Die Marke „Saw“ hat sich mittlerweile zu einem lukrativen Franchise entwickelt: Sechs Spielfilme sind unter dem Titel zwischen 2004 und 2009 bereits entstanden. Dass das Konzept erst jetzt für eine Videospiel-Adaption aufbereitet wurde, verwundert da schon beinahe – erinnert das Sujet der Serienmörder-Erzählung von „Saw“ doch sehr stark an einen Game-Plot. Es mag auch der dem Stoff inhärente Zynismus gewesen sein, der seine „Interaktivierung“ bislang verhindert hat: Immerhin gibt es im „Saw“-Universum keine reinen Opfer-Täter-Dichotomien mehr. Egal, welche Figurenperspektive man einnimmt: Man wird zum (virtuellen) Mörder.
Dass der „Saw“-Stoff bislang noch nicht auf dem Computer nachzuspielen gewesen ist, ist nicht ganz korrekt. Seit einigen Monaten existieren einige Flash-Games mit dem Titel, etwa „Jigsaw’s Escape„, „Saw 4“ oder eine Persiflage mit US-Präsident Obama, die den „Escape-Games“ bzw. dem Point-and-Click-Genre zugerechnet werden können. Aufgrund der Beschränkungen der Flash-Programmierung bleibt bei diesen Adaptionen das zentrale Moment des „Saw“-Motivs allerdings auf der Strecke: die Immersion. Konamis Version, die im November letzten Jahres für die PS3, X-Box 360 und Windows-PCs erschienen ist, versucht genau diesen Effekt für sich einzusetzen. Der angesprochene Zynismus des Game-Plots hat dabei hierzulande natürlich eine „USK 18“-Einstufung nach sich gezogen.
Der Plot ist zwischen dem ersten und dem zweiten „Saw“-Film angesiedelt und verspricht laut Herstellerangabe „unbeantwortete Fragen aus den Filmen endlich aufzuklären“. Man erfährt mehr über Jigsaws Herkunft und die ambivalenten Charakterzüge des Ermittlers David Tapp. Als dieser findet sich der Spieler in einer verlassenen Psychiatrie wieder – um den Hals eine der berüchtigten Schnapp-Fallen, derer man sich zunächst entledigen muss. Auf dem Weg aus dem dunklen Labyrinth trifft man auf weitere Opfer Jigsaws, die man entweder zu retten hat oder sich ihrer erwehren muss. Letzteres stets aus Gründen des Selbstschutzes, denn Jigsaw versieht die eigene Spielfigur bald wieder mit einer Schnappfalle, die bei allzu starker Annäherung an andere lebende Opfer ausgelöst wird.
Die Atmosphäre des Spiels ist düster und beunruhigend – hier hat man der Stimmung der Filme perfekt nachgeeifert. Stets ist es dunkel und man besitzt lediglich ein Feuerzeug, das man später durch andere Illuminationsgeräte, wie das Blitzlicht eines Fotoapparates austauschen kann – nicht immer die beste Idee. Das Setting besticht durch verschmutzte und teilweise zerstörte Räume, in denen die Spuren der ehemaligen Psychiatrie allenthalben zu finden sind: Krankenakten, medizinische Geräte und dann auch etliche Leichenteile und Leichen, die höchstwahrscheinlich auf das Konto des Killers gehen.
Man steuert seine Spielfigur aus der 3rd-Person-Perspektive durch das Gebäude; der „Survival Horror“-Plot ist in „Saw“ so deutlich akzentuiert wie nur selten in einem Spiel des Genres, denn beinahe in jedem Raum hat man mit Fallen, Gegnern oder gegebenenfalls tödlichen Rätseln zu rechnen. Allerdings enthält das Spiel auch etliche Elemente, die Point-and-Click-Strategien verlangen. Insbesondere Schiebe- und Drehrätsel, mit denen man Schränke und Kästen öffnen muss, erinnern an ähnliche Serienmörderspiele (wie etwa die „Still Life“-Games). Das eigentlich Originelle an „Saw“ ergibt sich aus dem bereits angesprochenen Motiv des Films kombiniert mit der Interaktivität des Videospiels.
In jüngerer Zeit erlebt das Kino mit Filmen wie „Avatar“, „Gamer“ oder „Surrogates“ eine regelrechte „Verspieltheit“: Figurenkonzepte aus Videospielen werden zur Charakterisierung von Filmprotagonisten herangezogen. Allen gemeinsam ist, dass sie ferngesteuerte Avatare sind – künstliche oder echte Menschen, die von anderen in ihrer Handlung bestimmt werden. In den „Saw“-Filmen, so könnte man argumentieren, ist dieses Motiv bereits von Beginn an angelegt, denn die vom Killer „Jigsaw“ gefangenen Opfer müssen eine regelrechte (und regelgeleitete) Spiel-Dramaturgie durchlaufen, wenn sie überleben wollen. Das hat die Filmreihe bereits subtil mit einer Videospiel-Logik versorgt – nur, dass der Filmzuschauer hier nicht selbst Hand anlegt, sondern ein „evil mastermind“ dies für ihn erledigt.
In Konamis Film-Adaption wird man als Spielfigur ebenfalls von Jigsaw angeleitet und versucht die eigene Spielfigur am Leben zu halten. Im Prinzip ließe sich das Spiel also als eine konsequente Fortführung der Immersionsstrategien der Filme verstehen: Versucht diese mit Hilfe ihrer Spielfilmästhetik den Zuschauer mit der Opferperspektive zu identifizieren und auf diese Weise zu affizieren, so gelingt dies dem Videospiel sozusagen „spielerisch“. Damit zeigt sich einmal mehr, auf welch fruchtbare Weise sich Spielfilm und Videospiel zu beeinflussen in der Lage sind und außerdem, dass die Ästhetisierung des Serienmordes notwendig auf immer größere Authentzitätsstrategien zurückgreift.
Saw
(USA 2009)
Publisher: Konami; Entwickler: Zombie-Studios
Plattformen: PS3 (getestet), Xbox 360, Windows PC
USK: ab 18 Jahren
Preis: 55,90 Euro (PS3), 34,50 Euro (Windows), 38,06 Euro (Xbox 360)
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