Seit der Popularisierung des Fernsehens in den 1950er Jahren findet eine weitere Art Geschichtsschreibung statt, die in Form von in Filmen und Serien veröffentlichten Kommentaren jeden Zuschauer einen medial prädisponierten Kommentar auf das Zeitgeschehen anbietet. Der einzige Nachteil ist die geringe „Halbwertzeit“ der Informationen, die, ist die Sendung erst einmal ausgestrahlt, nur im Ausnahmefall wiederholbar ist. Durch Wiederholungen alter und ältester Sendungen – gerade in den digitalen Fernsehkanälen – wird dem Zuschauer heute wieder ein einzigartiges Zeitfenster geöffnet, durch das er die jüngere Geschichte der Bundesrepublik nachvollziehen kann.
Exorzist – The Beginning
1973, Nord Irak: Bei archäologischen Grabungen wird ein komplettes Gebäude freigelegt. In ihm befinden sich Artefakte aus unterschiedlichsten Zeiten und Weltgegenden. Der leitende Archäologe des Projektes, Pater Lankester Merrin, entdeckt den Kopf einer kleinen Teufelsskulptur – in ihm keimt ein Verdacht und er bereitet seine Abreise vor. Als er tags darauf noch einmal zum Fundort zurückkehrt, steht er unversehends einer manngroßen Teufelsstatue gegenüber, die zuvor noch nicht dort gewesen ist. Nun ist er sich sicher, bei den Ausgrabungen etwas ans Tageslicht gebracht zu haben, das besser verborgen geblieben wäre. Und tatsächlich ist der Teufel selbst auf die Erde gekommen und ergreift am anderen Ende der Welt Besitz von der Seele eines kleinen Mädchens.
Seventies revisited
Was wir über die 70er Jahre sagen, verrät oft mehr über uns als über die 70er Jahre. Das gilt insbesondere für den Film. Das Ende der Jugendrevolte, die Pervertierung der Hippie-Kultur und der Wegfall immaterieller Werte werden in der Retrospektive zum Beispiel von Filmen wie Terry Gilliams Fear and Loathing oder Spike Lees Summer of Sam unterstellt. Noch interessanter wird es, wenn der Film selbst als kulturhistorisches Ereignis vom Film reflektiert wird, wie bei Rob Zombies House of 1000 Corpses, in dem der Blick auf die siebziger Jahre ein „verklärender Blick“ auf den Terror ist.
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Mortifikation des Werkes
Spätestens seit der Veröffentlichung des fragmentarisch gebliebenen „Passagen-Werkes“ 1983 gilt Walter Benjamin als einer der wichtigsten Denker der Moderne (im subjektiven wie objektiven Sinne). Seine in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen Texte gelten nicht nur als Mitbegründungschriften von Kultur- und Medienwissenschaft – sie geben auch intellektuelles Zeugnis eines unkonventionellen Denkers, der trotz aller Widrigkeiten Position bezogen und behalten hat. Das mehrere Tausend Seiten umfassende Gesamtwerk, das als Gesammelte Schriften im Suhrkamp-Verlag vorliegt in einer Einführung zusammenzufassen scheint ein gewagtes Unterfangen. Gewagter umso mehr, als Benjamin auf den ersten Blick keineswegs zu den systematischen Denkern gezählt werden kann. Der Literatur- und Kulturwissenschaftler Sven Kramer hat es dennoch versucht und es ist geglückt.
»Dämonisierung ist Arbeit unter Legitimationszwang«
„Godzilla steht für die Atombombe.“ Solche und ähnliche Kinoweisheiten, die Motive und Strukturen von Filmen als Allegorien auf die Wirklichkeit verstehen, gehören zum Standard-Interpretationsinventar des Cineasten. Nur selten jedoch wird die „Allegorese“, aus der diese Aussagen hervorgehen, auch nachvollzogen. Zu eindeutig scheinen die Bilder, als dass deren Zweitbedeutung erst erklärt werden müsste. Doch gerade dieser „Zwischenschritt“, wie Herbert M. Hurka in seinem Buch „Filmdämonen“ ihn geht, bietet einige Erhellung darüber, wie die Codierung von Stereotypen im Kino funktioniert.
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Keine Medienwissenschaft aus der hohlen Hand
Die insitutionelle Kluft, die sich in den Geisteswissenschaften zwischen ästhetischen und empirischen Fragestellungen seit Langem abzeichnet, lässt sich an den Medienwissenschaften (vielleicht auch deshalb der Plural) besonders deutlich ablesen. Zwischen soziologisch/psychologisch/anthropologischen und ästhetisch/kunsthistorischen Ausrichtungen gab und gibt es an einigen Fakultäten regelrechte Kämpfe um die Existenzberechtigung. In der nicht-akademischen Öffentlichkeit scheinen diese Kämpfe bereits entschieden zu sein, bevor man sie überhaupt wahrgenommen hat: Medienwissenschaft(!) ist empirisch fundiert und reiht sich ein in den Kanon naturwissenschaftlicher Disziplinen, deren Relevanz im Gegensatz zu den Geisteswissenschaften ja noch nie angezweifelt wurde.
