Contemplating the Complexity of Life

Mit „Universal Soldier“ von 1992 hat der schwäbische Blockbusterregisseur Roland Emmerich seinen vielleicht einzigen wirklich intelligenten Film geschaffen. Im Gegensatz zu späteren, ultrateuren Werken wie den (natürlich gleichwohl großartigen) apokalyptischen Opern „The Day after Tomorrow“ und „2012“ traf dort das schamlos Plakative seiner Inszenierung noch nicht auf eine gewaltsam nivellierte, familienfreundlich-biedere Narration, sondern kreierte im Zusammenspiel mit dem trashig-exploitativen Gestus der am teureren Rand des B-Pictures entlang navigierenden Narration eine Reibungsfläche, deren durchaus produktive Spannungen in einem grandiosen Shootout von grotesker Komik in einem Einkaufszentrum kulminierten. Das Einzige, was „Universal Soldier“ zur endgültigen Großartigkeit vielleicht noch fehlte, war ein Gespür für jene Bewegungspoesie, die den besten Filmen des Actiongenres zu eigen ist – eine Poesie, die in der ganz und gar geradlinigen Inszenierung des Regiepragmatikers Emmerich keinen Raum hat.

Bis heute musste dieser Film, der ebenso in den Filmografien seiner Darsteller Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren, jedenfalls bis zu den Großtaten der letzten Jahre, zu den Glanzlichtern zählt, auf eine würdevolle Fortschreibung verzichten. Mit Mic Rodgers’ „Universal Soldier: The Return“ entstand zwar, neben zwei apokryphen kanadischen TV-Pseudosequels, eine offizielle Fortsetzung, die jedoch in jeder Hinsicht nur als minderwertig zu beschreiben ist. Dabei fällt das Budget, das sich um die 8 Mark 50 bewegt haben mag, weniger ins Gewicht als das augenscheinliche Desinteresse an den Diskursen, die Emmerich im Vorgänger zwischen Schlamm und Feuer (und auf wunderbar wirre Weise) zum zumindest tendenziell antimilitaristischen Zerrbild US-amerikanischer Verwertungslogik verknotete. Dieser Verwertungslogik verschrieb sich Rodgers’ Film von vornherein: Jean-Claude Van Dammes Luc Devereaux bildete zwar nicht eben das tragische Zentrum des ersten Films – das wäre eher in Dolph Lundgrens an Marlon Brandos manische Performance in „Apocalypse Now“ angelehnter Schurkenrolle zu verorten –, aber doch war Devereaux deutlich als eine missbrauchte, um seine geraubte Individualität ringende Kreatur charakterisiert. Bei Rodgers bleibt ihm nur der undankbare Part als ein beliebiger unter den immer schon korrumpierten Erfüllungsgehilfen des posthumanen Systems: Es geht hier längst nicht mehr um die moralischen Implikationen des Universal-Soldier-Militärprogramms, sondern lediglich noch um die pragmatische Anwendbarkeit. Nicht mehr, ob man es machen darf, nur noch, wie man es kontrollieren kann, fragt sich der Film. Eine fast prophetische Vorwegnahme der Bush-Administration bereits gegen Ende der Clinton-Ära, zwei Jahre vor 9/11.

Dem desinteressierten Trash von Rodgers’ erstem Sequel setzt John Hyams hier eine dezidiert humanistische Perspektive entgegen, in Verbindung mit einer ungeheuer affektiven Inszenierung der Aktionssequenzen. Bereits der Prolog ist ungeheuer mitreißend: Ohne eine einzige Dialogzeile zu benötigen etabliert Hyams hier die Grundsituation seines Plots, die Entführung der beiden Kinder des russischen Präsidenten durch eine kaltblütige Truppe von wahlweise Terroristen oder Freiheitskämpfern, die mit der Sprengung eines stillgelegten Kernreaktors in Tschernobyl drohen. Der unprätentiöse Professionalismus des Old-School-Actionkinos kommt in dieser gerade einmal fünfminütigen Sequenz inklusive Autoverfolgungsjagd ebenso zur Geltung wie die extrem beschleunigten Montagesequenzen der neueren Schulen des Bewegungskinos. Die von Regieroutinier Peter Hyams (der für den Film seines Sohnes erstmals ausschließlich als Kameramann tätig ist) eingefangenen Cinemascope-Bilder hierzu sind von erlesener Schönheit und das Sounddesign zwischen Minimalismus und Avantgarde wirkt ungeheuer suggestiv. Durch diese äußerst kunstvolle Formung bekommt „Universal Soldier: Regeneration“ einen lyrischen Grundton, der noch stärker betont wird durch die immer wieder in Gegenlichtaufnahmen schwelgende Lichtsetzung. Derlei Kunstgriffe machen aus den choreographisch ganz schnörkellos und unprätentiös in Szene gesetzten Kämpfen seltsam melancholische, poetische Set Pieces. Ein Gedicht über den Krieg, in der exploitativen Mimikry des DTV-Gegenwartskinos.

