Spielzeug altert nicht

Kinder werden älter, und einst geliebtes Spielzeug wird überflüssig. Diese Erkenntnis ist den Filmen der „Toy Story“-Filmreihe, Erfolgsfranchise und Gründungsmythos des bedeutendsten amerikanischen Trickfilmstudios der Gegenwart, Pixar Animations, nichts Neues, sondern im Gegenteil jenes Thema, das sie vom ersten Moment an immer wieder aufs Neue umgetrieben hat. Schon in John Lasseters „Toy Story“ (1995) stand die Angst des unangefochtenen Lieblingsspielzeugs, der seinerzeit bereits einigermaßen anachronistischen Cowboypuppe Woody, gegen den batteriebetriebenen Space Ranger Buzz Lightyear ausgetauscht zu werden, im Mittelpunkt – die Versöhnung zwischen Klassizismus und Modernismus am Ende der inhaltlichen wie ästhetischen Synthese aus Disney’schen Erzählstrategien und Pixars CGI-Animationstechniken. Das in Zusammenarbeit mit den Coregisseuren Ash Bannon und Lee Unkrich inszenierte Sequel „Toy Story 2“ (1999) stellte dann bereits die unsichere Zukunft der Spielzeuge in den Mittelpunkt, als Woody sich für das endliche Glück mit dem langsam aufwachsenden Andy gegen die dauerhafte, aber auch sterile Existenz als Ausstellungsstück im Spielzeugmuseum entscheiden musste. In Lee Unkrichs „Toy Story 3“ tritt nun das Unausweichliche ein: Andy ist erwachsen und beginnt ein College-Studium. Die Spielzeuge müssen sich einer gnadenlosen Auslese stellen: Müllsack, Dachboden – oder Spende für einen Kindergarten und somit eine Zukunft ohne ihr geliebtes Kind.
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»Best Dream in the History of Dreams«

Der Videoclip-Regisseur Spike Jonze hat in zahlreichen Spielfilmen sein Talent als Erzähler skurriler Geschichten bewiesen. Zusammen mit Michel Gondry hat er die Filmästhetik um maßgebliche Ästhetiken des Musikvideos bereichert, dabei jedoch eine ganz eigene Sprache gefunden. Diese findet sich quasi kondensiert in seinem neuesten Werk, einem 30-minütigen Kurzfilm mit dem Titel „I’m Here“, der die Liebesgeschichte zweier Roboter in an „absolut world“ erzählt. Der Untertitel verrät bereits, dass es sich um einen Werbefilm handelt – für die Wodka-Marke „Absolut“; vom Getränk selbst ist in „I’m Here“ zum Glück nichts zu sehen. Jochen Werner und Stefan Höltgen haben den Film zusammen gesehen und einen Videopodcast dazu erstellt:

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Ein kurzer Film über die Toten

Ein Zombiefilm aus Deutschland – das ruft ungute Erinnerungen an jüngere („Die Nacht der lebenden Loser“) und ältere (Andreas Schnaas‘ „Zombie 90“ und Ähnliches) Versuche auf dem Gebiet wach. Entweder wurden Zombiefilme hierzulande zum Experimentierfeld von Splatter-Newbies, die ihren großen „Vorbildern“ nacheifern wollten, oder das Motiv wurde, wie fast jedes andere Motiv auch, der Sexual-Verzotung anheim gestellt. Wer mit derlei Erwartungen in „Rammbock“ geht, wird allerdings im positivsten Sinne enttäuscht, denn Regisseur Marvin Kren und sein Drehbuchautor Benjamin Hessler versuchen weder etwas neu zu erfinden, noch etwas zu transzendieren, was schon Dutzende mal zuvor schief gegangen ist: Sie übertragen das Motiv einfach auf einen Berliner Hinterhof und machen das, was im Grunde jeder Zombiefilm macht: Sie bebildern mit den Untoten einen sozialen Konflikt.

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Flöhe im Waschbärpelts

Der italienische Regisseur Dario Argento gehört zu denjenigen Filmemachern, deren kontinuierlicher Output das Gesicht des europäischen Genrefilms seit über drei Jahrzehnten mitbestimmt. Angefangen als typischer Vertreter des „Giallo“-Thrillers in den frühen 1970er Jahren über Horrorfilme in den 1970er und 1980er Jahren bis hin zu Horror- und Mysterystoffen, die Argento bis heute inszeniert, zählt er sicherlich zu den „Masters of Horror“ und damit zur Reihe illustrer Regisseure, denen der Produzent Mick Garris seit 2005 eine Kurzfilmreihe widmet. In dieser dürfen sich Genregrößen wie Stuart Gordon, Joe Dante, Tobe Hooper, John Carpenter und einige andere an knapp einstündigen Kurzfilmen versuchen, die oft die spezifische Handschrift, die die Macher in ihrer Karriere entwickelt haben, aufgreift und in der „kleinen Form“ verdichtet. Gerade das ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend desaströser geratene Alterswerk Argentos zeigt in beiden bislang von ihm inszenierten „Masters of Horror“-Episoden deutlich, dass diese Hommagen nicht immer ihren Zweck erfüllen.

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Lost and Found

Das Festival präsentiert die Früchte der Saat, die es im letzten Jahr ausgeworfen hat: Lost and Found, im Forum als Eröffnungsfilm zu sehen, ist ein Omnibusfilm, dessen einzelne jungen Regisseure auf dem letztjährigen Berlinale Talent Campus zueinander fanden. Die Anregung zur Kurzfilmsammlung stammt von Nikolai Nikitin, unter anderem Herausgeber des Schnitt, und entsprechend dessen Leidenschaft für das Kino Osteuropas ist Lost and Found eine Bilanz jungen Filmschaffens auf dem Balkan und den Anrainerstaaten geworden. Ergänzt wurde die Talentschau durch den Kurzfilmpreisträger des letzten Jahres und einen Zusammenhang stiftenden Animationsfilm nutzt man als Scharnier und Rahmung des fertigen Pakets.
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Die Fluchtlinien des Textes und die Grenzen des Films

Das Misstrauen der Philosophie gegenüber der medialen Vermittlung philosophischen Wissens ist wohl ebenso alt, wie die Philosophie selbst. Und die Liste der Vorwürfe, die gegen die „Träger des Gedankens“ vorgebracht worden sind, ist bekanntlich lang: Die Rhetorik trügt und blendet, die Metapher verführt, die Schrift macht vergessen und nicht zuletzt das Bild ist ein minderwertiges Erkenntnismedium, dem nicht zu trauen – vor allem – nichts zuzutrauen ist.
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