Der Ninja: Vorher und Nachher

Was der Kannibalenfilm in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren fürs Horrorgenre war, das war der Ninjafilm in den Achtzigern fürs Actiongenre: auf die Sensationsgier des Publikums abzielende, oft billig produzierte Exploitation, die keinerlei feuilletonistische Fürsprache zu erwarten hatte, dafür aber jede Menge Empörung hervorrief und den Moralaposteln des Landes willkommene und vor allem unwidersprochen dastehende Argumente für ihre flugs durchgesetzte Beschlagnahmungspolitik lieferte. Der Ninjafilm verschwand so schnell, wie er gekommen war, und so lautlos wie seine Protagonisten. Seine Auferstehung schien höchst unwahrscheinlich. Bis heute …

In einer Schule in Japan wird die Jahrhunderte alte Kunst des Ninjitsu gelehrt: Zu den besten Schülern des Sensei (Togo Igawa) zählen der gebürtige Amerikaner Casey (Scott Adkins) und der Japaner Masazuka (Tsuyoshi Ihara), und die natürliche Rivalität der beiden wird auf die Spitze getrieben, als ersterer ausgewählt wird, eine kostbare Waffentruhe in die USA zu bringen. Masazuka zerreißt es vor Wut und Eifersucht: Nachdem er Casey in einem Trainingskampf beinahe umbringt, wird er der Schule verwiesen. Doch dies verstärkt nur seinen ungestillten Durst nach Rache …

Isaac Florentine, der sich in der Vergangenheit mit Filmen wie „Undisputed 2“ oder „The Shepherd“ schon einen Namen als versierter Actionfilm-Formalist machen konnte und als treibende Kraft im wiedererstarkten Bereich des B-Actionfilms angesehen werden muss, orientiert sich mit „Ninja“ glücklicherweise weniger am oben umrissenen Ninjatrash, sondern an den aufwändiger und professioneller gemachten Ninjafilmen der Produktionsfirma Cannon, deren „American Fighter“, „Ninja – Die Kampfmaschine“ oder „Die Rückkehr der Ninja“ zu den kommerziell erfolgreichsten Werken des Subgenres gehören, und stellt den gesichtslosen Ninjaarmeen wie diese einen noch einmal überlegenen und mit einer echten Persönlichkeit ausgestatteten Ninjahelden als Identifikationsfigur gegenüber. Erst mithilfe dieses erzählerischen Kniffs war es der Cannon gelungen, einen dem Genre immanenten strukturellen Widerspruch aufzulösen, der neben den miserablen Production Values Hauptgrund für den unfreiwilligen Humor der Ninjafilme war: Der Ninja, der auf diegetischer Ebene als nahezu unbesiegbare Kampfmaschine gepriesen wurde, hatte sich nämlich ganz entgegen seinem Ruf allzu oft als wehr- und hilfloses Kanonenfutter entpuppt, das in ganzen Heerscharen dahingemeuchelt wurde und dabei nur wenig elegant aussah. Dies lag vor allem in der Tatsache begründet, dass er als nicht nur gesichts-, sondern auch identitätslose Mordmaschine nicht etwa von ausgebildeten Kampfsportlern oder gar Schauspielern verkörpert wurde, sondern von preisgünstigen Statisten, die höchst unbeholfen und keineswegs besonders beeindruckend agierten (eine Tatsache, die auch Thilo Gosejohann erkannt hat und in seiner Actionfilm-Hommage und -Parodie „Operation Dance Sensation“ für einige herrliche Gags nutzt).

Nichts davon in „Ninja“, dem alle Stärken Florentines zugute kommen: eine enorm wuchtige und perfekt das Physische betonende Inszenierung der zentralen Kampfsequenzen sowie eine ungemein ökonomische Handhabung des Plots. Florentine reichen wenige Pinselstriche, um die Protagonisten und ihren Konflikt glasklar herauszuarbeiten und so eine Grundlage für das zu schaffen, was bei ihm den Löwenanteil der Erzählung ausmacht: Aktion, Bewegung, Kampf. Der Plot und seine einzelnen Bestandteile – die Aneignung asiatischer Kultur durch einen Fremden, der daraus resultierende „Bruder“-Konflikt, der Kampf um ein kostbares Artefakt, ein mysteriöser Geheimbund – sind Standards des Ninja- und Martial-Arts-Films und müssen hier nur noch angetippt werden, um den Boden für Florentines Actionzelebrierungen zu bereiten. Die in ihrer Konzentration auf Kampfsport und Hand-to-Hand-Combat kaum weniger aufs Wesentliche reduzierten Kämpfe werden in „Ninja“ zwar mit dem Instrumentarium des Ninjafilms (Schwert, Wurfstern, Pfeil und Bogen, Rauchbombe etc.) und sparsam eingesetzten, pointierten CGI-Effekten ausgetragen, doch lenken diese Gimmicks nie vom Wesentlichen – dem existenziellen Konflikt zweier sich konträr gegenüberstehender Individuen – ab. Es sind vor allem Florentines Gespür für Dynamik und sein perfektes Timing, die dafür sorgen, dass der Zuschauer nicht zu Atem kommt. Kaum ein (zeitgenössischer) Regisseur weiß Zeitlupen etwa so effektiv einzusetzen wie Florentine: Seine Fights sehen nicht nur irrsinnig geil aus, sie sind immer auch sinnhaft/sinnlich in ihrer Inszenierung.

