Flöhe im Waschbärpelts

Der italienische Regisseur Dario Argento gehört zu denjenigen Filmemachern, deren kontinuierlicher Output das Gesicht des europäischen Genrefilms seit über drei Jahrzehnten mitbestimmt. Angefangen als typischer Vertreter des „Giallo“-Thrillers in den frühen 1970er Jahren über Horrorfilme in den 1970er und 1980er Jahren bis hin zu Horror- und Mysterystoffen, die Argento bis heute inszeniert, zählt er sicherlich zu den „Masters of Horror“ und damit zur Reihe illustrer Regisseure, denen der Produzent Mick Garris seit 2005 eine Kurzfilmreihe widmet. In dieser dürfen sich Genregrößen wie Stuart Gordon, Joe Dante, Tobe Hooper, John Carpenter und einige andere an knapp einstündigen Kurzfilmen versuchen, die oft die spezifische Handschrift, die die Macher in ihrer Karriere entwickelt haben, aufgreift und in der „kleinen Form“ verdichtet. Gerade das ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend desaströser geratene Alterswerk Argentos zeigt in beiden bislang von ihm inszenierten „Masters of Horror“-Episoden deutlich, dass diese Hommagen nicht immer ihren Zweck erfüllen.

„Pelts“ ist das jüngste Werk Argentos betitelt, das er – nach dem Kurzfilm „Jenifer“ in der ersten „Masters of Horror“-Staffel – der Nachfolgereihe beisteuert. Darin wird die Geschichte eines von einer Prostituierten (Ellen Ewusie) besessenen Pelzhändlers (Meat Loaf) erzählt, der glaubt, die Frau mit Hilfe eines eigens für sie geschneideterten Waschbär-Pelzmantels gewinnen zu können. Was er nicht ahnt, ist, dass die Waschbären, die ihr Fell für den Mantel lassen mussten, in Wirklichkeit Waldgeister sind, die jeden, der mit den Fellen in Berührung kommt, auf grausame Weise zum Suizid treiben. Zuerst bringen sie den Pelzjäger (John Saxon) und seinen Gehilfen dazu, sich umzubringen, dann eine Näherin, die mit der Erstellung des Mantels beschäftigt ist und schließlich – die Moral der Geschichte will es so – den Pelzhändler.

Es mag vielleicht an den besonderen Produktionsanforderungen eines Kurzfilms liegen, dass Argento es nicht einmal gelingt, seine Hauptfiguren innerhalb einer Filmstunde so zu motivieren, dass man deren Handlungen nachzuvollziehen im Stande ist. Nicht auf die Form abwälzbar sind jedoch die anderen Ärgernisse, die sich der Regisseur in „Pelts“ leistet und die bei einem völlig verquasten Rhythmus im Erzählfluss beginnen und bei lächerlichen Spezialeffekten enden. Das alles wäre ja – wie etwa einer von Argentos letzten Langfilmen „The Card Player“ – als Trash erträglich und goutierbar, wenn er nicht dem Glauben verfallen wäre, seine eigenen Vorstellungen von gelungener kontrapunktischer Horror-Inszenierung würden auch die Nerven seiner Zuschauer treffen. Wie schon in „Jenifer“ regrediert Argento in Momenten größter Gewalt und brachialsten Horrors, schaltet das Schnitttempo zurück, weidet sich in langen Einstellungen an Szenen, die man seit Jahrzehnten zur Genüge im Horrorkino gesehen hat, und unterlegt das auch noch mit einem süßlichen Lalala-Frauengesang, der überaus albern wirkt und dem Betrachter die Fremdschamesröte ins Gesicht treibt.

An „Pelts“ zeigt Argento leider einmal mehr, dass ihm über die Jahrzehnte des Filmemachens nicht nur der Einfallsreichtum als Künstler, sondern auch das Gespür für halbwegs passable Stories ausgegangen ist – ein solches Drehbuch hätte er sonst abgelehnt. „Jenifer“ und „Pelts“ sind Kurzfilm-Zeugnisse dieses schon beinahe erschütternden Niedergangs und man empfindet Mitleid mit Argento, weil er selbst gar nicht merkt, wie lächerlich er sich mit solchen Filmen macht und wie schlecht er beraten damit ist, trotz offenkundigen Schwindens an filmerischem Gespür und Talent immer weiter zu machen. Im Rahmen einer Kurzfilmreihe wie „Masters of Horror“ mag man als Zuschauer vielleicht darüber hinwegsehen können – gerade in Anbetracht der hervorragenden Qualität anderer Folgen (anderer Regisseure). Aber die nächsten Langfilmprojekte Argentos stehen bereits auf dem Plan …

Pelts
(USA/Kanada 2006)
Regie: Dario Argento; Buch: Matt Venne; Musik: Claudio Simonetti; Kamera: Attila Szalay
Darsteller: Meat Loaf, John Saxon, Ellen Ewusie, Link Baker u.a.
Länge: 58 Minuten
Verleih: Splendid

Die DVD von Splendid

Über Bild und Ton der DVD kann man sich nicht beschweren; der Film musste angesichts seiner Kürze ja auch keinerlei nennenswerte Kompressionsverluste erleiden. Die Frage allerding, warum überhaupt ein Kurzfilm aus einer Reihe wie „Masters of Horror“ und zudem in einer solchen Aufmachen (als Metallbox) einzeln veröffentlicht wird, muss schon einmal gestellt werden. Vor allem angesichts der ästhetischen Qualität von „Pelts“ bekommt man den Eindruck, hier habe ein nachträglicher Veredelungsprozess stattgefunden. Nun, die Fans der Serie und des Regisseurs wird es freuen, zumal die DVD über einiges Bonusmaterial verfügt, dass den Kaufpreis der Einzelveröffentlichung dann vielleicht doch rechtfertigt.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 16:9 (1,78:1)
Ton: Englisch/Deutsch (DD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Audiokommentar von Dario Argento, Special Effects, Making of, Feshing it out – The Making of Pelts, Bellissima – In the Spotlight, Cutting Edge
FSK: keine Jugendfreigabe
Preis: 12,95 Euro

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