Lola spinnt

The Loved Ones
(Aus 2009)
Regie & Buch: Sean Byrne; Kamera: Simon Chapman; Schnitt: Andy Canny
Darsteller: Xavier Samuel, Jessica McNamee, Robin McLeavy, Richard Wilson, Victoria Thaine, John Brumpton, Fred Whitlock, Eden Porter
Länge: 84 Minuten
Verleih: Koch Media

Kamera: Maik Rauhmann

Blut & Boden

Die Meute
(La meute, F 2010)
Regie & Buch: Franck Richard, Kamera: Laurent Barès; Schnitt: Olivier Gajan
Darsteller: Émilie Dequenne, Yolande Moreau, Eric Godon, Philippe Nahon, Benjamin Biolay, Brice Fournier
Länge: 90 Minuten
Verleih: Tiberius

Brustkorb und Helm

Wenn man nur lang genug schweigt, wird man irgendwann zum Visionär. Philip Ridley hat 14 Jahre lang geschwiegen – nun ja, nicht wirklich geschwiegen, lediglich auf die Kinoleinwand fand keine seiner Ideen mehr seit den Mitt-90ern. Dabei hatte er mit „The Reflecting Skin“ und „The Passion of Darkly Noon“ zwei schrecklich schöne, phantasievolle, dunkle und originelle Filme gedreht, die auf ganz eigentümliche Weise zwischen Genreerzählung und adoleszentem Fiebertraum oszillierten. Nach langer Schaffenspause legt Ridley nun mit dem faustischen Horrorfilm „Heartless“ seinen erst dritten Film vor, und scheitert dabei höchstens an den zu hohen Erwartungen.
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Unterweltler statt Hinterwäldler

Was einst ein archaisches Initiations- und Bewährungsritual war, das ist heute zum flachen, enthemmten Besäufnis entleert worden. Der Junggesellenabschied, so erfahren wir an exponierter Stelle in Peter A. Dowlings Horrorfilm „Stag Night“, geht auf ein Jagdritual archaischer Stämme zurück, die den Bräutigam vor der Hochzeit auf die Hirschjagd schickte – und somit in einen Kampf auf Leben und Tod. Erlegte der junge Mann das Tier, erwies er sich somit seiner Braut als würdig; gelang es ihm nicht, so ließ er sein Leben in diesem Duell auf Augenhöhe. In einen Kampf auf Leben und Tod stolpern auch die Freunde Mike, Carl und Joe, die gemeinsam mit Mikes Bruder Tony den Junggesellenabschied von Mike feiern wollen – obgleich sich der Ehemann in spe seiner Sache gar nicht mehr so ganz sicher ist, scheint ihm doch der eigene Lebensweg zu glatt und ungebrochen. „Unterweltler statt Hinterwäldler“ weiterlesen

Kein Sammelobjekt

Mit „The Collector“ scheint der brachiale Folter-Horror nun endgültig im Mainstream angekommen zu sein – und das ist keineswegs negativ gemeint: Filme wie „Saw„, „Hostel“ und nicht zuletzt die französischen „Vorbilder“ eines Regisseurs wie Alexandre Aja könnten Pate für Marcus Dunstans Regiedebüt „The Collector“ gestanden haben. (Eine Verbindung, die nicht von ungefähr kommt, hatte Dunstan doch die Drehbücher der letzten drei „Saw“-Filme geschrieben!) Dass er durchaus an diese Vorbilder heranreicht und seine Erzählung der Gewalt geschickt variiert, wird nicht nur durch das recht packende Erlebnis der Wiederbegegnung mit dem Film auf Blu-ray-Disc verdeutlicht, sondern auch dadurch, dass der Film übel zusammengeschnitten werden musste, um überhaupt eine Freigabe für Erwachsene zu erhalten.

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Kapitalistische Ökonomie als Horror

„Hostel“ und „Hostel II“[1] setzen aktuelle ökonomische Diskurse als Horror-Ästhetik um. Das Hauptthema beider Filme ist eine neue Form des modernen Kapitalismus, die sowohl Expansion des Kapitals nach Außen wie Globalisierung[2] als auch nach Innen wie Kommerzialisierung intimer Lebensbereiche bis hin zu individuellen Identitätskonzepten[3] auffasst. Freud umformulierend wird Ökonomie zum Schicksal des männlichen Subjektes, die aber die Form des Destruktions- bzw. Todestriebes einnimmt. Beide „Hostels“ präsentieren das heutzutage bevorzugte Wirtschaftssubjekt als Lustmörder.

