[•REWIND]!

Manch einer erinnert sich vielleicht noch an den fulminanten Erfolg, den Robert Schneider 1992 mit seinem Roman „Schlafes Bruder“ feierte: Es war das Debüt-Werk des österreichischen Schriftstellers und für diesen selbst eine nachher unerreichbare Steilvorlage. Sein zweiter Roman, „Die Luftgängerin“ von 1998, reichte bei weitem nicht daran – weder von der Qualität noch vom Erfolg. Nun ist Jaume Balaguerós und Paco Plazas Film „[REC]“ von 2007 zwar weder des einen noch des anderen filmisches Debütwerk, doch in einem gewissen Sinne haben sich beide damit „neu erfunden“ – Balagueró, der mit Horrorfilmen wie „Los sin nombre“, „Darkness“ und „Fragile“ eine kunstvolle Brücke zwischen asiatischen Geisterfilmen und europäischer Gothic Novel baute, schlug in „[REC]“ ganz neue Töne an: authentisierter Medien-Horror, der motivisch auf der neuen Zombiefilm-Welle mitschwimmt, dessen Kern jedoch eine fundamentale Verunsicherung der Sehgewohnheiten seiner Zuschauer bereit hielt: Was wir wissen können, so könnte man eine Erkenntnis aus „[REC]“ destillieren, das wissen wir nur aus den Medien – und was uns die Medien nicht wissen lassen, das wird zum Gegenstand des Grauens.

„[REC]“ hat nicht nur schnell ein US-amerikanisches Remake nach sich gezogen – ein regelrechter „Abklatsch“ mit dem Titel „Quarantine“ von John Erick Dowdle –, sondern war so erfolgreich, dass auch ein Sequel schon bald beschlossene Sache war. Offene Fragen, die in einer Fortsetzung angegangen werden konnten, gab es ja zur Genüge: Was passiert mit der Journalistin Ángela Vidal, nachdem sie von der Erstinfizierten in die Dunkelheit verschleppt wird? Wer findet ihre Kamera und zeigt uns den darauf befindlichen Film „[REC]“? Wie geht es mit der Seuche weiter? Breitet sie sich weiter aus? Und nicht zuletzt: Was hat es mit der seltsamen Wohnung, die voller bio-chemischer Experimentaleinrichtungen, Zeitungsschnipseln und religiösem „Handwerkszeug“ ist, auf sich?

All diesen Fragen geht das Sequel nach – leider, muss man sagen. Der Handlungsort ist noch derselbe, die Handlungszeit schließt nahtlos an den ersten Film an. Eine Militäreinheit, die zum Schutz eines Geistlichen abgestellt ist, betritt das immer noch abgeriegelte Haus, um in besagter Wohnung nach einer biologischen Probe zu suchen, mit deren Hilfe ein Serum hergestellt werden soll. Außerdem gelangen drei Jugendliche über die Kanalisation in das Haus. Die dort immer noch wütenden Infizierten nehmen sich einen nach dem anderen vor. Schließlich stellt der Priester klar, dass es keine Krankheit, sondern „das Böse“ ist, was die Menschen dort infiziert hat und wie, um es den „ungläubigen“ Soldaten zu bestätigen, macht er einen Bluttest bei einem Infizierten, indem er ein Kruzifix in eine Blutlache hält, die pflichtgemäß bei der Berührung mit dem heiligen Holz auseinander spritzt. Schließlich taucht dann auch Ángela Vidal auf – augenscheinlich nicht infiziert – und wird zur „Sprecherin“ für den Priester.

Den Stil eines gefakten Dokumentarfilms hält „[REC] 2“ nur bedingt durch. Anstatt alles, was jenseits des mit der Videokamera eingefangenen Bildquadrates geschieht, zu einem Aspekt des Bedrohlichen werden zu lassen, greift die Fortsetzung lieber auf die genreüblichen Montage- und Inszenierungspraktiken zurück. Die Soldaten haben eine Video-Kamera dabei und zusätzlich auch Kameras an ihren Helmen und Angela bringt ihre eigene Kamera natürlich auch mit: Da steht einem pluriperspektivischen Schnitt- und Schuss-Gegenschuss-Gewitter natürlich keine verengte Perspektive mehr im Weg. Und gleich zu Anfang von „[REC] 2“ wird dann auch noch über die technische Ausstattung debattiert und die „Bild im Bild“-Funktion des optischen Equipments vorgestellt. Diese liefert später mehrfach Bilder, die zu den ungruseligsten gehören, die man sich im Horrorfilm vorstellen kann, weil sie nicht nur zeigen, was jemand gerade sieht, sondern auch das, was er gerade nicht sieht.

Die Art und Weise, wie Balagueró und Plaza die guten Ideen des Vorgängerfilms hier zunichte machen, grenzt eigentlich schon fast an Kunstschändung. Nicht nur glauben sie, dass die offenen Fragen im Vorgängerfilm der Beantwortung bedürfen und stellen damit in Abrede, dass gerade das Nichtwissen und die Ratlosigkeit am Ende von „[REC]“ der Grund für dessen Erfolg gewesen sein könnten. Sie klammern sich bei der Beantwortung derselben zudem so sehr an Klischees, dass man sich schon fragen möchte, ob man den ersten Teil nicht bloß einfach falsch verstanden haben könnte: War „[REC]“ anstelle eines Medien-Horror-Geniestreichs vielleicht nur ein Glücksgriff, der lediglich zur richtigen Zeit in die Kinos kam? Die anhaltende Welle stilistisch ähnlicher Genre-Filme (von „Cloverfield“ bis „Paranormal Acitvities“) hatte sich ja durchaus an Balaguerós und Plazas Film ausgerichtet, der selbst wiederum Ideen aus „Blair Witch Project“ aufgriff und erweiterte. Aber die Fortsetzung ist nicht nur einfallslos, es steht auch zu befürchten, dass es sozusagen „rückwirkend“ auch noch den Vorgänger profaniert. Denn wenn man mit dem Wissen aus „[REC] 2“ nun noch einmal „[REC]“ anschaut, weiß man ja schon, dass sich hinter den unheimlichen Geschehnissen einfach bloß einmal wieder der Teufel verbirgt.

Das zumindest – um zum Ausgangsvergleich zurück zu kommen – ist Robert Schneiders „Schlafes Bruder“ erspart geblieben, denn „Die Luftgängerin“ war keine Fortsetzung davon. Wie man lesen kann, wird ein „[REC] 3“ gerade vorbereitet. Ob Balagueró und Plaza dabei wieder federführend sein werden, steht noch nicht fest. Robert Schneiders dritter Roman „Die Unberührten“ war dann ja auch wieder passabel, weil er einige Motive aus „Schlafes Bruder“ aufgriff, und er wurde wieder eher wohlwollend aufgegriffen – vor allem deshalb, weil man nichts weltbewegendes mehr von ihm erwartet hatte.

[•REC] 2
(Spanien 2009)
Regie & Buch: Jaume Balaguró, Manu Diéz & Paco Plaza; Kamera: Pablo Rosso, Schnitt: David Gallert
Darsteller: Jonathan Mellor, Manuela Velasco, Óscar Zafra, Ariel Casas, Alejandro Casaseca, Pablo Rosso, Pep Molina
Länge: 85 Minuten
Verleih: n. n.

Hören Sie zu „[•REC] 2“ auch unseren Podcast von den Fantasy Filmfest Nights 2010.

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