A History of Violence

Ein Mann um die 70, die Haare militärisch kurz geschoren, die zusammengekniffenen, südostasiatisch anmutenden Augen hinter einer Nickelbrille, der Mund eine harte Linie: ein Gesicht voller Härte, Ungerührtheit und Arroganz – aber auch voller Selbstsicherheit. Vor seinem Körper hält er seine zu Fäusten geballten Hände nebeneinander, in einer Geste, die man gerade als Filmseher aus unzähligen Polizeifilmen kennt. Sie sagt: Nehmt mich fest, ich ergebe mich, ich bekenne mich schuldig. Aber sie steht im Kontrast zu diesem Gesicht, aus dem keinerlei Reue spricht; nur die absolute Gewissheit, richtig, gerecht gehandelt zu haben. Der Mann ist Jacques Vergés, französischer Staranwalt und Verteidiger zahlreicher Terroristen und Kriegsverbrecher, das Foto ist ein Plakatmotiv zu Barbet Schroeders Dokumentation „Im Auftrag des Terrors“ und es spiegelt das Spannungsfeld, das dieser Film durchschreitet, perfekt wider.

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Schmelz-Insurance

Beinahe täglich werden neue Schreckensmeldungen über die große Katastrophe verkündet, die uns aufgrund der schmelzenden Polkappen droht: Die Küstenlinien werden weltweit neu gezogen werden müssen, etliche Nationen ganz oder aber zum Teil – wie etwa unser westlicher Nachbar, die Niederlande – unter der Meeresoberfläche verschwinden. Gleichzeitig wird sich das Klima spürbar verändern: Die Temperatur wird ansteigen und großflächige Versteppungen nach sich ziehen, gigantische Landmassen für Menschen somit unbewohnbar werden. Dürren und Hungersnöte drohen auf der einen, orkanartige Unwetter auf der anderen Seite. Roland Emmerich hat dieses Szenario vor ein paar Jahren in seinem erstaunlich gelungenen „The Day After Tomorrow“ eindrucksvoll bebildert und in eine großbudgetierte Effektschlacht verwandelt. Die skandalöse Ansicht, dass die drohende Katastrophe aber schon vor dieser letzten Flut ihren tödlichen Boten senden könnte, vertritt „Frozen: Etwas hat überlebt“. „Schmelz-Insurance“ weiterlesen

„Nobody suffers like the poor“

Henry Chinaski (Mickey Rourke) ist ein Säufer. Tag für Tag lässt er sich in den miesen Pinten seines Viertels vollaufen, fängt jeden Abend im Vollrausch eine sinnlose Schlägerei mit dem Barkeeper Eddie (Frank Stallone) an, den er verachtet, bringt dann in den frühen Morgenstunden zurück in seinem versifften Appartement seine Gedanken zu Papier und wacht schließlich irgendwann zerschunden auf, nur um wieder von vorn zu beginnen. Als die Herausgeberin Tully (Alice Krige) eine von Henrys Kurzgeschichten veröffentlichen will und mit einem Scheck vor seiner Tür steht, scheint ein Ausstieg aus dem Trinkerleben möglich … „„Nobody suffers like the poor““ weiterlesen

Irrlichter

Das Meeresrauschen hört man schon, während noch die Credits laufen. Sie weichen einem schwarzen Bildschirm über den mehrere große Luftblasen von unten nach oben schweben, bevor sie schließlich unter zunehmendem Rauschen in viele Tausend kleine Bläschen zerstäubt werden, kleine weiße Lichtpunkte. Dann schiebt sich etwas zwischen diese Lichtpunkte, ein Haarschopf oder aber Algen, und ein unangenehmes Kreischen mischt sich in das beruhigende Rauschen des Meeres. Und während dieses Kreischen immer lauter wird, das Schwarz einem Blutrot weicht, verwandeln sich auch die Lichtpunkte noch einmal, werden sie unschärfer, bis sie aussehen wie weit entfernte Sterne, die man mit schwindendem Bewusstsein noch durch halb geschlossene Augenlider wahrnimmt, bevor einen der Schlaf – oder Schlimmeres – übermannt … „Irrlichter“ weiterlesen

