Fantasy Filmfest 2011: Preaching to the Choir

Gegenüber Menschen, die noch nie in den USA waren und deshalb dem Irrglauben anhängen, das mächtigste Land müsse zugleich eines der fortschrittlichsten sein, ist es immer wieder schwer vermittelbar, warum hierzulande mittlerweile relativ unumstrittene Themen wie Homosexualität und Abtreibung dort zu hysterischen Reaktionen führen. Etwas vereinfacht lässt sich dieses Rätsel mit einem Stichwort erklären: Religion. Es gibt sie tatsächlich – jene christilichen Sekten, die Erdbeben, Taifune und andere Katastrophen mit Tausenden Todesopfern für Strafen Gottes halten. Strafen, die sich laut der christlichen Rechten unzweifelhaft auf die gesellschaftliche Permissivität gegenüber Homosexualität, vorehelichem Sex und Abtreibungen beziehen. Einige dieser Sekten, die häufig im Umfeld der erzkonservativen Tea Party agieren, bezeichneten Barack Obama denn auch als Satan (oder wahlweise Hitler), als dieser die wahrlich diabolische Untat beging, das staatliche Krankenversicherungssystem auf die gesamte Bevölkerung auszuweiten. Auch gegen Kevin Smiths neuen Film „Red State“ gab es wütende Proteste seitens christlicher Fundamentalisten, die die Evolutionstheorie in der Schule durch den Kreationismus ersetzen wollen und die Bibel auch sonst wörtlich nehmen. „Fantasy Filmfest 2011: Preaching to the Choir“ weiterlesen

Fantasy Filmfest Nights 2011 – Gallo on the Run

Ob „Essential Killing“ den Genre-Fans der Fantasy Filmfest Nights gefallen wird, ist mehr als fraglich. Der neue Film der polnischen Regie-Legende Jerzy Skolimowski ist gerade deshalb so stark, weil er sich nicht um Genre-Konventionen und -Grenzen schert, sondern den Inhalt eines Action-Thrillers mit der Form eines Kunstfilms kurzschließt. Darin gestaltet sich die interkontinentale Verfolgungsjagd auf einen Terror-Verdächtigen wenig spektakulär und bedarf großer Freiheiten im Drehbuch, um nicht verfrüht beendet zu werden.

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Der Allestotmacher

In einer berühmten Szene von Woody Allens „Der Stadtneurotiker“ kontert Allens Alter Ego Alvy Singer in einem Kino-Foyer das selbstgefällige Geschwätz eines Intellektuellen über die Thesen Marshal McLuhans, indem er den berühmten Medienwissenschaftler höchstpersönlich hinter einem Plakataufsteller hervorzieht und ihn dem Dampfplauderer entgegnen lässt, dieser habe seine Thesen nicht im Geringsten verstanden. „Wenn es nur einmal so sein könnte“, seufzt Singer in die Kamera, die Szene als Wunschtraum eines am Leben Verzweifelten enttarnend. Auf den durchschnittlichen Actionhelden angewendet, könnte McLuhans Rolle von Steven Seagal eingenommen werden: Anstatt seine körperliche Unversehrtheit und sein Leben beim Kampf für die gute Sache zu riskieren, walzt Seagal von Anzahl und Qualifikation seiner Gegner vollkommen unbeeindruckt durch seine Filme und richtet jeden, der sich ihm entgegenstellt, auf brutalste Art und Weise hin, ohne das leiseste Anzeichen einer menschlichen Empfindung wie Mitleid oder auch nur ein Minimum an körperlicher Anstrengung zu zeigen. Wenn es doch nur einmal so sein könnte im Actionhelden-Leben … „Der Allestotmacher“ weiterlesen

