A Nightmare at Melrose Place

Am Anfang wähnt man sich zunächst für ein paar Minuten in „A Nightmare at Melrose Place“. Der Vorspann, die Settings, die Ausleuchtung, die jugendlichen Protagonisten – all das ist auf jene Weise hochgestylt, die Produzent Michael Bay in den 1990er Jahren in das Blockbusterkino eingebracht hat und die im Grunde heute schon hoffnungslos gestrig wirkt. Aber, es wird besser: nur ein bisschen besser zwar, und es dauert auch eine Weile, bis sich dies in Samuel Bayers Remake von Wes Cravens Klassiker „A Nightmare on Elm Street“ von 1984 – einem der besten amerikanischen Filme der 1980er Jahre – bemerkbar macht. Dennoch wird offensichtlich, dass Bayer das Remake-as-usual-Business der Bay’schen Produktionsschmiede Platinum Dunes, die vom „Texas Chainsaw Massacre“ bis zu „The Last House on the Left“ nach und nach den Kanon des sozialkritischen 70er-Jahre-Splatters geglättet und für ein gegenwärtiges Popcornpublikum aufgehübscht hat und nun also in der Folgedekade angekommen ist, hier nicht so ganz mitmachen mag.

Zunächst einmal schlägt sich das in der Emphase auf ein eher unglamouröses Heldenpärchen nieder: Nachdem die Barbiepüppchen und die Jocks unter den Protagonisten vom hier bereits in der Pre-Credit-Sequenz auftretenden und leider in diesem konsequenten Zeigegestus auch ein wenig seines Geheimnisses beraubten Freddy nach und nach um die Ecke gebracht wurden, konzentriert sich die Erzählung auf die zurückgezogene und leicht soziopathische Nancy und den linkischen Quentin. Diese leicht defekten Figuren passen dann auch gut in die neue Backstory, die man dem diabolischen Freddy Krueger hier verpasst hat. Bayer formuliert hier nämlich aus, was bei Craven eher unter der Oberfläche mitschwang und zeichnet Krueger, der auch in menschlicher Gestalt in Rückblenden auftritt, als einen pädophilen Sexualstraftäter, der sich, verborgen hinter der Fassade des netten Hausmeisters eines Kindergartens, einst an den Protagonisten verging und von deren Eltern lebendig verbrannt wurde. Damit verändert sich natürlich auch das gesamte Arrangement des Films: War die absolut fatalistische Ausweglosigkeit von Cravens Film noch wesentlich auf das Konzept der Erbsünde gegründet, und waren die Jugendlichen dort diejenigen, die für die Schuld ihrer entfremdeten Eltern zur Verantwortung gezogen wurden, so wird die Sache hier persönlicher, da Freddy sich eher auf einem Rachefeldzug gegen seine einstigen Opfer befindet, die ihr Schweigen über das ihnen Zugestoßene gebrochen und so den Vergeltungsschlag ihrer Eltern unbewusst veranlasst haben.

Diese tiefgreifende Verschiebung in der Bedrohungsstruktur des Films lässt dann auch die Entfremdung und Kommunikationslosigkeit zwischen Eltern und Kindern, die das eigentliche Thema von Cravens Film darstellt, aus dem Fokus geraten – tatsächlich verdreht er sie schlussendlich gar in Gegenteil. Bei Craven war das familiäre Band noch irreparabel zerschnitten, die Kinder unerlöst im Schatten der Schuld ihrer Erzeuger, und eingesperrt in den immer mehr zu Gefängnissen werdenden Häusern der Elm-Street-Vorstadtwelt. Samuel Bayer hingegen lässt die Generationen zunächst auseinander treiben über dem Mysterium dessen, was einst – im (Zeit-)Raum des Vergessenen und Verdrängten – wirklich geschehen ist, um dann die Jugendlichen immer mehr in die Fußstapfen ihren Eltern zu drängen, bis am Ende im Zeichen der Flammen der Sündenfall der Elterngeneration von ihren Kindern symbolisch erneut ausagiert wird. Der abschließenden Solidarisierung von Tochter und Mutter, die ja „nur das Beste“ für ihr Kind wollte, hat Bayer dann nur noch eines entgegenzusetzen – Freddys Krallenklaue nämlich, die derlei fragile, auf Lüge, Verdrängung und Selbstgerechtigkeit gegründete Familienbande ohne Erbarmen zerschlitzt …

Es ist ein bisschen schade, dass Bayers „A Nightmare on Elm Street“ diese hochinteressanten Verschiebungen gegenüber der Vorlage nicht etwas besser in eine filmische Form zu gießen versteht. Leider nämlich funktioniert seine Variation auf Freddys Geschichte als eigenständiger Film eher nicht so gut. Zwar sitzen die Schockeffekte, trotz ihrer oft durchsichtigen Inszenierung, recht gut, doch findet der Film nie zu einem eigenen Rhythmus und verfügt, das vielleicht im Vergleich zu Cravens Vorlage der bedeutendste Mangel, über nur wenig Gespür für Topographie. Was von Cravens Film im Gedächtnis bleibt, das sind in erster Linie die Orte des Geschehens: das alte Stahlwerk, die Einfamilienhäuser, die zu Gefängnissen werden, die surreal verformten Traumwelten. Bayer opfert den ruhigeren Rhythmus, dessen es bedarf, um den Zuschauer in diese konkreten wie irrealen Räume eintreten zu lassen, einer zügigeren (und damit wohl angeblich zeitgemäßen) Erzählweise, die aber die Welt des Films ins Oberflächliche, Ungreifbare entrückt. Erst gegen Ende gelingen ihm, der ja einst mit dem Videoclip zu Nirvanas „Smells like Teen Spirit“ immerhin eine Reihe der prägenden Bilder der Popkultur der 90er Jahre fand, einige etwas nachhaltigere visuelle Impressionen. Insgesamt muss man also seiner Adaption von „A Nightmare on Elm Street“ eine ambitionierte Herangehensweise attestieren, auch wenn das Ergebnis sich qualitativ eher nahtlos zwischen dem vierten und fünften Film der Originalreihe einordnet.

A Nightmare on Elm Street
(USA 2010)
Regie: Samuel Bayer; Drehbuch: Wesley Strick, Eric Heisserer; Kamera: Jeff Cutter; Schnitt: Glen Scantlebury; Musik: Steve Jablonsky
Darsteller: Jackie Earle Haley, Kyle Gallner, Rooney Mara, Katie Cassidy, Thomas Dekker, Kellan Lutz, Clancy Brown u. a.
Verleih: Warner Bros.
Länge: ca. 95 Minuten
FSK: ab 16 Jahren (ungekürzte Fassung)
Kinostart: 20.05.2010

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