Beinahe täglich werden neue Schreckensmeldungen über die große Katastrophe verkündet, die uns aufgrund der schmelzenden Polkappen droht: Die Küstenlinien werden weltweit neu gezogen werden müssen, etliche Nationen ganz oder aber zum Teil – wie etwa unser westlicher Nachbar, die Niederlande – unter der Meeresoberfläche verschwinden. Gleichzeitig wird sich das Klima spürbar verändern: Die Temperatur wird ansteigen und großflächige Versteppungen nach sich ziehen, gigantische Landmassen für Menschen somit unbewohnbar werden. Dürren und Hungersnöte drohen auf der einen, orkanartige Unwetter auf der anderen Seite. Roland Emmerich hat dieses Szenario vor ein paar Jahren in seinem erstaunlich gelungenen „The Day After Tomorrow“ eindrucksvoll bebildert und in eine großbudgetierte Effektschlacht verwandelt. Die skandalöse Ansicht, dass die drohende Katastrophe aber schon vor dieser letzten Flut ihren tödlichen Boten senden könnte, vertritt „Frozen: Etwas hat überlebt“.
Ein am Nordpol stationiertes Forschungsteam unter der Leitung von Dr. David Kruipen (Val Kilmer) entdeckt in einem schmelzenden Gletscher die gut erhaltenen Überreste eines Mammuts. Der Kadaver wird sofort in die Forschungsstation geschafft, wo sich nach kurzer Zeit herausstellt, dass er Wirt eines tödlichen käferartigen Parasiten ist, der sich nun in Windeseile vermehrt. Evelyn (Martha MacIsaac), Kruipens Tochter, die dieser kurz vor Ausbruch der Seuche zu sich gerufen hatte, kann bei ihrer Ankunft mit ihren Kollegen nur noch die Leichen bergen und muss schließlich eine weitere Ausbreitung der todbringenden Krabbelviecher verhindern …
Das Subgenre des Tierhorrorfilms oder der Öko-Science-Fiction muss sich über mangelnden Input nicht beklagen. Die ökologischen Horrormeldungen, die seit rund sechs Jahrzehnten in zyklischen Abständen in den Medien verbreitet werden, bieten immer wieder neuen Stoff für fantasievolle Fiktionalisierungen. War es in den Fünfzigerjahren die Atombombe, die groteske Mutationen verursachte, wurde diese Bedrohung in den Siebzigerjahren von der relativ weltlich anmutenden Umweltverschmutzung, die man als den Quell allen Übels ausgemacht hatte, abgelöst. Als die in den Achtzigerjahren verstärkt ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Natur Wirkung zeigten, trat damit auch der Tierhorrorfilm alter Prägung seinen Rückzug aus dem Rampenlicht der Kinos in die Niederungen der Videotheken an. Zum Glück, möchte man fast sagen, steht mit der globalen Klimaerwärmung seit einigen Jahren endlich wieder eine Katastrophe bereit, die in der Lage ist, die schmerzlich klaffende Lücke zu füllen und zwar mit nie geahnten apokalyptischen Ausmaßen. Umso interessanter ist es zu sehen, was Regisseur Mark A. Lewis aus diesem Thema macht, der nicht annähernd das Budget zur Verfügung hat, das etwa der sparsame Schwabe Roland Emmerich für seinen oben erwähnten Blockbuster verprassen durfte: Er muss sich Bilder von turmhohen Springfluten, versinkenden Städten und einfrierenden Sternenbannern zwangsläufig verkneifen und konfrontiert seine Protagonisten stattdessen mit einer beinahe mikroskopischen Gefahrenquelle, die im Schatten der großen Bedrohung zunächst unbemerkt ihr grausames Werk verrichten kann.