Betriebsausflug der Strukturalisten

Der Actionfilm-Darsteller ist schon immer eine besonders enge Bindung mit seinem Actionfilm-Helden eingegangen. Das mag zum einen daran liegen, dass der Physis und dem Körper im Actionfilm eine immense Bedeutung zukommt, vom Darsteller also totaler Einsatz verlangt wird, zum anderen daran, dass das Dasein als Held viel zu verlockend ist, als dass ein Schauspieler es ohne Weiteres auf die Sphäre des Films reduzieren wollte. So drehte Kollege Jean-Claude Van Damme mit „JCVD“ konsequenterweise einen Film über sein hartes Leben als Schauspieler/Actionheld, Steven Seagals (erfundene?) Biografie infiziert immer wieder auch die seiner Filmfiguren oder umgekehrt und Stallone, dessen phänomenaler Erfolg mit „Rocky“ in den Siebzigerjahren den Erfolg seines Titelhelden, eines drittklassigen Boxers, spiegelte, wurde fortan zum Inbegriff des Underdogs, der gegen jede Wahrscheinlichkeit triumphiert. „The Expendables“ macht sich diese symbiotische Verbindung von Schauspieler und Figur zunutze und vereint einige der größten Actionstars der vergangenen 30 Jahre vor der Kamera und auch in der Handlung zu einem unschlagbaren und im Sinne des – natürlich ironisch zu verstehenden – Titels unersetzlichen Team. „Betriebsausflug der Strukturalisten“ weiterlesen

Harry Braun

Der Selbstjustiz-Film ist seit Ende der 1980er etwas aus der Mode gekommen; Vigilanten, die die Vergewaltigung ihrer Verwandten, die Verwahrlosung von Stadtvierteln oder einfach ihre eigene Erfolglosigkeit mittels Rache an den sowieso immer schuldigen Mitbürgern kompensieren, haben irgendwie den Nimbus rechtsradikaler Kultur- und Sozialpessimisten bekommen. Spätestens mit Joel Schumachers „Falling Down“ ist aus dem rotsehenden Mann der amoklaufende Irre geworden (den nur noch Uwe Boll heldenhaft findet), der zwar in den Augen vieler das richtige tut – dies aber aus den falschen Gründen. Mit Clint Eastwoods „Gran Torino“ hat das Subgenre das Sujet noch einmal zu reanimieren versucht als den clash of the generations, ausagiert mit Waffen. Denn dass „die gute alte Zeit“ vorbei ist, in der Jugendliche Älteren den Sitzplatz im Bus frei gemacht haben, und nun anstelle dessen lieber den Sitz rausreißen und damit auf die Alten eindreschen, ist die bittere Erkenntnis der Helden von Gestern. Die Conclusio daraus heißt: sich dem Schicksal fügen oder die Sache (z. B. den Bussitz) selbst in die Hand nehmen.

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Contemplating the Complexity of Life

Mit „Universal Soldier“ von 1992 hat der schwäbische Blockbusterregisseur Roland Emmerich seinen vielleicht einzigen wirklich intelligenten Film geschaffen. Im Gegensatz zu späteren, ultrateuren Werken wie den (natürlich gleichwohl großartigen) apokalyptischen Opern „The Day after Tomorrow“ und „2012“ traf dort das schamlos Plakative seiner Inszenierung noch nicht auf eine gewaltsam nivellierte, familienfreundlich-biedere Narration, sondern kreierte im Zusammenspiel mit dem trashig-exploitativen Gestus der am teureren Rand des B-Pictures entlang navigierenden Narration eine Reibungsfläche, deren durchaus produktive Spannungen in einem grandiosen Shootout von grotesker Komik in einem Einkaufszentrum kulminierten. Das Einzige, was „Universal Soldier“ zur endgültigen Großartigkeit vielleicht noch fehlte, war ein Gespür für jene Bewegungspoesie, die den besten Filmen des Actiongenres zu eigen ist – eine Poesie, die in der ganz und gar geradlinigen Inszenierung des Regiepragmatikers Emmerich keinen Raum hat.
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Actionfilm of the Living Dead