Besonders schön ist an „Universal Soldier: Regeneration“ dabei der durchaus gewagte (wenngleich wohl den Umständen geschuldete) Gestus, mit dem Hyams den Film explizit nicht als Starvehikel inszeniert. Van Damme und Lundgren nämlich standen nur für vergleichsweise wenige Drehtage zur Verfügung, sodass der Fokus auf das Geschehen nun ein eher zersplitterter ist. Zwar entwickelt sich Van Dammes Deveraux später zum tragischen Helden der Filmerzählung – während Lundgren im Grunde lediglich eine Gastrolle an exponierter Stelle beisteuert –, in der ersten Hälfte seiner Laufzeit konzentriert sich der Film jedoch nicht wirklich auf einen einzelnen Protagonisten. Insbesondere in der stark das heroische Individuum fetischisierenden Form des Actiongenres muss diese Erzählweise als äußerst ungewöhnlich betrachtet werden, und Hyams’ Regie gelingt es – wie es allen großen B-Pictures gelingt – die Begrenzungen der Produktionsmittel zu Stärken einer konzentrierten Inszenierung umzudeuten. „Do you often contemplate the complexity of life?“ Wie um diese rhetorisch gemeinte, spöttische Frage zu beantworten, findet am Ende Dolph Lundgrens Andrew Scott erneut zu individuellem, gemartertem Bewusstsein und wendet sich gegen seine Erschaffer – oder eher: Recycler. Van Dammes Luc Devereaux hingegen ringt seit nunmehr drei Filmen um eine Rückkehr in die Gesellschaft, der er nach peinvoller, langwieriger Resozialisation so nah scheint wie nie zuvor, und die er zugunsten des großen Showdowns gegen Scott und den im Gegensatz zu den beiden Veteranen gänzlich emotionslosen NGU (Andrei „The Pit Bull“ Arlovski) nun endgültig aufgeben muss. Im Grunde hätte dieser majestätische, todtraurige Film auch „Universal Soldier: Requiem“ heißen können.

Universal Soldier: Regeneration
(USA 2009)
Regie: John Hyams; Buch: Victor Ostrovsky; Musik: Kris Hill, Michael Krassner; Kamera: Peter Hyams; Schnitt: John Hyams, Jason Gallagher
Darsteller: Jean-Claude Van Damme, Andrei „The Pit Bull“ Arlovski, Dolph Lundgren, Kerry Shale, Emily Joyce, Zahary Baharov, Garry Cooper u. a.
Länge: 88 Minuten (KJ, gekürzte Fassung); 93 Minuten (JK, ungekürzte Fassung)
Verleih: Kinowelt

Die DVD von Kinowelt

Leider stand zur Rezension lediglich die um mehr als 5 Minuten gekürzte, von der FSK ab 18 Jahren freigegebene Kauf-DVD zur Verfügung, von der selbstverständlich dringend abzuraten ist. Die Verleih-DVD mit JK-Siegel ist hingegen ungekürzt.

  • Bild: 2,35:1 (16:9)
  • Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
  • Untertitel: Deutsch
  • Extras: Audiokommentar mit John Hyams und Dolph Lundgren, Making of, Fotogalerie, Trailer, Wendecover

Als Blu-ray-Disc bei Amazon kaufen (gekürzte Fassung).
Als DVD bei Amazon kaufen (gekürzte Fassung).

3 Antworten auf „Contemplating the Complexity of Life“

  1. Schön, auch mal einen positiven Kommentar zu lesen. Für mich einer DER Meta-Actionfilme dieser Dekade. Ähnlich wie JOHN RAMBO, nur dass Hyams Film hoffnungslos endet, durch den Walk- bzw- Run-Out Deveraux‘. Die lineare Transzendenz eines schizoiden Gewaltmenschen.

    UNIVERSAL SOLDIER – DIE RÜCKKEHR war übrigens mit 50 Mio. Dollar mehr als doppelt so teuer wie Emmerichs Original. ;)

  2. Ernsthaft?! Ist das offiziell bestätigt?

    US: THE RETURN sieht ja aus wie im Heizungskeller gedreht …

  3. Steht so zumindest bei Wiki, Box Office Mojo, Imdb und ähnlichen Seiten. Aber vielleicht haben die auch alle voneinander abgeschrieben, keine Ahnung. Wenn man genau hin sieht, dann erkennt man auch, dass Geld drin stecken muss. Die Computereffekte haben mir damals bei der Erstveröffentlichung eigentlich gut gefallen und waren damals auch „state of the art“, wirkten bei letzter Betrachtung vor einigen Monaten aber nur noch Lachanfälle verursachend. Auch die Actionszenen sind bei den Explosionen recht verschwenderisch, aber Rodgers ist zu keinem Zeitpunkt in der Lage uns das plausibel zu machen. Dass der Film dann auch noch zumeist in einem Gebäudekomplex spielt, macht den DTV-Movie-Eindruck perfekt. Damit ist der Film ein typisches Beispiel für idiotische Budget-Filme der 90er Jahre, das nicht zuletzt durch CGI-Effekte vom schnellen altern befallen ist.

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