Weder Rocky noch „Rocky“

Ein Verlierer mit großer Klappe und dem Traum vom Aufstieg gespielt von Sylvester Stallone, heruntergekommene Straßenzüge, qualmende Gullis, ein Milieu halbseidener, aber meist gutmütiger Glücksjäger, mies bezahlte Drecksjobs, kräftige Männer im Ring, die um Ruhm und Ehre kämpfen, und ein Farbspektrum, das alle Schattierungen von „Schmutziggrau“ abdeckt: Nein, die Rede ist hier nicht von „Rocky“, Stallones Welterfolg und einem der prägenden Filmklassiker der Siebzigerjahre, jenem Film, der die Geschichte des einen großen Moments eines kleinen großen Mannes erzählt, sondern von „Vorhof zum Paradies“, einem der vielen Flops, die Stallones Karriere säumen, und seiner ersten Regiearbeit. Ironischerweise wird gerade die Tatsache, dass die Parallelen zwischen den beiden Filmen so unübersehbar sind, zum Stolperstein für „Vorhof zum Paradies“, der nie den richtigen Ton, nie seinen Rhythmus findet und einen letztlich entfremdeten Zuschauer zurücklässt. „Weder Rocky noch „Rocky““ weiterlesen

Peak of the Geek

Der Zuhälter Smooth Walker (Howard Hesseman) hat ein Problem: Er steht bei „Mom“ (Kate Murtagh), dem weiblichen Chef des Chicagoer Rotlichtmilieus, mit einem stattlichen Geldbetrag in der Kreide. Weil er sich nicht anders zu helfen weiß, erfindet er (in einer Szene, die an die Auflösung des über zehn Jahre später entstandenen „Die üblichen Verdächtigen“ erinnert) kurzerhand einen Konkurrenten namens „Doctor Detroit“, einen Gangsterboss, der ihm das Geld abgenommen habe. „Mom“ ist fürs Erste zufrieden mit dieser Erklärung, doch nun steht Smooth vor der Aufgabe, eben jenen mysteriösen Doctor Detroit aus dem Hut zu zaubern. Da läuft ihm der gutgläubige Clifford Skridlow (Dan Aykroyd) über den Weg … „Peak of the Geek“ weiterlesen

Dumm geboren, nix dazugelernt

Wir sind uns alle einig: Die Zeit rast und früher war alles besser. „Trailer Park of Terror“, ein hanebüchener Horrorfilm voller schlechter Ideen, fungiert als Gegenbeweis. Zum einen, weil er bei einer mundgerechten Dosierung von 90 Minuten dennoch zäh wie eine gut druchgebratene Schuhsohle daherkommt und die Geduld des Zuschauers somit spätestens nach einem Drittel der Laufzeit aufgebraucht hat, zum anderen, weil er sich als Vorbild ausgerechnet das Horror-Fanboykino der späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahre vornimmt, dessen schlimmsten Gewohnheiten man damals schon nur mit viel Goodwill und jugendlichem Leichtsinn ertragen konnte.

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Wissen ist das neue Glauben

„Glauben heißt nicht wissen!“: Das haben einem in der Kindheit gern die eigenen Eltern oder aber neunmalkluge Sandkastenfreunde mit auf den Weg gegeben und damit – ohne es zu wollen – gleichzeitig die Definition jeder Religion. Die Unbeweisbarkeit der Existenz Gottes ist eine Grundbedingung, ja das Paradigma des Glaubens schlechthin. Der Gläubige soll sich ganz seinem Vertrauen überlassen, das – ist es stark genug – jeden Zweifel überwindet: Glauben, das heißt, nein das IST Nichtwissen. Doch dieses sprichwörtliche Gottvertrauen scheint in einer Welt, die es mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen fast täglich schwieriger, wenn nicht gar gänzlich unmöglich macht, an einen Gott zu glauben, nicht mehr auszureichen. Man muss wissen, um glauben zu können. „Wissen ist das neue Glauben“ weiterlesen

Träumen Jungfrauen von lüsternen Wölfen?

Ein Hengst, der erigierte Schlauch armlang. Eine Stute, ihre empfängnisbereite Scheide heftig pulsierend. Der Akt, die Nüstern des Hengstes, sich rythmisch weitend und verengend, weitend, verengend. Danach: in der kühlen Luft dampfende Pferdeleiber, der Hengst, den letzten Rest Sperma vom Geschlechtsteil der Stute leckend. Daneben: ein Mann, der Züchter, das Gesicht mit einem wild wuchernden Bart bedeckt, die Augen weit aufgerissen. Neugier. Faszination. Erregung? „Träumen Jungfrauen von lüsternen Wölfen?“ weiterlesen

Podcast vom Fantasy Filmfest 2009, Teil 2

Düsseldorf, 18.08.2009 – Wie von Stefan Höltgen schon angekündigt, habe ich für die Kölner Ausgabe des Fantasy Filmfests die bewährten Podcast-Kräfte Matthias Huber, Leena Peters, Florian Frommer und Alex Klotz versammelt, mit denen ich wechselnder Besetzung u. a. über folgende Filme berichten werde:

Cabin Fever 2
A Film with me in it 
Lake Mungo
Largo Winch
Bronson

FFF-Veteranen werden bemerken, dass noch drei Podcast-Slots offen stehen. Diese werden wir ganz spontan mit „Überraschungsfilmen“ füllen.