Und wenn hier ständig von Reduktionismus die Rede ist, so soll das keineswegs heißen, Florentine habe kein Auge/keinen Sinn für die Details, im Gegenteil. Es sind kleine, dabei aber ungemein wirkungsvolle Kniffe, die seinen Actionsequenzen ihren Realismus verleihen und den Zuschauer geradewegs ins Geschehen hineinreißen. Wenn Casey einem Kontrahenten etwa in einer Einstellung die Pistole aus der Hand tritt, sieht man sie in der nächsten Einstellung im Bildhintergrund herunterfallen, ohne dass das neben der reinen Bewegung noch eine weitere Bedeutung hätte. Fantastisch auch, wie in „Ninja“ Raum durch Aktion konstruiert wird und umgekehrt: Die Action-Set-Pieces sind innerhalb relativ begrenzter Szenarien angesiedelt, die dann in der Inszenierung vollkommen ausgelotet werden. Die Übersichtlichkeit dieser Sequenzen erinnert dabei fast an die Sternstunden eines John Woo (der allerdings noch ein paar Akteure mehr durch die Luft wirbeln ließ). Mit Scott Adkins, der bislang vor allem als Action-Nebendarsteller in Erscheinung trat, steht dem Regisseur zudem ein geradezu kongenialer Schauspieler zur Verfügung, der die Spannung, die Florentines Filme beflügelt, perfekt verkörpert: Sein stoisches, fast emotionsloses Gesicht verhindert jede unnötige Melodramatisierung, es ist tatsächlich der beängstigend scharf ausdefinierte Körper, der den Zuschauer auf Caseys Seite zieht. Die Zuschaueranbindung, sie wird im wahrsten Sinne des Wortes erkämpft.

Natürlich gibt es hier und da Möglichkeit zur Kritik: So ganz wird sich der Ninjafilm seine inhärente Infantilität nicht austreiben lassen, auch von einem Florentine nicht, der anhand seiner Filme nun nicht gerade im Verdacht steht, ein Kindskopf zu sein. Aber wenn Wirtschaftsbosse mit Kapuzenmantel zu quasiokkulten Versammlungen rufen, ist das denkbar weit weg von der archaischen Westernmythologie, die etwa „The Shepherd“ noch antrieb, oder dem bleichen Existenzialismus von „Undisputed 2“. Weil Florentine aber nie die Contenance verliert oder sich im inszenatorischen Ton vergreift, fällt das kaum ins Gewicht. Die Qualität und formale Klasse von „Ninja“ wird vor allem im direkten Vergleich mit dem letztjährigen, ungleich teureren „Ninja Assassin“ augenfällig, der uneinheitlich zwischen opulenten Actionszenen, mit allen Mitteln moderner Effektkunst aufgepimpten Splatterszenen und grauenhaft statischen, an Daily Soaps erinnernden Dialogszenen hin und her taumelte und dabei nie zu einem eigenen Stil fand. In „Ninja“ stehen das Generische und das Originelle im ständigen Spannungsverhältnis, wird geradezu mustergültig vorexerziert, wie man der nackten Formel Leben abringt und das Genrekino zur Kunstform erhebt .(Darin ist Florentine einem Walter Hill durchaus seelenverwandt.) „Ninja“ könnte seinem Titelhelden, der in den Achtzigern erst zur Witzfigur und dann zum Buhmann degradiert worden war, zur wohlverdienten Rehabilitation verhelfen. Dass er als Initiator einer Nouvelle Vague des Ninjafilms fungieren könnte, erscheint dennoch mehr als fraglich: Es gibt ihm nämlich schlicht und ergreifend nichts mehr hinzuzufügen.

Ninja – Revenge will Rise
(Ninja, USA 2009)
Regie: Isaac Florentine; Drehbuch: Zaki Rubenstein, Boaz Davidson, Michale Hurst; Musik: Stephen Edwards; Kamera: Ross W. Clarkson; Schnitt: Irit Raz
Darsteller: Scott Adkins, Tsuyoshi Ihara, Toro Igawa, Mika Hijii, Todd Jensen, Garrick Hagon
Länge: ca. 83 Minuten
Freigabe: FSK 18, SPIO/JK
Verleih: Splendid
Preis: 15,99 Euro

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