Kein Sammelobjekt

Mit „The Collector“ scheint der brachiale Folter-Horror nun endgültig im Mainstream angekommen zu sein – und das ist keineswegs negativ gemeint: Filme wie „Saw„, „Hostel“ und nicht zuletzt die französischen „Vorbilder“ eines Regisseurs wie Alexandre Aja könnten Pate für Marcus Dunstans Regiedebüt „The Collector“ gestanden haben. (Eine Verbindung, die nicht von ungefähr kommt, hatte Dunstan doch die Drehbücher der letzten drei „Saw“-Filme geschrieben!) Dass er durchaus an diese Vorbilder heranreicht und seine Erzählung der Gewalt geschickt variiert, wird nicht nur durch das recht packende Erlebnis der Wiederbegegnung mit dem Film auf Blu-ray-Disc verdeutlicht, sondern auch dadurch, dass der Film übel zusammengeschnitten werden musste, um überhaupt eine Freigabe für Erwachsene zu erhalten.

Das Erzählparadigma von „The Collector“ ist so knapp, wie man es bei einem auf dieses Thema fokussierten Film erwarten können muss: Eine reiche Familie lässt ihr Haus renovieren. Einer der Handwerker ist zugleich Safeknacker und will sich auf diese Weise Zugang zum Haus und zum Reichtum der Familie verschaffen (um – das ist wichtig, um ihn als den Helden zu skizzieren – seiner eigenen Familie aus der Klemme zu helfen). Ein anderer Handwerker, und das kommt erst sehr viel später heraus, will sich ebenfalls Zugang zum Haus verschaffen: Er ist ein Serienmörder, der in Häuser eindringt und alle Bewohner ermordet – bis auf jeweils einen, den er als Sammelobjekt mit zu seinem nächsten Tatort nimmt. Dass diese beiden Antagonisten zufällig aufeinandertreffen und die im Haus anwesende Familie, die zur Hälfte versteckt, zur Hälfte gefesselt im Keller ist, zum Spielball der Interessen wird, macht den dramatischen Kern des Films aus.

Und dieser Film ist nach allen Regeln der Horrorfilm-Kunst erzählt und inszeniert. Besonders beeindrucken die oft schiefen, immer aber markanten Kameraeinstellungen, die die tödliche Nähe der Figuren zueinander – oft trennt nur eine Tür sie voneinander – versinnbildlichen, zugleich aber auch den Suspense in ungeahnte Höhen treiben. Dass in der Dunkelheit des Hauses das schwach ausgeleuchtet Bild zur Falle für das Auge des Zuschauers wird, verdoppelt dabei auf sarkastische Weise die vom Killer überall im Haus aufgestellten Trickfallen, denen einige der Bewohner zum Opfer fallen. Die oft einzige Lichtquelle sind die Augen des Serienmörders, von denen ein unheimliches Leuchten ausgeht (das an den Reflex der Roboter-Augen in „Westword“ erinnert und die Unheimlichkeit des völlig schweigsamen Killers nur noch steigert). Unterstützt werden diese Bilder vom elektronischen Soundtrack des Nine-Inch-Nails-Mitmusikers Jerome Dillon, der „The Collector“ damit auch akustisch an seine Vorbilder anschließt, die von Elektronik-Musikern wie François Eudes-Chanfrault („High Tension“, „À l’intérieur“) oder des Duos Tom Hajdu und Andy Milburn („The Strangers„, „The Hills have Eyes„) bestimmt werden.

„The Collector“ wäre also durchaus ein lohnenswertes Sammlerobjekt für denjenigen, der sich für die Entwicklung des neuen Horrorfilms interessiert, nimmt er die Ästhetiken seiner Vorgänger doch inspiriert auf, ohne sie bloß zu wiederholen. Ihm gelingt es, das Motiv der Destruktion des Privaten, wie es für das „Genre“ bestimmend ist, noch einmal zu verdichten. Nun ist die in Deutschland erschienene Fassung allerdings um beinahe zwei Minuten gekürzt worden, was angesichts der Gewaltdarstellungen (die man ungekürzt etwa auf den diesjährigen Fantasy-Filmfest-Nights ansehen durfte) schon beinahe abzusehen war. Peinlicherweise finden sich einige der gekürzten Sequenzen im Epilog des Films wieder, in dem die Darsteller noch einmal in Vorher-Nachher-Bildfolgen als lebende und ermordete Figuren auftauchen. Für Zartbesaitete wäre der Film ohnehin kaum zu empfehlen – nicht einmal in dieser gekürzten Fassung. Die eher hartgesottenen Zuschauer wissen ohnehin, wo sie ihn in einer integralen Fassung bekommen können.

The Collector
(USA 2009)
Regie: Marcus Dunstan; Buch: Patrick Melton, Marcus Dunstan; Musik: Jerome Dillon; Kamera: Brandon Cox; Schnitt: Alex Luna, James Mastracco, Howard E. Smith
Darsteller: Josh Stewart, Michael Reilly Burke, Andrea Roth, Juan Fernández, Karley Scott Collins, Daniella Alonso u. a.
Länge: ca. 88 Minuten
Verleih: Splendid

Die Blu-ray-Disc von Splendid

Einmal davon abgesehen, dass die deutsche Blu-ray-Disc stark gekürzt ist, ist die Umsetzung des Films überaus gelungen. Gerade bei dunklen, kontrastarmen Bildern, wie sie in Filmen wie „The Collector“ zum stilbildenden Merkmal gehören, ist die Bildqualität wichtig. Und auch die Tonabmischung auf „DTS-HD 5.1“ leistet hier einiges zur Wirkung des Films.

Die Ausstattung:

  • Bild: 2.35:1/16:9 (anamorph), Full-HD 1080p/24p
  • Ton: Deutsch & Englisch (DTS-HD 5.1)
  • Untertitel: Deutsch
  • Extras: Alternatives Ende, Deleted Scenes, Musik-Video
  • FSK: ab 18 Jahren
  • Preis: 16,99 Euro

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