Rapid Eye Movies auf der AnimagiC

Vom 31. Juli bis zum 02. August findet in der Beethovenhalle in Bonn erneut die Anime-Convention AnimagiC statt. Zu diesem Anlass präsentiert auch das auf asiatische Filme spezialisierte DVD-Label Rapid Eye Movies vier Animes aus seinem Programm auf der Leinwand. Am Freitag, den 31. Juli gibt es um 19:50 Uhr „Genius Party“, eine Kurzfilm-Sammlung verschiedener namhafter Regisseure des Genres, zu sehen. Das Sequel „Beyond Genius Party“ läuft sowohl am Samstag, den 01. August, um 15:40 Uhr als auch am Sonntag, den 02. August, um 16:15 Uhr. Von der Qualität des bahnbrechenden „Mind Game“, kann man sich ebenfalls am Samstag um 13:15 Uhr überzeugen. Alle Vorstellungen finden im WOKI-Filmpalast statt, in der Messehalle gibt es außerdem Satoshi Kons meisterliches Erstlingswerk „Perfect Blue“ zu begutachten. Mehr Informationen gibt es unter www.animagic-online.de.

Auto-Didaktik

Was haben ein aus Böhmen stammender Obst- und Gemüsehändler und ein von Nietzsche inspirierter Anführer einer Mopedgang gemeinsam? Beide sind wohnhaft im hessischen Darmstadt, Kunden des Autohauses Neubert und Protagonisten der deutschen Fernsehserie „PS“, die es Mitte der Siebzigerjahre auf immerhin vier Staffeln à vier Folgen brachte. „Auto-Didaktik“ weiterlesen

Erektion statt Orgasmus

„Die Erektion, nicht der Orgasmus, ist der Beweis der Liebe.“ So drückt sich der mysteriöse Mario (Alain Cuny) sinngemäß aus, eine alternder Philosoph in Erotik und Liebesdingen. „Erektion statt Orgasmus“: Nicht die Fähigkeit zum Vollzug des Geschlechtsaktes ist der Weg zur Teilhabe des Menschen am Göttlichen, sondern die jederzeitige Bereitschaft zum Sex, so will Mario seine Behauptung verstanden wissen. Um der Liebe fähig zu sein, muss man auch dann erregbar sein, wenn man eigentlich gar keinen Sex haben möchte. Es ist demzufolge nur konsequent, dass Marios Erziehung der noch unreifen Emmanuelle (Sylvia Kristel) eine Gangrape und aufgezwungenen Analverkehr vor Publikum beinhaltet. Emmanuelle erweist sich als gute Schülerin, die ihr zur Kunstfertigkeit gereiftes Talent dann auch in zwei Sequels unter Beweis stellen wird. „Erektion statt Orgasmus“: Diese Formel ist darüber hinaus aber auch dazu geeignet, das Wesen des Erotikfilms in Abgrenzung zum Porno zu beschreiben, und damit ein Genre zu definieren, das zur Mitte der Siebzigerjahre, als „Emmanuelle“ nicht nur zu einem Welterfolg, sondern geradezu zu einem Massenphänomen avancierte, in dieser Form noch gar nicht existierte. Und dass der Tanz auf diesem schmalen Grat zwischen Erotik und Porno im Verlauf der ursprünglichen „Emmanuelle“-Trilogie nicht immer gelingt, hilft ebenfalls dabei, die angrenzenden Genres zu konturieren. „Erektion statt Orgasmus“ weiterlesen

Didi, das Chamäleon

Der Detektiv Harry App muss sich gegen zwei gefährliche Räuber zur Wehr setzen, die ihre Beute ausgerechnet im Käfig des wertvollen Zuchtkaninchens Mr. Theo versteckt haben, als dessen „Leibwächter“ Harry fungiert; Taxifahrer Herbert Böckmann gerät durch einen dummen Zufall zwischen die Fronten eines Spionagekrieges zwischen CIA und KGB und muss um sein Leben fürchten; Kneipenwirt Bruno Koob wird von seinem Doppelgänger, dem misanthropischen Konzernchef Hans Immer, für ein Wochenende als dessen Double engagiert, ohne zu wissen, dass dieser eine Entführung befürchtet; der mittellose Dieter Dödel sieht sich den Mordversuchen entfernter Verwandten ausgesetzt, die ihm eine Millionenerbschaft abspenstig machen wollen; dem LKW-Fahrer Didi verschweigen dessen Auftraggeber, dass die Ladung, die er nach Frankreich bringen soll, aus gefährlichem Giftmüll besteht, und der KFZ-Mechaniker und Politikverdrossene Willy Schulze wird mit einem berühmten Wahlkampfberater verwechselt, der vor der anstehenden Wahl eine marode Partei auf den richtigen Kurs bringen soll. „Didi, das Chamäleon“ weiterlesen

