heute nicht verloren. Und – um ehrlich zu sein – je tiefer man ins Valley vordringt und sich von der bergigen Grenze, auf deren Scheitel sich der berühmte Mullholland Drive entlang schlängelt, entfernt, desto mehr scheint dieser Vorwurf auch berechtigt: Zum größten Teil winzige, meist aus Holz gebaute Flachbauten reihen sich hier aneinander wie Perlen an einer Kette. Dazwischen gequetscht die obligatorische Garage, in der der noch nicht abbezahlte japanische Mittelklassewagen parkt. Und über allem wabert im Sommer eine unmenschlich drückende Hitze, der die blechernen, aus den Fenstern ragenden Klimaanlagen verzweifelt surrend Herr zu werden suchen. In dieser Idylle amerikanischen Vorstadtmiefs spielt Barry Levinsons jüngste Komödie „Neid“.

„Neid“ erzählt die Geschichte der befreundeten Nachbarn Tim Dingman (Ben Stiller) und Nick Vanderpark (Jack Black). Beide sind in der gleichen Fabrik für Sandpapier beschäftigt und fahren jeden Morgen mit dem Auto gemeinsam zur Arbeit. Tim hat es beruflich schon weit gebracht … immerhin zum eigenen Büro, einem 4 Quadratmeter großen Holzverschlag, inklusive des Stuhlmodells mit Gesundheitslehne, das im Sandpapiergewerbe nur der Liga jenseits der Vorarbeiter vorbehalten ist. Bald wird er sogar einen Pool in seinen Vorgarten bauen; und zwar nicht irgendeinen, sondern die teure Variante – in Nierenform! Kurz gesagt: Tim ist ein gemachter Mann auf dem Weg nach oben! Nick dagegen ist ein chaotischer Träumer und beruflicher Versager. Ein durch und durch liebenswerter und gutmütiger Forrest Gump der Vorstadt. Außerdem ist Nick ein überschäumender Quell ständig neuer und völlig abstruser Geschäftsideen, die eigentlich keiner außer seiner geistig eher schlicht veranlagten Frau Natalie (Amy Poelher) wirklich ernst nimmt. Daher lehnt Tim auch dankend ab, als sein Nachbar ihm anbietet, in seine neueste geniale Idee zu investieren: Ein Spray, das Hundscheiße in Nichts auflöst!

Doch Tim muss diese Entscheidung bitter bereuen. Denn tatsächlich gelingt es Nick irgendwie das „Scheiße-weg-und-gut-ist“-Spray zu entwickeln. Über Nacht wird Nick mit „Vapoorize“ (dog pooh = Hundescheiße) zum Multimillionär und Tim guckt in die Röhre.

Das allein wäre vielleicht noch nicht so schlimm für Tim – auch wenn ihm seine nach Höherem strebende Gattin Debbie (Rachel Weisz) wegen der verpassten Chance die Hölle heiß macht. Nein, wirklich schlimm ist, dass der frisch gebackene Millionärsnachbar nicht das tut, was jeder andere an seiner Stelle tun würde – nämlich wegzuziehen! Aber Nick fühlt sich einfach viel zu wohl in Suburbia. So wohl, dass er auf seinem alten Grundstück – und damit genau vor Tims Nase – einen monströsen, weißen Palast errichtet, inklusive Karussell, Gokart-Bahn und Bogenschießplatz. Außerdem schafft er sich ein weißes Pferd namens Corky an, auf dem er im Wild-West Stil vor Tims Fenster hin und her galoppiert, und das bevorzugt die Äpfel in Tims Garten klaut. Gattin Natalie nutzt derweil ihren neuen Status dazu, politisch Karriere zu machen, und kandidiert mit dem Slogan „Ich mag jede Art von Umwelt und bin voll dafür,“ für den Senat.

Dass es Tim innerlich vor Neid fasst zerreißt, entgeht dem gutmütigen Nick völlig. Nick liebt Tim abgöttisch. Er überhäuft den Freund mit sündhaft teuren Geschenken und teilt liebevoll alles, was er hat.

Doch der hässliche, fette Neid hat sich in Tims Herzen breit gemacht, und verschließt völlig den Blick für die Gutherzigkeit des Freundes. Als er eines nachts im Vollrausch einen Pfeil in Richtung des verhassten weißen Palazzos schießt, erwischt er dabei aus Versehen Nicks geliebten Schimmel Corky, und die Dinge nehmen ihren Lauf. Um die Tat zu vertuschen, vergräbt Tim das tote Pferd in einer Nacht-und-Nebelaktion in der Grube in seinem Vorgarten, die eigentlich für seinen Nierenpool bestimmt war. Völlig übermüdet am nächsten Tag verliert er in seinem Holzverschlagbüro die Nerven, schreit seinen Boss an und wird gefeuert. Beim Frusttrinken in einer dunklen Spelunke macht er die Bekanntschaft von J-Man (Christopher Walken), einem zwielichtigen Penner, der Tim verspricht, ihm bei der Beseitigung der Pferdeleiche zu helfen. Wie nicht anders zu erwarten, hat Tim sich bald in ein derartiges Chaos von Notlügen und Ausflüchten verstrickt, dass er von einer amüsanten Katastrophe in die nächste stolpert …

Auf den ersten Blick ist „Neid“ ein typisches Ben-Stiller-Starvehikel. Denn Stiller spielt, was er fast immer spielt: Otto Normalverbraucher, der durch die Widrigkeiten einer umbarmherzigen Umwelt aus seinem geliebten Alltagstrott geworfen wird. Das funktioniert auch hier. Und schon allein die Darsteller Stiller, sein Co-Star Jack Black, so wie die hinreißend komische Amy Poehler, machen „Neid“ absolut sehenswert.

Richtig interessant jedoch wird der Film jedoch durch die bissige Gesellschaftskritik in Steve Adams Drehbuchvorlage, die dem Film eine delikate Doppelbödigkeit verleiht: Da entschließt sich eine deutlich unterbelichtete, amerikanische Hausfrau, die nicht einmal ganz sicher ist, ob sie nun für den „Senat“ oder den „Kongress“ kandidiert, ihren neu erworbenen Reichtum zu nutzen, um große Umweltpolitik zu betreiben. Wir sehen: zum Politiker qualifiziert man sich in den USA nur durch eins: Jede Menge Schotter. Die Parallele zu Fahrenheit 9/11, in dem sich der amtierende amerikanische Präsident als stinkreicher, tumber Einfaltspinsel outet, liegt auf der Hand. „Neid“ wird damit zu einer Parabel mit dem Fazit: Es ist egal womit du dein Geld verdienst, ob mit korruptem Öl oder mit Hundescheiße. Denn eines ist sicher – Geld stinkt nicht!

Envy
(USA 2004)
Regie: Barry Levinson
Drehbuch: Steve Adams
Kamera: Tim Maurice-Jones; Schnitt: Stu Linder
Darsteller: Ben Stiller, Jack Black, Rachel Weisz, Amy Poehler, Christopher Walken
Länge: 99 Minuten

Marion E. Kotzenberg

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.