The secret Life
Irgendetwas an der Biografie Jeffrey Dahmers muss sich filmischer Explikation sträuben. Zwei Versuche hat es bereits gegeben, das Leben und die Taten des zweitberüchtigtsten Serienmörders aus Wisconsin im Film aufzubereiten: Im Jahre 2002 erschien David Jacobsons Film „Dahmer“ und 8 Jahre zuvor David Bowens „The Secret Life: Jeffrey Dahmer“. Beide Filme ähneln sich darin, keine Thriller zu sein, die ein Monster inszenieren, das es dem Zuschauer leicht macht, gut und böse zu differenzieren. „The Secret Life“, der jetzt erstmals in Deutschland erschienen und zeigt eine zeitnahe Analyse der Fallgeschichte.
Abenteuerfilm
„Eines der größten und eines der beliebtesten Genres der Filmgeschichte ist zugleich eines der unbekanntesten“, beginnt Hans-Jürgen Wulff die Einführung zum vierten Band der Genre-Reihe des Reclam-Verlages. Er meint damit den Abenteuerfilm und führt in seiner umfangreichen Einleitung nicht nur aus, warum der Abenteuerfilm so unbekannt ist, sondern auch, warum das Genre so umfangreich ist. Das liegt unter anderem daran, dass „Abenteuer“ eine nicht nur weitverbreitete sondern auch weitauslegbare Erzählstruktur im Film ist. „Abenteuer“ kann mithin alles genannt werden, was dem Filmhelden Anlass bietet, aus dem gewohnten Habitus aus-/aufzubrechen ins Unbekannte. Das, was sich nach dem Aufbruch ereignet, ist variantenreich von Anbeginn der Filmgeschichte bis zu den jüngsten Hollywood-Filmen a la „Fluch der Karibik“ immer wieder erzählt worden.
Dawn of the Dead2
1978 war die Welt noch „in Ordnung“: Es gab zwei gut gegeneinander abgrenzbare politische Ideologien. Es gab noch eine florierende Wirtschaft, die ihre Waren (zumindest in einem der beiden Systeme) für alle zugänglich anbot; alles war käuflich und nichts schien mehr einen Wert zu haben, der nicht auch fiskalisch benennbar war. Der Kapitalismus jener Tage war kein Schimpfwort, sondern ein Glaubenssystem. Es gab noch Überblick und Langsamkeit: Man konnte alle wesentlichen Neuigkeiten noch einer einzigen Nachrichtensendung entnehmen und war danach total-informiert. Und dann gab es noch ein noch längst nicht verblasstes Bild vom Krieg, von den Genoziden, von der Treibjagd auf Menschen und dem Überlegenheitsdenken einer „Rasse“. 1978 gab es noch allgegenwärtige „Motive“ für Horrorfilme mit einer klaren Message.
Me evil – You good?
Als 1992 der belgische Film „Mann beißt Hund“ in die Kinos kam, schien es so, dass der authentisierte Serienmörderfilm damit seinen Höhepunkt erreicht hatte. Getarnt als Dokumentarfilm über einen Berufskiller, der den Filmemachern Einblick in seine Arbeit verschaffen will, reizte „Mann beißt Hund“ alle Simulationsästhetiken voll aus. Die schwarz-weißen Bilder, die scheinbare Zufälligkeit und Inkohärenz der Szenen, die mise-en-abyme, mit der Kamera, Filmteam und selbst Filmfehler immer wieder mitinszeniert wurden, vermittelten den Eindruck absoluten Dokumentarismus. „Mann beißt Hund“ war als hyperrealistischer Serienmörderfilm gleichzeitig eine Kritik an den Medien, die solche Stoffe auf immer reißerische und realistischere Weise inszenierten und sich damit selbst „schuldig“ machten.
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Open Water
Filme wie John Sturges „The old Man and the Sea“ oder Philip Noyces „Dead Calm“ haben es vorgemacht: Es ist möglich einen Film über Menschen auf dem offenen Meer zu drehen, der trotz des eintönigen Ambientes spannend sein kann. Ihr Spannungspotenzial beziehen diese Filme aus den sich durch die Einöde entwickelnden menschlichen Konflikten („Dead Calm“) oder aus dem Konflikt mit dem Unwirtlichkeiten der Einöde selbst („The old Man …“). Chris Kentis zweiter Spielfilm „Open Water“ versucht beides zu kombinieren … und geht damit – man entschuldige den Kalauer! – baden.