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Zensur heute in Deutschland (Update)

F.LM war auf dem zweitägigen Kolloquium „Gefährliches Kino? – Filme im Konflikt mit Gesetz, Geld und Gesellschaft“ (unser Tagungsbericht folgt in Kürze) und präsentiert von dort exklusiv den Vortrag von Dr. Roland Seim über zum Thema „Zensur heute in Deutschland“:

Roland Seim: Zensur heute in Deutschland from T3XT3.DE on Vimeo.

Der Siegener Filmwissenschaftler Dr. habil. Marcus Stiglegger spricht über so genannte „Torture Porns“ und den Zusammenhang von Ästhetik und Rezeption filmischer Gewaltdarstellung.

Marcus Stiglegger: Ein Genre unter Verdacht: Terrorkino from T3XT3.DE on Vimeo.

Actionfilm of the Living Dead

Die Rache hätte so schön kalt serviert werden können: Eine Vorort-Gangster-Truppe ermordet einen Polizisten, und seine Kollegen machen sich auf den Weg zu dem halb baufälligen Hochhaus, in welchem die Verbrecher leben, um dort Rache für die Tat zu üben. Leider kommt ihnen ein gleichermaßen übereifriger und schlecht schießender Hausmeister in die Quere und ihr Plan fliegt auf, was zur Erschießung weiterer Polizisten und der Geiselnahme der Überlebenden führt. Doch bevor nun auch diese ins Jenseits befördert werden können, passiert etwas Unerwartetes: Die Erschossenen draußen auf dem Flur erheben sich und beginnen gegen die sich nun in der Wohnung verbarrikadierenden Menschen anzurennen. Durch weitere Schüsse sind sie nicht zu bremsen und vor dem Hochhaus sammelt sich eine riesige Menschenmenge – offenbar ebenfalls Untote mit Lust auf Menschenfleisch. In Zeiten solcher Not müssen Koalitionen über Interessengrenzen hinweg gebildet werden, also schließen sich die Gangster mit den überlebenden Polizisten zusammen und versuchen die Flucht aus dem Hochhaus.

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A Nightmare at Melrose Place

Am Anfang wähnt man sich zunächst für ein paar Minuten in „A Nightmare at Melrose Place“. Der Vorspann, die Settings, die Ausleuchtung, die jugendlichen Protagonisten – all das ist auf jene Weise hochgestylt, die Produzent Michael Bay in den 1990er Jahren in das Blockbusterkino eingebracht hat und die im Grunde heute schon hoffnungslos gestrig wirkt. Aber, es wird besser: nur ein bisschen besser zwar, und es dauert auch eine Weile, bis sich dies in Samuel Bayers Remake von Wes Cravens Klassiker „A Nightmare on Elm Street“ von 1984 – einem der besten amerikanischen Filme der 1980er Jahre – bemerkbar macht. Dennoch wird offensichtlich, dass Bayer das Remake-as-usual-Business der Bay’schen Produktionsschmiede Platinum Dunes, die vom „Texas Chainsaw Massacre“ bis zu „The Last House on the Left“ nach und nach den Kanon des sozialkritischen 70er-Jahre-Splatters geglättet und für ein gegenwärtiges Popcornpublikum aufgehübscht hat und nun also in der Folgedekade angekommen ist, hier nicht so ganz mitmachen mag.
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[•REWIND]!

