Operation misslungen, Patient lebt

Für Eli Roth war „Cabin Fever“ ein Einstand nach Maß: Aufgrund der Verbindung des Regisseurs mit David Lynch mit einigen Vorschusslorbeeren gestartet, entwickelte sich der Film zum Love-it-or-hate-it-Phänomen, schienen sich die positiven und negativen Stimmen gegenseitig anzustacheln und überbieten zu wollen. Die so entfachte Meinungsschlacht stand kaum noch in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Qualität des Films, den man unter anderen Umständen wahrscheinlich einfach egal gefunden hätte, so aber mindestens als Geniestreich, Kultklassiker oder filmisches Verbrechen titulieren musste, um gehört zu werden. Für Roths weiteren Werdegang mit „Hostel“ und „Hostel 2“ kann man diese Rezeptionsgeschichte als treffenden Prolog verstehen und auch für den Vertrieb Lions Gate hätte „Cabin Fever“ der Startschuss für ein neues erfolgversprechendes Franchise sein können.

Doch alles kam anders: Nachdem „Cabin Fever: Spring Fever“ zwei Jahre lang unter Verschluss gehalten wurde, erscheint er nun in einer auf Geheiß der Produktionsfirma umgeschnittenen Fassung, mit der Regisseur Ti West laut eigenem Bekunden und verständlicherweise alles andere als glücklich ist. Einen Film im Stile von John Waters oder Todd Solondz habe er im Sinn gehabt, ein vollkommen untypisches Sequel: Pläne, die Lions Gate zunächst unterstützte, dann jedoch zunehmend Abstand von ihnen nahm. Zum Glück ist es ihnen trotz aller Bemühungen nicht gelungen, dem Film die von West intendierte Merkwürdigkeit vollkommen auszutreiben: Aller sichtbarer und wohl auch unvermeidbarer Inkonsistenzen zum Trotz erkennt man in ihm ohne Zweifel das Potenzial, das West in seinem aktuellen – nun ganz seinen Vorstellungen entsprechenden – Film „The House of the Devil“ unlängst unter Beweis gestellt hat. „Cabin Fever: Spring Fever“ vereint wie schon sein Vorgänger Elemente des Horrorfilms und der Teeniekomödie. Während Roth jedoch beide Bestandteile mehr oder weniger unverbunden nebeneinander stellte – der komödiantischen ersten Hälfte folgt die splatterige zweite –, werden diese im Sequel mit verblüffendem Effekt vermischt. So mündet der an das Ende des Originals anknüpfende Prolog unmittelbar in eine Cartoon-Creditsequenz, die in naiv gezeichneten Bildern den Weg des verseuchten Wassers an den Schauplatz des Filmes verfolgt: eine Highschool, die mitten in den letzten Vorbereitungen zur Prom Night steckt. Die Schüler dort haben also nicht mehr nur mit den typischen Problemen der Adoleszenz zu kämpfen, sondern bald auch mit einem fleischfressenden Virus und dann schließlich mit dem Staat, der das Schulgebäude kurzerhand und ohne Rücksicht auf Überlebende abriegeln lässt, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Doch dafür ist es den Gesetzen des Genres zufolge natürlich schon zu spät.

Dieses nun alles andere als aufregende Szenario erfährt durch die unkonventionellen Einfälle Wests eine Frischzellenkur. Die Optik des Films ist – ganz entgegen seinem Sujet – roh, ungestriegelt und preiswert, sowohl seine Darsteller als auch seine Figuren sind allesamt ein Quentchen weniger glatt als man das aus Filmen dieser Art gewohnt ist, und die Direktheit, mit der sich Teenieromantik, Ekeleffekte, Klamauk und echter Horror die Hand geben, erwischt einen bei Betrachtung mehr als einmal auf dem falschen Fuß. Kaum hat man es sich in einem anscheinend typisch harmlosen Vertreter des Funsplatter-Genres gemütlich gemacht, wird man von einer überaus unangenehmen Szene aus der zufriedenen Lethargie gerissen: Der unschuldige Spaß ist spätestens vorbei, wenn eine schwangere Highschool-Schülerin auf dem Fußboden der Schultoilette eine virenbedingte Fehlgeburt erleidet. West inszeniert dies erstaunlicherweise nicht bloß als tabubrechenden Gross-out-Moment, ihm gelingt es, tatsächlich zu schockieren und zu berühren. Ganz ähnlich funktioniert eine andere Szene, in der eine übergewichtige Schülerin Opfer eines bösen Streiches wird: Anstatt sich in den Niederungen des Dickenhumors oder aber in heuchlerischen „Wahre Schönheit kommt von innen“-Predigten zu verlieren, zeigt West in seinem unverkrampften Umgang echte Zuneigung zu dieser Figur, die andernorts zur bloßen Lachnummer degradiert worden wäre. In diesem Rahmen erscheinen auch die deutlichen Mängel in einem anderen, positiveren Licht. Das angeklebt wirkende und unbefriedigende Ende (wieder ein Cartoon) entlässt den Zuschauer mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, ebenso wie der unvermittelte Abgang diverser Protagonisten. Überhaupt ist es in dieser finalen Form schwierig zu erkennen, wen West als eigentliche Hauptfigur vorgesehen hatte.

Es wäre wünschenswert, dass man irgendwann einmal Wests Schnittfassung zu Gesicht bekäme, um solche Fragen zu klären. Bis dahin muss man sich mit „Cabin Fever: Spring Fever“ zufrieden geben, einem der schönsten Nerd-Horrorfilme der letzten Jahre. Ich hoffe auf entsprechende Reaktionen: siehe oben.

Cabin Fever: Spring Fever
(USA 2009)
Regie: Ti West; Drehbuch: Joshuia Malkin; Musik: Ryan Shore; Kamera: Eliot Rockett; Schnitt: Janice Hampton
Darsteller: Rider Strong, Noah Segan, Alexander Isaiah Thomas, Giuseppe Andrews, Alexi Wasser
Verleih: Sunfilm

Dieser Text erschien zuerst in Splatting Image #80.

2 Antworten auf „Operation misslungen, Patient lebt“

  1. Also Zuneigung zu seinen Figuren möchte ich Ti West nicht zusprechen. In meinen Augen ging es in Cabin Fever 2 um bloße Zurschaustellung, Ekelerregung und Demütigung. Ein mieser Film, der so gar nichts außer Flachheit und Dummheit besitzt. House of the Devil ist da ein gänzlich anderes Kaliber. Im positiven Sinne.

  2. Das musst du auch nicht. Ich habe den Film anders gesehen als du. Diese simple Tatsache sowie die apodiktischen Härte deines Satzes „Ein mieser Film, der so gar nichts außer Flachheit und Dummheit besitzt. „, den du gar nicht erst mit Argumenten zu unterfüttern müssen glaubst, stellen deine Meinung auf wacklige Füße. Ich vermute, du hast vor diesem Film einfach „zugemacht“. Das ist dein gutes Recht. Nur steht das einer sachlicheren Bewertung im Weg.

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