Die Idee ist gut, weil sie so herrlich paranoid ist: Was wäre, wenn die Menschheit, die in Todessehnsucht auf die Polkappen und die Wasserstandsmeldungen starrt, von etwas dahingerafft würde, das mit der Schmelze zusammen auftaut und quasi als Vorhut der Springflut an Land kriecht? Was wäre, wenn ihr ein kleiner Käfer mittels gezieltem Biss in den Allerwertesten den Garaus machte, während sie in typisch menschlicher Hybris darauf wartet, von einer gigantischen Welle weggespült zu werden? Das Perfide an diesem Szenario ist, dass es in zwei Richtungen arbeitet: Nicht nur bedient es äußerst geschickt die Paranoia, mit der solche Filme immer arbeiten müssen (der Tod kommt nicht von dort, wo man ihn erwartet, sondern gerade aus der entgegengesetzten Richtung), es betont gleichzeitig auch die Absurdität einer jeden aus derselben Paranoia erwachsenden Weltuntergangsprophezeiung. Die Welt ist mit ihren undurchsichtigen Kausalverbindungen und Kettenreaktionen nämlich viel zu komplex für solche Prognosen. Die Paranoia wird paradoxerweise dadurch verstärkt, dass sie ahnt, mit ihrer Konzentration auf eine Gefahrenquelle einen blinden Fleck für eine andere zu entwickeln.
Leider jedoch scheint Lewis dieses Potenzial gar nicht bewusst gewesen zu sein und so ist es spannender, darüber nachzudenken, was man aus dieser Idee hätte machen können, als sich den fertigen Film anzuschauen. „Frozen“ klebt geradezu sklavisch an längst etablierten Formeln, anstatt eigene Wege zu gehen. Die Protagonisten benehmen sich genauso dumm, wie sie müssen, um die Krabbelkäfer überhaupt zur Gefahr werden zu lassen, merken viel zu spät, was da eigentlich auf dem Spiel steht und überqueren in lückenlos vorhersagbarer Folge einer nach dem anderen den Jordan, bis die Gefahr dann schließlich doch anscheinend gebannt werden kann. „Anscheinend“, weil das obligatorische „überraschende“ Schlussbild dem Zuschauer dann Gewissheit über das verschafft, was doch ohnehin von Beginn an klar war: dass nämlich die Seuche den Sprung in die Zivilisation schafft. „Frozen“ ist nicht schlecht gemacht, nie jedoch wirklich gut, immer schön lauwarm und halbgar. Da profitiert er zwar von den kargen Landschaftsaufnahmen (der Film wurde in Kanada gedreht), kann aber niemals das Gefühl der Isolation evozieren, das etwa John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ so beklemmend machte. Seine Darsteller agieren recht überzeugend, stehen aber mit ihren vollkommen eindimensionalen Figuren auf verlorenem Posten. Und die Effekte, die einem unoriginellen Horrorfilm manchmal den entscheidenden Schub geben können, sind unspektakulär und somit ebenfalls verschenkt. „Frozen“ nimmt sich selbst leider viel zu ernst, ohne diesen Ernst jedoch irgendwie untermauern zu können, und ist für einen Reißer einfach zu bieder und brav. Und anstatt also die Angst vor einer Apokalypse im Schatten der Apokalypse zu schüren, suggeriert er in dieser Form viel eher, dass sich die Menschheit beim Konsum halbgarer Horrorfilme wahrscheinlich schon längst zu Tode gelangweilt hat, wenn die große Flutwelle endlich über ihr zusammenbricht.
Frozen: Etwas hat überlebt
(The Thaw, USA/Kanada 2009)
Regie: Mark A. Lewis; Drehbuch: Mark A. Lewis, Michael Lewis; Kamera: Jan Kiesser, Musik: Michael Neilson; Schnitt: Rob Neilson
Darsteller: Val Kilmer, Martha MacIsaac, Anne Marie DeLuise, Kyle Schmid, Steph Song
Länge: 90 Minuten
Verleih: Ascot Elite
Zur DVD von Ascot Elite
Die DVD präsentiert den Film angemessen: in guter Bild und Tonqualität, ohne nennenswerte Extras.
Bild: 2,35:1 (anamorph/16:9)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, DTS 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Trailer, Making-of
FSK: Ab 16
Preis: 14,99 Euro