Manch einer erinnert sich vielleicht noch an den fulminanten Erfolg, den Robert Schneider 1992 mit seinem Roman „Schlafes Bruder“ feierte: Es war das Debüt-Werk des österreichischen Schriftstellers und für diesen selbst eine nachher unerreichbare Steilvorlage. Sein zweiter Roman, „Die Luftgängerin“ von 1998, reichte bei weitem nicht daran – weder von der Qualität noch vom Erfolg. Nun ist Jaume Balaguerós und Paco Plazas Film „[REC]“ von 2007 zwar weder des einen noch des anderen filmisches Debütwerk, doch in einem gewissen Sinne haben sich beide damit „neu erfunden“ – Balagueró, der mit Horrorfilmen wie „Los sin nombre“, „Darkness“ und „Fragile“ eine kunstvolle Brücke zwischen asiatischen Geisterfilmen und europäischer Gothic Novel baute, schlug in „[REC]“ ganz neue Töne an: authentisierter Medien-Horror, der motivisch auf der neuen Zombiefilm-Welle mitschwimmt, dessen Kern jedoch eine fundamentale Verunsicherung der Sehgewohnheiten seiner Zuschauer bereit hielt: Was wir wissen können, so könnte man eine Erkenntnis aus „[REC]“ destillieren, das wissen wir nur aus den Medien – und was uns die Medien nicht wissen lassen, das wird zum Gegenstand des Grauens.

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Ein kurzer Film über die Toten

Ein Zombiefilm aus Deutschland – das ruft ungute Erinnerungen an jüngere („Die Nacht der lebenden Loser“) und ältere (Andreas Schnaas‘ „Zombie 90“ und Ähnliches) Versuche auf dem Gebiet wach. Entweder wurden Zombiefilme hierzulande zum Experimentierfeld von Splatter-Newbies, die ihren großen „Vorbildern“ nacheifern wollten, oder das Motiv wurde, wie fast jedes andere Motiv auch, der Sexual-Verzotung anheim gestellt. Wer mit derlei Erwartungen in „Rammbock“ geht, wird allerdings im positivsten Sinne enttäuscht, denn Regisseur Marvin Kren und sein Drehbuchautor Benjamin Hessler versuchen weder etwas neu zu erfinden, noch etwas zu transzendieren, was schon Dutzende mal zuvor schief gegangen ist: Sie übertragen das Motiv einfach auf einen Berliner Hinterhof und machen das, was im Grunde jeder Zombiefilm macht: Sie bebildern mit den Untoten einen sozialen Konflikt.

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Schnittstellen – Serienmord im Film

Berlin, 15.04.2010 – Soeben ist die Monografie „Schnittstellen – Serienmord im Film“ von F.LM-Herausgeber und -Chefredakteur Stefan Höltgen im Marburger Schüren-Verlag erschienen. Darin werden circa 40 Serienmörderfilme, die zwischen 1924 und 2003 erschienen sind, auf die Frage hin untersucht, auf welche Weise in ihnen Authentizität konstruiert wird. Der methodische Fokus der Arbeit liegt auf der detaillierten Analyse der Filme und ihrer Paratexte, um die kulturelle Resonanz der Werke zu rekonstruieren und die zeitgenössischen Diskurse zu ihnen nachzuzeichnen. Dazu werden Fragen zur Kriminalgeschichte (bei historischen Vorlagen), zur Gewaltdarstellung, Filmzensur, Affektproduktion, politischer Lesarten und auf welche Weise der Film an einer Verstehbarmachung des Phänomens Serienmord für die breite Öffentlichkeit arbeitet, auf circa 400 Seiten des Bandes gestellt.

Die Monografie basiert auf der Dissertationsschrift, welche der Autor im Herbst 2008 an der Universität Bonn eingereicht hat, stellt allerdings eine umfangreiche Überarbeitung derselben dar: Neben zahlreichen Detailänderungen verfügt der Text nun auch über farbige Abbildungen sowie ausführliche Namens- und Titelregister, die die Lektüre des ebenso als eine Art „Lexikon des Serienmörderfilms“ verwendbaren Buches unterstützten sollen. Das Paperback ist ab sofort über den Verlag oder den Buchhandel beziehbar. Einen Einblick gewährt der Schüren-Verlag bei Libreka. Erste Rezensionen finden sich bei Der Schnitt, Caligari und Das Manifest sowie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Deadline“.

