Betriebsausflug der Strukturalisten

Der Actionfilm-Darsteller ist schon immer eine besonders enge Bindung mit seinem Actionfilm-Helden eingegangen. Das mag zum einen daran liegen, dass der Physis und dem Körper im Actionfilm eine immense Bedeutung zukommt, vom Darsteller also totaler Einsatz verlangt wird, zum anderen daran, dass das Dasein als Held viel zu verlockend ist, als dass ein Schauspieler es ohne Weiteres auf die Sphäre des Films reduzieren wollte. So drehte Kollege Jean-Claude Van Damme mit „JCVD“ konsequenterweise einen Film über sein hartes Leben als Schauspieler/Actionheld, Steven Seagals (erfundene?) Biografie infiziert immer wieder auch die seiner Filmfiguren oder umgekehrt und Stallone, dessen phänomenaler Erfolg mit „Rocky“ in den Siebzigerjahren den Erfolg seines Titelhelden, eines drittklassigen Boxers, spiegelte, wurde fortan zum Inbegriff des Underdogs, der gegen jede Wahrscheinlichkeit triumphiert. „The Expendables“ macht sich diese symbiotische Verbindung von Schauspieler und Figur zunutze und vereint einige der größten Actionstars der vergangenen 30 Jahre vor der Kamera und auch in der Handlung zu einem unschlagbaren und im Sinne des – natürlich ironisch zu verstehenden – Titels unersetzlichen Team.Barney Ross (Sylvester Stallone), Messerspezialist Lee Christmas (Jason Statham), Nahkampfexperte Yang (Jet Li), Scharfschütze Gunner (Dolph Lundgren) sowie Toll Road (Randy Couture) und Hale (Terry Crews) sind „The Expendables“ – eine Söldnertruppe, die sich auch für besonders riskante Aufgaben nicht zu schade ist. Als sich jedoch herausstellt, dass hinter dem Auftrag, eine kleine mittelamerikanische Insel von einem despotischen General zu befreien, die CIA steckt, die einen abtrünnigen Agenten loswerden will, überlassen „The Expendables“ die Insel ihrem Schicksal. Doch Barney kann Sandra (Giselle Itié), die tapfere Kontaktperson vor Ort, nicht vergessen. Er beschließt ihretwegen zurückzukehren – und seine Kameraden sind natürlich mit von der Partie …

Als zahlreiche Kritiker- und Fanstimmen nach dem Kinostart von „The Expendables“ ihre Enttäuschung über den Film bekundeten, lagen sie mit ihrer Kritik nicht falsch. Stallones vermeintliches Best-of ist tatsächlich nicht das alles in den Schatten stellende filmische Großereignis, das man erwartet hatte, und vor allem seine Actionszenen und ihre Inszenierung sind nur mittelmäßig. Aber das ist keine Verfehlung des Films – Stallone will niemandem mehr etwas beweisen, er will lediglich für das geliebt werden, was er ist: ein Söldner im Dienste der Action. „The Expendables“ ist nach dem Autoexorzismus von „John Rambo“ ein Film der Selbstbesinnung und deshalb trotz der im Übermaß enthaltenen Gewalt, Explosionen und Verfolgungsjagden als beinahe introvertiert zu bezeichnen. Es ist nicht das Aufgehen im Hier und Jetzt, das „The Expendables“ prägt – und um das es im Actionfilm wesentlich geht –, sondern der in der Gewissheit zurückgeworfene Blick, dass es an der Zeit ist, abzutreten. Der große kathartische Moment des Films ist dann auch nicht die finale Hinrichtung eines teuflischen Schurken, sondern die freundschaftliche Wiederaufnahme eines vom rechten Weg abgekommenen Freundes – einer der schönsten Momente des vergangenen Filmjahres und deutlichstes Zeichen für den Gesinnungswandel, den „The Expendables“ markiert: In einem anderen Genrevertreter wäre der Tod für diesen Verräter gerade gut genug gewesen.

Das erwartete Schaulaufen wird zu einem gemütlich-geselligen Beisammensein, bei dem die Beteiligten ihre erworbenen Narben präsentieren und in Erinnerungen schwelgen. Die meisten von ihnen sind tatsächlich Gezeichnete: Stallone sieht man seine Schönheitsoperationen ebenso an wie den Anabolikamissbrauch, Lundgrens ausgemergeltes Gesicht macht ihn zu einem Charakterkopf des Genres, Mickey Rourke, der ehemalige Beau, sieht mittlerweile tatsächlich so aus, als habe er in zahlreichen Schlachten gekämpft und Randy Coutures Blumenkohlohr wird sogar in einem Dialog thematisiert. Dem Martial-Arts-Ästheten Jet Li kommt zwischen den ganzen wie aus Stein gemeißelten Kerlen die Rolle des Sensiblen zu, Jason Statham, dem frischesten im Bunde, wird unverkennbar und für seinen fleißigen Einsatz in neuen Genreproduktionen verdientermaßen die Rolle des Erben zugewiesen, und Arnold Schwarzenegger liefert sich ein kurzes verbales Scharmützel mit seinem ehemaligen „Erzfeind“ Stallone, über das Willis nur auf seine unnachahmlich souveräne Art grinsen kann. Der Brite Gary Daniels, Held unzähliger DTV-Kickboxfilme, gibt sein verdientes Blockbusterdebüt als „The Brit“, Steve Austin beweist, warum er schon jetzt eines der furchteinfößendsten Kraftpakete der Filmgeschichte ist und Eric Roberts gibt einen seiner charakteristischen Schmierlappen im Designeranzug. Es macht so viel Spaß den Veteranen bei ihrem Ehemaligentreffen zuzusehen, dass man fast auf die fiktive Prämisse verzichten könnte. Dann würden Actionheld und -darsteller tatsächlich eins.

The Expendables
(USA 2010)
Regie: Sylvester Stallone; Drehbuch: Sylvester Stallone, David Callaham;
Musik:
Brian Tyler; Kamera: Jeffrey L. Kimball; Schnitt: Ken Blackwell, Paul Harb
Darsteller: Sylvester Stallone, Jason Statham, Jet Li, Dolph Lundgren, Mickey Rourke, Eric Roberts, Randy Couture, Steve Austin, Giselle Itié
Länge: 103 Minuten
Verleih: Splendid Entertainment

Zur DVD von Splendid Entertainment

Splendid veröffentlicht „The Expendables“ in satten vier verschiedenen Versionen: einer Single-Disc-Variante ohne Extras, einer Amaray- und einer Steelbook-Ausfertigung der 2-Disc-Special-Edition mit umfangreichem Bonusmaterial (die der Rezension zugrunde lag) und als „Hero Pack“, in dem zusätzlich zum Special-Edition-Steelbook noch Fan-Paraphernalia wie z. B. eine Gürtelschnalle und Poster enthalten sind. Die wichtigsten Extras sind wohl der Audiokommentar mit Sylvester Stallone, ein fast eineinhalbstündiges Making of sowie der „Ultimate Recon“- Modus, bei dessen Aktivierung bestimmte Szenen des Films von Cast & Crew analysiert werden.

Bild: 2,40:1 (16:9/anamorph)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte
Extras: Audiokommentar, „Ultimate Recon“-Modus, Making of, Postproduction & Release, San Diego Comic Con Panel, Gag Reel, Deleted Scene, B-Roll, Slideshow, Spots, Slideshow, Trailer
Freigabe: FSK 18
Preis: 7,90 Euro (Single Disc)/16,95 Euro (Special-Edition-Steelbook)/
36,95 Euro (Hero Pack)

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