Pack die Badehose ein

Das getrennt lebende Ehepaar Carla (Claudia Karvan) und Peter (Jim Caviezel) will einen Wochenendtrip an eine entlegene Küste dazu nutzen, die eigene Ehe zu kitten, um die es nicht erst seit einer ohne Peters Einwilligung durchgeführten Abtreibung schlecht steht. Die eh nur mäßig gute Stimmung ist schon vor der Ankunft vollkommen verflogen: Als die Spannungen zwischen Carla und Peter immer handfestere Ausmaße nehmen, beginnt zu allem Überfluss auch noch die Natur, sich gegen die Touristen zu wenden … „Pack die Badehose ein“ weiterlesen

Der Film zum Amoklauf

Anlässlich des Amoklaufs von Winnenden ist erneut die Debatte um „Killerspiele“ und „Gewaltfilme“ entbrannt. Handtellergroße FSK-Aufkleber auf DVDs und Spielen stellen einen ersten besonders reflexhaften und hilflos wirkenden Versuch dar, solchen Gewalttaten präventiv entgegenzuwirken. Weitere Verbote werden eifrig diskutiert, während das Versagen der kleinsten gesellschaftlichen Zelle, der Familie, bestenfalls zur Kenntnis genommen, nicht jedoch als eigentliche Wurzel des Problems angegangen wird. Menschliche Wärme, soziales Engagement und Kommunikation bleiben in der Leistungsgesellschaft auf der Strecke, weil mit ihnen kein Gewinn zu erwirtschaften ist. Man muss kein ausgesprochener Fatalist sein, um sich ausmalen zu können, wo das hinführen könnte. Und genau hier setzt auch Jonas Akerlunds „The Horsemen“ an – verschenkt aber leider die Chance, seinem brisanten Inhalt mit der angemessenen Form zur Durchschlagskraft zu verhelfen. „Der Film zum Amoklauf“ weiterlesen

Währenddessen in Währenddessen …

London: Milo (Sam Riley), ein junger Mann, der von seiner Partnerin und zukünftigen Ehefrau verlassen worden ist und nun mit sich und dem Schicksal hadert; die junge Künstlerin Emilia (Eva Green), deren ambitioniertes Studienprojekt – die künstlerische Inszenierung ihrer Selbstmorde – längst außer Kontrolle geraten ist; David Esser (Bernard Hill), ein Vater, der verzweifelt seinen aus einer Heilanstalt entflohenen, gewalttätigen Sohn sucht. Und gleichzeitig in „Meanwhile City“, einem neogothisch verzerrten Zwilling der englischen Hauptstadt: ein Auftragskiller namens Preest (Ryan Phillippe) mit der Mission, „The Individual“ zu töten, den mysteriösen Strippenzieher im Hintergrund, das verbrecherische Mastermind.

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Der Mann ohne Kanten

Peter Karmann (Peter Alexander) ist Lehrer für arabische Sprachen und pflegt einen lockeren Umgang mit seinen ausschließlich weiblichen Schülern, die ihn allesamt anhimmeln. Einen Ausgleich von seinem Beruf, den er zwar fachkompetent, aber immer mit spielerischer Leichtigkeit und Lockerheit ausübt, findet er in der „Dilli Dalli Band“, mit der er bis spät in die Nacht auftritt. „Der Mann ohne Kanten“ weiterlesen

Heute schütte ich mich zu

An apokalyptischen Visonen und Weltuntergangsszenarien hat es dem Kino in den vergangenen Jahren nicht gemangelt und vor allem der Horrorfilm profitierte ganz erheblich von der neuen pessimistischen Grundstimmung nach 9/11. Von London („28 Days Later“) bis nach New York („I am Legend“) ließen Filmemacher die Menschheit aussterben – und in Pittsburgh als Zombies wiederauferstehen. Es erscheint verwunderlich, dass ausgerechnet dem Endzeitfilm, der die Angst vor einer Eskalation des Kalten Kriegs und dem Super-GAU in den Achtzigerjahren widerspiegelte, eine Renaissance bislang verwehrt blieb: trotz  anhaltenden Achtziger-Revivals und genereller Ideenlosigkeit. Mit Neil Marshall hat sich nun endlich ein Regisseur gefunden, um die Erinnerung an das einst so erfolg- und einflussreiche Genre aufzufrischen. Um das Fazit vorauszuschicken: Das Ergebnis kommt einer Grabschändung gleich. „Heute schütte ich mich zu“ weiterlesen