Stefan Höltgen
Schnittstellen – Serienmord im Film
Marburg: Schüren-Verlag 2010
409 Seiten (Taschenbuch) mit schwarz-weißen und farbigen Abbildungen
29,90 Euro
Informationen vom Verlag

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Survival of the Undead

Manchmal bemerkt man eine jahrelang klaffende Lücke erst dann, wenn sie plötzlich unerwartet gefüllt wird. Dass es zum Beispiel im deutschsprachigen Raum bis heute keine Monographie zu George A. Romero gab, der dem amerikanischen Kino mit „Night of the Living Dead“ und „Dawn of the Dead“ zwei seiner ganz großen Meisterwerke schenkte, das mutet eigentlich kaum glaublich an und dürfte wohl in erster Linie der schwierigen Zensurgeschichte zumindest des letzteren Films geschuldet sein. Der umfassenden Wiederentdeckung nicht nur durch die Splatterfanbasis, sondern auch von Seiten der Filmwissenschaft standen die Probleme mit Verfügbarkeit, Kürzungen, Verboten und vergleichbaren Hindernissen jedoch nicht im Weg, sodass Romeros Ästhetik und Gesellschaftsanalyse im Grunde seit gut einer Dekade zum filmanalytischen Grundwissen zählen dürften.
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»Die Menschen verfilmen heutzutage aber auch alles!«

Zu den medialen Vorboten des Kinos zählt neben der Oper vor allem das Wachsfigurenkabinett. Bereitete erstere den Weg für die synästhetische, multimediale Darstellung von Inhalten, so lieferte zweitere die „Einstellung“ einer Szenerie, die durch die stillgestellte Bewegung auf ihre Kunsthaftigkeit (die Mise-en-scène) hinweist. Die große Affinität zwischen den beiden Medien hat sich bereits recht früh darin niedergeschlagen, dass das Wachsfigurenkabinett zu einem filmischen „Topos“ wurde. 1924 hatte Paul Leni ein solches zum Handlungsort seines Films „Das Wachsfigurenkabinett“ ausgewählt; neun Jahre später entstand Michael Curtiz‘ „Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts“, von dem André de Toth 1953 ein Remake mit dem Titel „Das Kabinett des Professor Bondi“ drehte, das zuletzt 2005 von Jaume Collet-Serra neu aufgelegt wurde. All diesen Filmen ist gemein, dass sie Horrorfilme sind. Und auch der 1988 entstandene Film „Waxwork“ von Anthony Hickox fällt in diese Reihe – und beteiligt sie wie alle anderen ebenfalls an der allgemeinen Reflexion über die Filmizität des Wachsfigurenkabinetts.

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Operation misslungen, Patient lebt

Für Eli Roth war „Cabin Fever“ ein Einstand nach Maß: Aufgrund der Verbindung des Regisseurs mit David Lynch mit einigen Vorschusslorbeeren gestartet, entwickelte sich der Film zum Love-it-or-hate-it-Phänomen, schienen sich die positiven und negativen Stimmen gegenseitig anzustacheln und überbieten zu wollen. Die so entfachte Meinungsschlacht stand kaum noch in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Qualität des Films, den man unter anderen Umständen wahrscheinlich einfach egal gefunden hätte, so aber mindestens als Geniestreich, Kultklassiker oder filmisches Verbrechen titulieren musste, um gehört zu werden. Für Roths weiteren Werdegang mit „Hostel“ und „Hostel 2“ kann man diese Rezeptionsgeschichte als treffenden Prolog verstehen und auch für den Vertrieb Lions Gate hätte „Cabin Fever“ der Startschuss für ein neues erfolgversprechendes Franchise sein können. „Operation misslungen, Patient lebt“ weiterlesen

Der Wolfsmensch kehrt zurück

George Waggners „The Wolf Man“ (USA 1941) gilt als der erste richtige Werwolf-Film. Lon Chaney Jr. hatte darin das Wolfsmensch-Hybridwesen mit noch beinahe niedlicher Hundeartigkeit dargestellt – eine Darstellungsweise, die sich über die folgenden Filmjahrzehnte immer weiter hin abschleifen sollte, bis aus dem Wesen das Monster wurde, das in „American Werewolf“ sein Unwesen treibt. Mit dem jetzt in den Kinos startenden Remake des beinahe 70 Jahre alten Klassikers von Joe Jonston ersteht es nun beinahe in alter Pracht wieder auf. Aber nur beinahe, denn der Film leistet wesentlich mehr als die bloße Reanimation: Er fasst die Geschichte des Werwolf-Films in ihren Highlights zusammen. Stefan Höltgen hat sich den Film zusammen mit Miriam-Maleika Höltgen und Jörg Buttgereit in der Pressevorführung angesehen und direkt danach im Foyer des Berliner CineStar-Kinos ein Podcast aufgenommen.

