Der Berg flucht!

Mit Survival-Horror-Spielen für Nitendos Wii-Konsole ist es nicht so weit her. Zuletzt sind Titel wie „Ju-on“ oder „Silent Hill: Shattered Memories“ beim Versuch, das Genre für die eher beschränkten audiovisuellen Möglichkeiten der Konsole zu adaptieren und dabei deren Stärke, die Bewegungssteuerung, zu integrieren, gescheitert. Umso gespannter durfte man auf einen neuen Titel des Genres sein, der von Koch Media im Fahrwasser des dort ebenfalls kürzlich erschienenen Bergsteiger-Backwood-Horrorfilms „High Lane“ angekündigt wurde – und der deshalb auch hier als Paratext des Films vorgestellt werden kann: „Cursed Mountain“. Dass das Spiel dann doch kaum etwas mit dem Film zu tun hat, kann angesichts seiner recht ausgefeilten, „filmreifen“ Dramaturgie allerdings vernachlässigt werden.

Der Spielplot von „Cursed Mountain“ bedient sich des Bergsteiger-Dramas: Eric Simmons, der international bekannte Bergsteiger, ist auf der Suche nach seinem jüngeren Bruder Frank, der von einer Expedition in den Himalaya nicht zurückgekehrt ist. Vieles spricht dafür, dass Frank noch lebt: Auf der Suche nach ihm entdeckt Eric Tagebuchaufzeichnungen und Ausrüstungsgegenstände, die über verschiedene Orte am Fuße des Chomolonzo verstreut sind. Er stellt aber auch fest, dass ein unheimlicher Fluch fast alle Menschen, die in der Nähe des Berges leben, getötet hat. Mühsam arbeitet er sich über steile Pfade und in den Fels geschlagene Treppen nach oben – beständig bedroht von Geisterwesen oder riesigen geierartigen Vögeln.

Die erzählerischen Versatzstücke aus Bergsteigerfilm (hier finden sich Allusionen an das Drama der Brüder Messner am Nanga Parbat) und Geisterfilm verwebt das Spiel geschickt zu einer dichten Atmosphäre. Erinnert anfangs vieles – insbesondere die schwebenden Geister-Gegner – an Spiele wie „Silent Hill“ (hier insbesondere den vierten Teil), was durch die Möglichkeit des „dritten Auges“, mit dem man eine Geisterwelt hinter der richtigen Welt sehen kann, noch verstärkt wird, so gewinnt das Spiel jedoch bald einen ganz eigenen Charakter. Das liegt vor allem an der gelungenen Integration buddhistischer Motive, von der Ausstattung der Spielorte bis hin zur gewählten Musik, die zwar die Klaviatur des Horrorsounds rauf und runter spielt, dabei jedoch Glocken, Mönchs-Gesänge und den „typischen Sound“ der Bergwelt integriert. Die Stimmung wird durch die Lichtsetzung doppelt unterstrichen: Nebelige Flächen und rauchige Räume wechseln sich mit sonnendurchfluteten, aber menschenleeren Gassen ab. Überall wehen an Leinen aufgezogene bunte Wimpel im scharfen Bergwind. Besser lässt sich der Eindruck einer ausgestorbenen und verfluchten Bergwelt kaum vermitteln.

Und auch die Steuerung des Spiels bedient sich der Wii-Mote und des Nun-Chucks auf ganz andere Weise als die eingangs erwähnten schlechten Beispiele des Genres. Hatte man dort noch den Eindruck gewinnen können, das Spiel sei um die Steuerung herum programmiert worden, so werden die Moves in „Cursed Mountain“ wohldosiert eingesetzt – etwa beim Einsatz von Zaubergesten, mit denen Feinde vernichtet werden können. Für alle anderen Aktionen reichen der Analog-Stick des Nun-Chucks, dessen beide Tasten sowie die A- und B-Tasten der Wii-Mote. Mit diesen steuert man den Lauf der Figur, die Perspektive (die lässt sich über weitere Tasten variieren, was – wie bei den meisten Spielen – eher ein Gimmick als eine nützliche Funktion darstellt) und die Kampfaktionen. Für diese steht einem ein Eispickel, der nach und nach mit magischen Erweiterungen ausgestattet werden kann, zur Verfügung.

Das Gegner-Konzept des Spiels ist vielleicht dessen einzige Schwachstelle: Allzu leicht lassen sich die Zombies und Geister, selbst wenn sie in Horden auftauchen, vernichten. Und auch der riesigen Geier wird man schnell Herr, wenn man ihre Schwächen kennt und sich beispielsweise strategisch in eine Nische zurückzieht. Ansonsten wird das Gameplay vom Hin- und Herlaufen bestimmt. Ständig ist man auf der Suche nach Schlüsseln für verschlossene Türen, nach geheimen Symbolen, die es in der richtigen Reihenfolge zu kombinieren gilt, oder nach Schreinen, in denen man die ausreichend zur Verfügung stehenden Räucherstäbchen entfachen kann, um auf magische Weise die eigene Lebensenergie zu vergrößern. Die Adventure-Elemente, die „Cursed Mountain“ hier nutzt, sind aus Dutzenden anderen Spielen bekannt – das sorgt allerdings weniger für Langeweile als dass es die Möglichkeit eröffnet, sich besser auf die Atmosphäre des Spiels einzulassen. Die zahlreichen Tagebucheinträge und Buchfragmente, die man hier und dort einsammeln kann, liest man dann allerdings doch bald nicht mehr, wenn man merkt, dass sie für den Spielverlauf unerheblich sind.

Kletterpartien, wackelige und einstürzende Hängebrücken über tiefen Schluchten sowie Steinschlag gibt es in „Cursed Mountain“ natürlich auch. Sie machen den Bergsteiger-Anteil des Spiels aus und haben das Marketing wohl auch dazu verlockt, „High Lane“ in Verbindung damit zu bringen. Bemerkenswert wären vielleicht auch noch die Cut-Scenes, die sich hier verschiedener Collage-Techniken und Zeichentrick-Verfahren bedienen, um die Hintergrundgeschichte der beiden Brüder und des Verschwindens von Frank peu à peu aufzuklären. In ihrer Farbarmut und Körnigkeit passen diese Passagen perfekt zwischen die übrigen Bilder des Spiels. Mit „Cursed Mountain“, dem ersten Spiel der österreichischen Entwicklerfirma Deep Silver Austria, liegt also ein ernstzunehmendes Horror-Spiel vor, das die Möglichkeiten der Wii behutsam nutzt und sich ansonsten eher darauf besinnt, eine gruselige Spiel-Atmosphäre zu schaffen.

Cursed Mountain
(D/Ö 2009)
Gestalterische Leitung: Gunter Hager; Tongestaltung und Komposition: Darren Lambourne; Videoleitung: Bernhard List; Drehbuch: Bob Bates; Künstlerische Leitung: Wolfram Neuer; Animationsleitung: Tim Meredith, Reinhard Schmid
Studio: Deep Silver GmbH
Vertrieb: Koch Media
USK: ab 16 Jahren
Pries: 19,99 Euro

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