Natural Boll Killer

Es sei ein Film, den er selbst gern im Kino sehen würde, kündigt Uwe Boll vor der Pressevorführung von „Rampage“ das Folgende an – und derjenige, der das Werk des Wermelskirchner Ausnahme-Regisseurs kennt, dürfte schon das schlimmste ahnen. In der Vergangenheit hat er sich vor allem durch seine filmischen Videospiel-Adaptionen den Ruf eines der schlechtesten Regisseure aller Zeiten erarbeitet – und das hat bei ihm, anders als etwa bei Ed Wood, keineswegs einen liebevollen Unterton. Ungeachtet beinahe vieler ästhetischer Konventionen, aber auch oft genug frei von erzählerischem und filmischem Talent poltert Boll mit Mixups aus Horror, Action, Komödie, Märchen und anderen Filmgenres über die Leinwand und fordert diejenigen Kritiker, die das nicht zu würdigen wissen und ihn in Bausch und Bogen verreißen, auch schon einmal zu einem Box-Duell heraus. „Rampage“ enthält einiges der Boll’schen Wut auf die Filmwelt und ist der Regisseur auch noch so sehr bemüht, seinen Film als Parabel zu verkaufen: Man glaubt es ihm aus verschiedenen Gründen nicht.

Die Story von „Rampage“ könnte einfacher, ja, man möchte sagen: „simpler“ kaum sein: Ein junger Mann, der noch bei seinen Eltern lebt, und sich, anstatt sich am College zu bewerben, als Mechaniker in einer Autowerkstatt verdingt, fasst eines Tages den Entschluss, sich an der Gesellschaft zu rächen. „All talk, no action“ – das will er ändern, also besorgt er sich automatische Waffen, Sprengstoff, Messer und einen kugelsichere Anzug, rüstet sich damit aus und fährt als eine Art „Ninja Turtle“ verkleidet ins Zentrum der Kleinstadt. Hier sprengt er zunächst die Polizeistation in die Luft und erschießt dann einfach jeden, der ihm über den Weg läuft. Na ja, fast jeden: Einen Bingo-Club verschont er, in einem Friseur-Salon richtet er allerdings ein Blutbad unter den verängstigten Frauen an und wo er schon einmal dabei ist, rächt er sich auch gleich für den tags zuvor erlebten schlechten Service in zwei Gaststätten.

Uwe Boll auf der Pressevorführung in Berlin

Was Boll hier „sehen wollte“, ist offenbar ein Täter, dem jede moralische, psychische aber auch erzählerische Motivation für sein Tun fehlt. Er lässt seinen Protagonisten zwischendrin allerdings immer wieder vor einer weißen Leinwand über die Gesellschaft philosophieren, etwa: „Let’s just clean the world.“ und „It’s my own brand of population control.“ In diesen Tenor stimmt Boll in der Diskussion nach der Pressevorführung dann auch noch ein, wenn er der Politik und der Filmwelt Verlogenheit und Systemstützung vorwirft, während „wir in Europa immer weniger werden und in Asien werden es immer mehr“ (Boll). Die in seinem Film „Postal“ noch als Satire verkleidete Liebäugelei mit Rechtsaußen scheint hier nun in dumpfesten Stammtischpopulismus umzuschlagen. Und sein „Rampage“-Protagonist, der nicht nur ungeschoren davonkommt*, sondern es auch noch schafft, die Tat einem anderen in die Schuhe zu schieben, ist die ideale filmische Vorlage für die feuchten Träume aller rechtsextremistischen Revoluzzer a la Timothy McVeigh.

Das Thema des Amoklaufs im Film ist nun wirklich nicht gerade originell und es gibt berühmte Beispiele, die von Martin Scorseses „Taxi Driver“ bis hin zum 2007 erschienenen „Out of the Blue“, die das Thema in aller Komplexität und aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchten; als Parabel wären sie alle zu verstehen (selbst „Out of the Blue“, der auf einer authentischen Geschichte basiert, besitzt noch einen existenzialistischen Kern). „Rampage“ bedient sich bei etlichen Spree-Killer-Movies, ist „Natural Born Killers“ und „Falling Down“ allerdings am ähnlichsten, ja, integriert sogar  einige der Ideen von Schumachers Version der „Rache des kleinen Mannes am System“. Mag man sich bei „Falling Down“ noch über die wie aufgepfropft wirkende Psychopathologisierung des Täters geärgert haben: Die Motivation allerdings gleich ganz fortzulassen, wie Boll es tut, ist weitaus ärgerlicher.

Und von der vom Regisseur favorisierten Lesart als einer Erzählung, in der die Täter unbehelligt davon kommen – wie schon die Banker in der Wirtschaftskrise ungeschoren davongekommen sind -, bleibt wohl auch nicht viel übrig, ruft man sich ins Gedächtnis, dass Boll bis 2008 (also jenem Jahr, in dem er nach eigener Aussage, die Finanzkrise am Horizont aufziehen sehend, die erste Idee zu „Rampage“ hatte) seine Filme mit „Dumb German Money“ finanziert hat. Das hatte sich nämlich angesichts ihres „Erfolges“ als eine wirtschaftlich äußerst effektive Abschreibungsmethode dargestellt – selbstverständlich nicht mit demselben Effekt, wie in der parabelisierten Wirtschaftskrise. Aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Hat sich Uwe Boll also vielleicht vom Saulus zum Paulus gewandelt? Sei’s drum … Sein „Rampage“ gehört immer noch zu den (Boll-)Filmen, die wohl nur er selbst gern einmal im Kino sehen würde.

Rampage
(USA 2009)
Regie & Buch: Uwe Boll; Musik: Jessica de Rooij; Kamera: Mathias Neumann; Schnitt: Thomas Sabinsky
Darsteller: Brendan Fletcher, Shaun Sipos, Lynda Boyd, Robert Clarke, Matt Frewer u. a.
Verleih: Splendid
Länge: 85 Minuten*
FSK: ab 18 Jahren

*Anmerkung: Laut Regisseur ist „Rampage“ von der FSK nicht ungekürzt freigegeben worden. So fehlen etwa mehrere Erschießungsszenen sowie das End-Statement des Täters. Zudem musste eine Texttafel ergänzt werden, in der es heißt, der Täter sei später gefasst worden.

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