Die Rache hätte so schön kalt serviert werden können: Eine Vorort-Gangster-Truppe ermordet einen Polizisten, und seine Kollegen machen sich auf den Weg zu dem halb baufälligen Hochhaus, in welchem die Verbrecher leben, um dort Rache für die Tat zu üben. Leider kommt ihnen ein gleichermaßen übereifriger und schlecht schießender Hausmeister in die Quere und ihr Plan fliegt auf, was zur Erschießung weiterer Polizisten und der Geiselnahme der Überlebenden führt. Doch bevor nun auch diese ins Jenseits befördert werden können, passiert etwas Unerwartetes: Die Erschossenen draußen auf dem Flur erheben sich und beginnen gegen die sich nun in der Wohnung verbarrikadierenden Menschen anzurennen. Durch weitere Schüsse sind sie nicht zu bremsen und vor dem Hochhaus sammelt sich eine riesige Menschenmenge – offenbar ebenfalls Untote mit Lust auf Menschenfleisch. In Zeiten solcher Not müssen Koalitionen über Interessengrenzen hinweg gebildet werden, also schließen sich die Gangster mit den überlebenden Polizisten zusammen und versuchen die Flucht aus dem Hochhaus.

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Der Ninja: Vorher und Nachher

Was der Kannibalenfilm in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren fürs Horrorgenre war, das war der Ninjafilm in den Achtzigern fürs Actiongenre: auf die Sensationsgier des Publikums abzielende, oft billig produzierte Exploitation, die keinerlei feuilletonistische Fürsprache zu erwarten hatte, dafür aber jede Menge Empörung hervorrief und den Moralaposteln des Landes willkommene und vor allem unwidersprochen dastehende Argumente für ihre flugs durchgesetzte Beschlagnahmungspolitik lieferte. Der Ninjafilm verschwand so schnell, wie er gekommen war, und so lautlos wie seine Protagonisten. Seine Auferstehung schien höchst unwahrscheinlich. Bis heute …

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Der (Selbst-)Bestrafer

Unter den tough guys des Neo-Noir ist Malone (Thomas Jane) der toughste, daran lässt schon die Einleitung von Russell Mulcahys „Give ’em Hell, Malone!“ keinen Zweifel. Da spritzen Blutfontänen meterhoch, werden böse Jungs dutzendweise und ohne Rücksicht auf die eigene Konstitution zerschlagen, zerstochen, zerschossen. Stechen, bevor der Gegner schlägt, und schießen, bevor er zusticht – so lautet die Maxime des Helden, der so gern ein Antiheld wäre, denn: „Once you’re dead, you stay that way.“ Die Form, an die Mulcahy hier Anschluss sucht, ist die des Film noir, doch der Auftakt erinnert eher an nerdige Splatter-Extravaganzen im Stile von Joe Carnahans „Smokin’ Aces“ oder Michael Davis‘ „Shoot’em Up“. Eine filmische Form also, die nicht unbedingt auf Augenhöhe mit den kreativen Tendenzen im gegenwärtigen Bewegungskino ist. Und auch wenn „Give ‘em Hell, Malone!“ es, nachdem er in den ersten zehn Minuten schon einmal das Splatternerdpublikum auf seine Seite gezogen hat, dann auch dabei belässt und in den restlichen gut 80 Minuten andere, ruhigere Pfade beschreitet, spiegelt sich darin doch der Grundzwiespalt eines nicht durchweg gelungenen Films.

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L.A., offene Stadt

„Just wrap your legs round these velvet rims / And strap your hands across my engines.” (Bruce Springsteen)

Das Automobil zählt zweifelsohne zu den bedeutendsten Fetischobjekten des Kinos. Seine Faszinationskraft lässt sich nicht bloß thematisch begründen: viel eher ist von einer strukturellen Anziehung zwischen ihm und dem kinematographischen Apparat auszugehen. Die Bewegung: der Filmstreifen, die Fahrbahnmarkierung. Der glattglänzende Lack der Oberfläche, das Grob-Motorische, Zerklüftete unter dem Lack, und schließlich: der destruktive Akt, die Verformung der Oberfläche, die Offenlegung letztlich des versteckten Maschinellen – alles erotische Momente, nachzuschlagen etwa bei Ballard/Cronenberg. Die Bewegung: das Grundfaszinosum des Kinos. Allein im Dunkel sitzen und gebannt werden – nicht von Erzählung, sondern von Bewegung. Der Traum vom Kino: von einem Leben ohne Stillstand, immer on the road und on the run. Die Objekte des Bildes, von der Photographie noch in Ewigkeit eingefroren, werden vom Filmprojektor  stetig vorangepeitscht. Wo sie selbst stillstehen mögen, wird die Welt um sie herum in Bewegung gesetzt. „Aber nicht mehr die Figuren reagieren auf die optisch-akustischen Situationen, sondern die Bewegung der Welt tritt an die Stelle der zurücktretenden Bewegung der Figur.“ (Gilles Deleuze) Weil es auf eine grundlegende Sehnsucht des modernen Menschen zu antworten weiß – die Sehnsucht, es möge immer irgendeine Richtung geben, in die es weiterzugehen gilt –, muss die Beziehung des Menschen zum Kino als eine amour fou betrachtet werden.

