Ein kurzer Film über die Toten

Ein Zombiefilm aus Deutschland – das ruft ungute Erinnerungen an jüngere („Die Nacht der lebenden Loser“) und ältere (Andreas Schnaas‘ „Zombie 90“ und Ähnliches) Versuche auf dem Gebiet wach. Entweder wurden Zombiefilme hierzulande zum Experimentierfeld von Splatter-Newbies, die ihren großen „Vorbildern“ nacheifern wollten, oder das Motiv wurde, wie fast jedes andere Motiv auch, der Sexual-Verzotung anheim gestellt. Wer mit derlei Erwartungen in „Rammbock“ geht, wird allerdings im positivsten Sinne enttäuscht, denn Regisseur Marvin Kren und sein Drehbuchautor Benjamin Hessler versuchen weder etwas neu zu erfinden, noch etwas zu transzendieren, was schon Dutzende mal zuvor schief gegangen ist: Sie übertragen das Motiv einfach auf einen Berliner Hinterhof und machen das, was im Grunde jeder Zombiefilm macht: Sie bebildern mit den Untoten einen sozialen Konflikt.

Der Regisseur und seine Darsteller

Dass der etwa 65-minütige Spielfilm „Rammbock“ dabei dann doch auch augenzwinkernd vorgeht und nicht mit allzu großem Bierernst versucht, ein filmisches Blutbad anzurichten, steht dem Film gut zupass. Der Witz von „Rammbock“ liegt allerdings in den Charakterisierungen der Figuren: Allen voran wäre da Michi, der extra aus Wien nach Berlin-Mitte angereiste (Ex?)Freund von Gabi, der er den Schlüssel zu ihrer Wohnung zurückbringen will. Gabi ist nicht zu Hause, als er ankommt, aber zwei Handwerker, von denen einer auf einmal durchdreht, auf Michi zurennt und ihn beißen will. Mit Not gelingt es Harper, dem anderen Handwerker, und Michi, den wild gewordenen Mann aus der Wohnung zu befördern und sich dort zu verbarrikadieren. Indes bricht im Innenhof das Chaos aus: Menschen fallen über andere Menschen her, beißen sie. Überall Sirenengeheul und Schreie. Von Gabi aber keine Spur, und Michi macht sich Sorgen. Während die Welt um ihn herum im Chaos versinkt, versucht er die Wohnung in Schuss zu halten und klammert sich an Erinnerungen. Dann nehmen Nachbarn über ihre Fenster zum Hof Kontakt miteinander auf und versuchen sich gegen den Ansturm der Untoten zu organisieren.

Marvin Kren bei "Achtung Berlin - New Berlin Film Award"

„Rammbock“ kommt mit ganz wenigen Gewalt-Szenen aus, die er aber so packend inszeniert, dass er sich damit nicht hinter jüngeren Genre-Vorbildern verstecken muss. Insbesondere an Jaume Balaguerós und Paco Plazas „[Rec]“ erinnern die Untoten und wie der Film sie inszeniert. Und ähnlich affektgeladen und gruselig geht es auch in „Rammbock“ zu. Dass der Film so beunruhigende Atmosphäre besitzt, liegt vor allem an der Authentizität des Handlungsortes und der Charakterzeichnung der Figuren, denn alles wirkt „echt“ und ungekünstelt. Mit ästhetischen Kapriolen hält sich der Film zurück. Allenfalls der elektronische Soundtrack von Stefan Will untermalt das Grauen mit mal atonalen, mal sphärisch beunruhigenden Sentenzen. Die Entscheidung, den Film nicht viel länger als eine Stunde zu machen, also das Drehbuch nicht künstlich aufzublähen, kommt der „gehetzten“ Gesamtwirkung nur noch mehr entgegen. Allenfalls zum Schluss lässt sich Kren doch zu einer allzu artifiziellen Geste herab, wenn sich das Paar endlich in den Armen liegt. Dann spielt er Mozarts (in diesem Zusammenhang) recht abgedroschen wirkendes „Lacrimosa“ aus seinem Requiem. Da kommt dann schon beinahe wieder ein Schnaas-Flair auf – aber auch nur beinahe, denn später, wenn der Abspann vorüber rollt, hört man die Großmutter des Regisseurs eine Wiener Volksweise singen.

Rammbock
(D 2010)
Regie: Marvin Kren; Drehbuch: Benjamin Hessler; Kamera: Moritz Schultheiß; Schnitt: Silke Olthoff; Musik: Stefan Will
Darsteller: Sebastian Achilles, Carsten Behrendt, Sabrina Caramanna, Michael Fuith, Harald Geil, Anka Graczyk u.a.
Länge. 65 Minunten
Verleih: n.n.

2 Antworten auf „Ein kurzer Film über die Toten“

  1. „Rammbock“ ist beim Filmfestival Achtung Berlin mit dem new berlin film award für den besten Spielfilm ausgezeichnet worden.

    Herzlichen Glückwunsch für diese meines Erachtens hochverdiente Auszeichnung!

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