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Sawival Horror

Die Marke „Saw“ hat sich mittlerweile zu einem lukrativen Franchise entwickelt: Sechs Spielfilme sind unter dem Titel zwischen 2004 und 2009 bereits entstanden. Dass das Konzept erst jetzt für eine Videospiel-Adaption aufbereitet wurde, verwundert da schon beinahe – erinnert das Sujet der Serienmörder-Erzählung von „Saw“ doch sehr stark an einen Game-Plot. Es mag auch der dem Stoff inhärente Zynismus gewesen sein, der seine „Interaktivierung“ bislang verhindert hat: Immerhin gibt es im „Saw“-Universum keine reinen Opfer-Täter-Dichotomien mehr. Egal, welche Figurenperspektive man einnimmt: Man wird zum (virtuellen) Mörder.

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Die Zombies vor der Leinwand

Seitdem der Zombiefilm mit Danny Boyles „28 Days Later“, Zack Snyders „Dawn of the Dead“-Remake und Edgar Wrights „Shaun of the Dead“ Mitte des Jahrzehnts sein Revival erlebte, vergeht kaum ein Jahr, ohne dass ein neuer, vermeintlich origineller Beitrag zum Subgenre erscheint. Auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest hieß dieser „Wasting Away“ und wurde von der Festivalleitung entsprechend vollmundig angekündigt. „Die Zombies vor der Leinwand“ weiterlesen

Vorwärts in die Vergangenheit

Schon wenn das Bild während der Creditsequenz von „The House of the Devil“ einfriert und der Titel in großen gelben Lettern eingeblendet wird, weiß man, dass man sich hier in einem Film befindet, der den Horrorfilmen der Siebziger Tribut zollt. Das macht Ti Wests Film noch nicht zu etwas Besonderem, gab es doch in den letzten Jahren eine regelrechte Schwemme von Filmen, die mit dem Etikett „Retro“ versehen wurden. Doch während etwa ein Regisseur wie Rob Zombie Motive und Elemente des Horrorfilms vergangener Jahrzehnte zitiert, um sie dann in einen zeitgenössischen Kontext zu transplantieren, gelingt West die perfekte Simulation eines längst vergangenen Stils und damit paradoxerweise einer der originellsten, unheimlichsten und effektivsten Horrorfilme der vergangenen Jahre. „Vorwärts in die Vergangenheit“ weiterlesen

Mehr Licht!

„Sit back and enjoy in total darkness“, diese Gebrauchsanweisung gibt Khavn de la Cruz, Multimediakünstler, Wunderkind und Filmemacher von den Philippinen, zum Auftakt seines Films „3 Days of Darkness“ mit auf den Weg. Dies ist ja ohnehin zum angemessenen Konsum von Horrorkino stets anzuraten, hier allerdings ist es unabdinglich, geht doch Khavn in seiner filmischen Bearbeitung der Urangst vor der Dunkelheit wohl weiter als jeder Filmemacher zuvor. Dabei fängt erst alles so abstrakt, so farbgesättigt und stilllebenhaft an, dass man sich für einen Augenblick in einem der enigmatischen Filme des Thailänders Apichatpong Weerasethakul wähnt: Die ersten Bilder von „3 Days of Darkness“ zeigen menschenleere Räume, in statischen Kameraeinstellungen streng kadriert. Und Fenster. Durch sie drängt sich gleißendes Licht in die leblosen Arrangements hinein, und doch scheint dieses nur die dunklen Ecken, die schattigen Winkel dieser Räume und dieser Bilder umso mehr zu betonen. Das Gleiche gilt für die Darsteller: Zwar wandeln sie anfangs noch im Licht, in der brennenden Sonne von Manila, doch ist dieses stets nur im Kontrast zu den schon immer von tiefen Schatten gefurchten Gesichtern zu denken. Dieser Film strebt von Beginn an dem Dunkel zu.
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