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The Legend of Su

Die Geschichte des Bettlers Su, der als großer Wushu-Meister nach der Ermordung seiner Frau dem Wahnsinn verfällt, aus der Irrationalität seines vernebelten Geistes heraus jedoch den „Drunken Fist“-Stil entwickelt und somit die Welt der Kampfkunst revolutioniert, zählt zu den klassischen Stoffen der chinesischen Kung-Fu-Folklore und wurde bereits mehrfach auf die Kinoleinwände gebracht, in Gestalt von großen Stars wie Chow Yun-Fat, Donnie Yen oder Stephen Chow. Auch Regisseur Yuen Woo-Ping, der 1978 mit dem Klassiker „Drunken Master“ schon einmal eine komödiantische Variation auf den Stoff vorlegte und damit einem jungen Kampfkünstler namens Jackie Chan zum Durchbruch verhalf, versucht sich nun mit „True Legend“ erneut an einer kinematographischen Umsetzung der Legende. Für den großen Choreographen bedeutet dies die Rückkehr auf den Regisseursstuhl nach 14 Jahren, und die allzu oft auf Sparflamme gesetzten Anhänger des Martial-Arts-Kinos erkoren „True Legend“ sehr bald zum großen Hoffnungsträger des chinesischen Kinojahres. Löst der Film, der sich zudem noch mit dem Titel des ersten chinesischen Digital-3D-Films schmücken kann, diese hochgesteckten Hoffnungen aber auch tatsächlich ein?

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Das Versprechen

Die Rettung der Filmkunst als soziales Erlebnis – mit keiner geringeren Erwartung ist der nun endlich erfolgte Kinostart von James Camerons 3D-Epos „Avatar“ verbunden. Der angesichts der immer avancierteren Heimkinotechnik und des zunehmenden Niederganges der Kinokultur ersehnte neue Mehrwert des Kinos gegenüber DVD/BluRay, digitalen Downloads und vereinsamtem Filmgenuss vor dem heimischen Flatscreen scheint endlich greifbar mit den neuen digitalen 3D-Projektionstechniken – die zum ersten Mal überhaupt auf eine qualitativ hochwertige Weise das Kinobild dreidimensional gestalteten. Bereits die ersten Filme, die in RealD auf den (deutschen) Kinoleinwänden zu sehen waren – der gediegene Animationsfilm „Monster und Aliens“ und Patrick Lussiers Slasherfilmremake „My Bloody Valentine“ – machten zumindest in manchen Momenten ein Versprechen, das sie selbst freilich noch nicht einlösen konnten. Das in die Tiefe geöffnete Filmbild, das sich eben nicht, wie so viele in der mangelhaften Rotgrüntechnik produzierte Streifen bis hin zu jüngsten Versuchen wie Robert Rodriguez’ „Spy Kids 3D: Game Over“, in den Huibuh-Wegduck-Effekten in der Tradition der thrill rides erschöpfte, wie man sie etwa aus Freizeitparks kennt, versprach dem Kino als Kunstform ganz buchstäblich neue Türen zu öffnen, die selbstverständlich auch grundlegend neue Formen filmischen Erzählens erforderlich machen würden.

