Seitdem der Zombiefilm mit Danny Boyles „28 Days Later“, Zack Snyders „Dawn of the Dead“-Remake und Edgar Wrights „Shaun of the Dead“ Mitte des Jahrzehnts sein Revival erlebte, vergeht kaum ein Jahr, ohne dass ein neuer, vermeintlich origineller Beitrag zum Subgenre erscheint. Auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest hieß dieser „Wasting Away“ und wurde von der Festivalleitung entsprechend vollmundig angekündigt.
Nachdem das Auftauchen der lebenden Toten in den letzten Jahren schon als gesellschaftspolitische Herausforderung betrachtet („Les Revenants“) und der Zombie zum nützlichen Haushaltshelfer domestiziert worden war („Fido“), rühmt sich „Wasting Away“ nun mit der Prämisse, die Zombies nicht nur zu seinen Protagonisten zu machen, sondern komplett deren Perspektive einzunehmen. Dieser Ansatz entpuppt sich schon bei oberflächlicher Betrachtung nur noch als halb so originell, wie er sich vielleicht zunächst anhört – die Erkenntnis, dass die Zombies doch auch nur, wenn nicht sogar die besseren Menschen sind, exerziert Romero doch nun schon seit drei Jahrzehnten vor –, doch unter der dilettantischen Regie von Debütant Matthew Kohnen wird auch das letzte Potenzial dieser Grundidee noch gnadenlos in Grund und Boden gestampft.
Seinen Witz versucht Kohnen aus der Kontrastierung der Innen- und der Außenperspektive zu ziehen: Während sich die Protagonisten in den „subjektiven“ Farbsequenzen ganz normal verhalten und wortreich-eloquent darüber diskutieren, warum ihre Mitmenschen so panisch auf sie reagieren, sieht man sie in den „objektiven“ Schwarzweiß-Passagen zombifiziert durch die Straßen torkeln und Grunzlaute ausstoßen. Diese Teilung des Films ist sowohl aus konzeptioneller wie auch aus ästhetischer Sicht ein Schuss in den Ofen: Das Gimmick der Zombiesubjektiven ist ein reiner Fake, weil die Kamera diese Subjektive fast nie einnimmt. Die Zweiteilung ist somit kaum mehr als ein Krückstock, den Kohnen zur Strukturierung seines schlichtweg unausgereiften Films braucht. Allerdings will auch der Umgang mit einem Krückstock gelernt sein: „Wasting Away“ holpert im Wechsel von Schwarzweiß und Farbe hilflos seinem Ende entgegen und ist noch dazu mit einer vollkommen uninspirierten Fotografie geschlagen, die durch das blasse Digivideobild und die schmucklos-nichtssagenden Settings noch betont wird. Es liegt jedoch nicht allein an der reichlich minderbemittelten Inszenierung, dass „Wasting Away“ sein Potenzial nicht annähernd ausschöpfen kann: Auch inhaltlich begnügt er sich damit, seinen einen flachen Witz über die gesamte Laufzeit breitzutreten und hat seiner Prämisse schon nach kürzester Zeit nichts mehr hinzuzufügen. Das ist durchaus auch eine Form der Ökonomie. Manche nennen sie auch „Armut“.
Erstaunlicher- und tragischerweise hat Kohnen mit dieser Beschränktheit jedoch Erfolg: Beim Fantasy Filmfest erhielt der Film mit den lautesten Applaus, erntete die lautesten Lacher und hinterließ ein geradezu ekstatisch verzücktes Gorebauern- und Nerdpublikum, das tatsächlich meinte, einen lustigen und originellen Film gesehen zu haben. Das belegt wieder einmal, dass es kaum eine leichter zu befriedigende und konservativere Gemeinde gibt als jene der Splatterfans. Es reicht vollkommen aus, bestimmte Schlüsselreize zu stimulieren und tausendfach Erprobtes ad infinitum zu wiederholen, um sich ihrer ewigen Begeisterung zu versichern. Man nehme ein paar In-Jokes (hier richtet er sich gegen Romeros „Land of the Dead“, der laut Dialog „kinda sucks“: Zumindest an Selbstüberschätzung mangelt es Kohnen nicht.), Furz- und Pimmelwitze, schmeiße ein bisschen Latex und Kunstblut durch die Gegend, addiere an prominenter Stelle den Close-up auf die Kettensäge und mache sich über Militärs und George Bush lustig, schon hat man den neuesten Kultfilm, der im heimischen DVD-Regal den Ehrenplatz neben Andreas Schnaas’ gesammelten Werken einnehmen kann. Ein einstmals anarchisches Genre ist so längst zum filmischen Äquivalent des Musikantenstadls verkommen, bei dem die Schar der Ahnungslosen im immergleichen Viervierteltakt mitklatschen kann. So wundert es auch nicht, dass die eine wirklich großartige Dialogzeile – „Idiots don’t know they’re stupid“ – nicht mit schamvollem Schweigen, sondern nur wieder mit dem bekannt merkbefreiten Gejohle quittiert wurde. Manchmal ist das Geschehen im Kinosaal tatsächlich furchteinflößender als das auf der Leinwand.
Wasting Away – Zombies sind auch nur Menschen
(Wasting Away, USA 2007)
Regie: Matthew Kohnen; Drehbuch: Matthew Kohnen, Sean Kohnen; Musik: The Newton Brothers; Kamera: Allan Fiterman; Schnitt: Emily Chiu, Michael Schwartz
Darsteller: Jose Acevedo, Christopher Antonucci, Betsy Beutler, Michael Cornacchia, Matthew Davis
Verleih: EuroVideoDieser Text erschien zuerst in Splatting Image #80.