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Vollstrecker des Kapitals

Ben Chamberlain (Henry Fonda), der Held wider Willen, und der Schurke Vince McKay (Michael Parks) stehen sich nach 90 Minuten zum unbewaffneten Duell gegenüber und taxieren sich mit ihren Blicken. Zuvor hatten McKay und seine Männer den Vagabunden durch die Prärie gehetzt – aus reiner Mordlust und weil sie ihm einen Mord in die Schuhe schieben wollten, den sie selbst begangen hatten. Nun sind McKays Männer tot und das Gesetz naht in Form eines einfahrenden Zuges. Das Duell wird nicht stattfinden. McKay erkennt seine Niederlage und wendet sich ab, Chamberlain rennt seinerseits der Famerswitwe Valverda Johnson (Anne Baxter) hinterher … „Vollstrecker des Kapitals“ weiterlesen

Ein Bus gibt nicht auf

Die Sequenz hat Filmgeschichte geschrieben: Ein Greyhound-Bus rollt gemächlich durch Phoenix, sein Weg von schwer bewaffneten Polizisten gesäumt. Auf ein Kommando hin eröffnen sie alle das Feuer auf das Fahrzeug, schießen es buchstäblich in Stücke. Und trotzdem rollt der Bus unbeirrbar weiter – Clint Eastwood als Polizist Ben Shockley hatte zuvor um seinen Fahrersitz eine Kabine aus dicken Bleiplatten gebaut. Erst vor dem Gerichtsgebäude kommt er zum Stehen, steigt aus, verwundet, mit der wichtigen Zeugin, die gegen Polizisten aussagen soll, an der Hand.
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Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Ende ohne Schrecken

John Carpenters Film „Assault on Precinct 13“ (hierzulande unter den Titeln „Das Ende“ oder „Anschlag bei Nacht“ erschienen) zählt zu den kompromisslosesten Actionfilmen seiner Zeit. Unvergessen sind jene Sezenen der Belagerung der Polizeistation durch eine Verbrecherbande, die mit einem der darin Gefangenen eine Rechnung begleichen will. Unerreicht die Kaltblütigkeit und der Zyninsmus, die der Film ausstrahlt, wenn er nicht einmal Halt vor der ansonsten tabuisierten Opferung von Kindern macht. Jean-François Richet hat den Stoff nun nach fast 30 Jahren erneut inszeniert und versucht das Original zu überholen – holt es dabei aber nicht einmal ein.
„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Ende ohne Schrecken“ weiterlesen

Jiang Hu

Es ist eine der berühmten letzten großen Nächte im (Film-)Hongkonger Triadenmilieu. Der Boss (Andy Lau) feiert die Geburt seines Sohnes, er will sich aus dem Geschäft etwas zurückziehen. Seine rechte Hand (Jackie Cheung), ihm seit Jahren treuer Freund, will ihn davon überzeugen, dass er drei küngelnde ältere Gangster in der internen Hierarchie ausschalten solle und hat selbst entsprechendes schon in die Wege geleitet. Doch der Boss will nicht so recht, er ist eher Typ Schachspieler als Bluthund. Beim Diner entfaltet sich das Gespräch über die Maßnahmen, während durch die Nacht von Hongkong die Gangster ziehen, und Leute, die es auf sie abgesehen haben. Gleichzeitig macht das Wort die Runde, dass der Boss noch in dieser Nacht Opfer eines Attentats werden solle …
„Jiang Hu“ weiterlesen

Sweet Sweetback’s Baadasssss Song

Melvin Van Peebles legendärer Befreiungsschlag, die ultimative Undergroundproduktion „Sweet Sweetback…“, ist vulgär, beinahe abstoßend, erinnert in seinem respektlosen Umgang nicht nur gängiger Hollywoodkonventionen, sondern auch grundsätzlich filmischem Handwerks gegenüber wie ein brutal zusammengeklopptes Patchwork an spontanen Einfällen und stilistischen Geschmacklosigkeiten. Man braucht eine ganze Weile um sich auf die collagenartige Oberflächenstruktur des Films einzulassen. Natürlich ist es denkbar schwer, über 30 Jahre nach der Entstehung des Films sowohl die politische als auch die künstlerische Radikalität des Entwurfs nachempfinden zu können – zumal als in Deutschland aufgewachsener Weißer, dessen Sozialisation vor allem in den 80er Jahren geschah. Dennoch vermittelt der Film eine Vorstellung von dem was Melvin Van Peebles Film ausgelöst haben mag. „Sweet Sweetback’s Baadasssss Song“ weiterlesen

Hulk

“That was the meaning of the fantastic four.
That a family is like your own personal antimatter.
Your family is the void you emerge from and the place you return to when you die.
And that’s the paradox: The closer you’re drawn back in, the deeper into the void you go.”

Diese Ausführung war einer der Hauptgründe, weshalb The Ice Storm (Ang Lee, USA 1997) zu jenen Filmen zählt, die stets eng mit meiner Adoleszenz verknüpft waren, und mich nun Ang Lee für fähig zu halten machen, die für eine Hulkadaption notwendige Tiefe aus der Comicvorlage herauszukehren. Die Leitthemen des Hulk – unterdrückte Wut und Leidenschaft, welche, lange aufgestaut, durch den Konflikt zwischen Eltern und Kindern plötzlich herausbrechen – sind Themen, die sich durch das gesamte Oeuvre Ang Lees ziehen. In The Ice Storm und Crouching Tiger, Hidden Dragon (Ang Lee, USA/VCR 2000) erfolgte das Aufbrechen der aus Unterdrückung resultierten Erstarrung durch die frei ausgelebte Leidenschaft der nachfolgenden Generation; schon in Crouching Tiger kristallisierte sich die in The Ice Storm durch den titelgebenden Eissturm nur angedeutete, physische Manifestation dieser freiheitsbedürftigen Gefühlsstürme greifbar heraus: Freiheit ist gleichbedeutend mit dem freien Flug, Konflikte werden durch Kampfbalette ausgetragen.
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Keine Buddel voll Rum

Master and Commander – Bis ans Ende der Welt, Peter Weir, USA 2003

Das Spiel ist altbekannt: Ist ein Genre (oder ein Motiv) erst mal gut abgehangen und lange Zeit nicht mehr beackert worden, zerrt es irgendwer wieder aus den Kellern der Filmgeschichte empor. Legitimität verleiht man dem meist unter Argumentierung einer Authentizität, die sich nunmehr entweder auf historisch-narrativer oder auf ästhetischer Ebene einstelle. So nimmt es nicht viel Wunder, dass Peter Weir sich in seiner Belebung des klassischen Seefahrerfilms – nach Pirates of the Carribean bereits die zweite dieses Jahr, wenn auch zu diesem sich geradezu antithetisch verhaltend – auf Patrick O’Brians Romanreihe Master and Commander stützt, die sich weit weniger auf die epischen Qualitäten des Segelns unter britischer Flagge konzentriert, sondern um eine Vermittlung des beinharten Alltags auf hoher See bemüht ist. „Keine Buddel voll Rum“ weiterlesen

Charlie’s Angels?

Heiße Katzen, Großbritannien 1966, Ralph Thomas

Nicht nur die offensichtliche Zitation von Monty Normans berühmtesten Filmmusikthema, auch die Charakterzeichnung des Helden Hugh „Bulldog“ Drummond (Richard Johnson), wie überhaupt dessen Gesichtszüge und die Verwendung der deutschen Synchronstimme von Sean Connery, lassen keinen Zweifel: Hier wird sich ohne Scheu an James Bond angelehnt. Auch die stellenweise reichlich abstrus konstruierte Geschichte ist am großen Vorbild orientiert: Ein skrupeloser Bösewicht hat sich aufgemacht, um sich mit allerlei Finten und Tricks – darunter auch so Kleinigkeiten wie etwa Mord – an den Ölkonzernen zu bereichern, diese gegenseitig auszuspielen und, wenn es sich einrichten lässt, zumindest die ökonomische Weltherrschaft an sich zu reißen. Ein Squad so verführerischer wie gefährlicher Frauen, die titelgebenden „Heißen Katzen“, dient ihm beim trickreichen Ausschalten seiner Gegenspieler. Hierfür nun wiederum scheint Emma Peel ein wenig Patin gestanden zu haben, die in Mit Schirm, Charme und Melone, in den 60ern ebenso überaus erfolgreich, mit ähnlich aufreizendem Effekt im TV gelegentlich zur Waffe griff. Man kann der Ökonomie des B-Movies – „Reize aus, was der zahlfreudige Kunde bereits kennt und schätzt, und verdopple es!“ – förmlich beim Arbeiten zusehen. „Charlie’s Angels?“ weiterlesen