Rückblende
Manche Filme ermöglichen gerade dadurch, dass sie in Erzählung und Ausführung recht bieder sind, interessante Überlegungen über das Phänomen Film an ihnen anzustellen. Solche Überlegungen bewerten den Film dann zwar nicht mehr als ästhetisches Artefakt, zeigen aber immerhin, dass eigentlich kein Film so schlecht ist, als das man nicht noch etwas von ihm lernen könnte. Von dieser Binsenweisheit hat neben den eher unterschlagenen, weil als „künsterlisch geringerwertigen“ Genre- und Billigproduktionen auch der Hollywood-Blockbuster gezehrt, dessen Ästhetiken oft wie Fingerübungen debüttierender Regisseure aussehen, an denen sich das auf der Filmschule gelernte manchmal recht offensichtlich widerspiegelt.
Cannibalo Normale
Dass ein Tabuthema wie der Kannibalismus endgültig in die Jagdgründe der Alltagskultur eingegangen ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es seine Selbstreflexivität im Bauchladen vor sich herträgt. Kommt ein Kannibalenfilm dann noch in TV-Ästhetik daher, kann man sich nahezu sicher sein, dass der Horrorfilm den Fernsehalltag oder besser -allabend um ein weiteres Motiv beerbt hat. John Hancocks 2001 gedrehter Film „Suspended Animation, der auf dem Fantasy Filmfest unter dem Titel „Mayhem“ lief, scheint diesen Weg konsequent zu beschreiten.
Verdrehte Claude
Die multiple Persönlichkeitsstörung oder auch „Dissioziative Identitätsstörung“ ist eine der umstrittensten psychiatrischen Diagnosen: In den 1970er Jahren erstmals diagnostiziert, beschreibt sie einen Zustand, in dem sich eine Person in mehrere unterschiedliche Persönlichkeiten/Identitäten aufspaltet. In der Kulturgeschichte hingegen ist die Multiple Persönlichkeit schon immer recht beliebt gewesen. Zahlreiche Stoffe der Literatur und des Films basieren auf der Idee, die in Victor Flemings „Dr. Jeckyll und Mr. Hyde“ sicherlich mit dem größten Erfolg adaptiert wurde.
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Auch „Kult“ kommt von „können“
1964 drehte Herschell Gordon Lewis mit „2000 Maniacs“ die erste Splatter-Komödie der Filmgechichte: Vier junge Leute gelangen durch den hinterhältigen Plan revanchistischer Südstaatler in ein Zweitausendseelenkaff, in dem sie freundliche empfangen, aber unfreundlich als Höhepunkt eines Festes grausam getötet werden. Begleitet werden die stattfindenden Blutorgien von der freundlichen Südstaatensonne, leensfroher Banjo-Musik und einem hochgradigen Mangel der Unterscheidungsfähigkeit von Normalität und Wahnsinn, der in dem Ort grassiert. Heute, genau 40 Jahre später, inszeniert Matthew Leutwyler den nahezu selben Stoff noch einmal. Nun sind es sechs Teenager, die in die Fänge eines mysteriösen Zolmbie-Kultes geraten. In „Dead and Breakfast“ kommt es schließlich auch zur Blutorgie, als der gesamte zombifizierte Ort auf die durchaus wehrhaften Jugendlichen trifft.
Diesel brennt nicht!
Man könnte meinen, man durchlebt die alptraumhafte Zusammenfassung des Teen-Horrorfilms von seinen Anfängen bis in die Gegenwart: Der Prolog von „Trespassing“ zeigt uns, wie ein junger Mann, der mit seinen Eltern in den Sümpfen von Louisiana lebt, zum wahnsinnigen Serienmörder wird. Seinen Vater ersticht er mit einer Heckenschere (von da ab sein bevorzugtes Mordinstrument), seine Mütter überschüttet er mit Diesel und zündet sie bei lebendigem Leibe an. Dann – eine Einblendung verrät uns „20 Jahre später“ – unternehmen fünf Studenten einen Wochenendausflug in das Haus, wo das alles begann. Von den dort stattgefundenen Taten wissen sie nichts – ihr Ausflug hat ein sozialpsychologisches Forschungsmotiv: „Stimmt es, dass das illegale Eindringen in ein gesperrtes Gebiet zwangsläufig Hysterie und Gewalt bei den Eindringlingen auslöst, wie gängige Horrormythen behaupten?“ Da die Eindringlinge nun zufällig in das Territorium und Haus des dort noch lebenden wahnsinnigen Killers eindringen, bestätigen sich die Thesen auf gleichsam wunder- und grausame Weise.
»Viewing is Horror«
Der Horrorfilm bezieht sein Grauen nicht selten aus dem Unfassbaren, das sich im Menschen selbst verbirgt. Dazu lotet er mysteriöse und geheime Gruppen aus, die sich der Alltagserfahrung entziehen und eben durch ihre Abgeschiedenheit oder ihre extrem ritualisierte Lebensweise das Fremde als Enklave auf ideale Weise in der Gesellschaft selbst zu verorten verstehen. Etliche Horrorfilme spielen in Klöstern, handeln von Sekten bezeihungsweise sind in Irrenanstalten situiert oder stellen psychotische Figuren ins Zentrum ihrer Erzählungen.
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Viel Blut – Wenig Hirn
Alle paar Jahre kommt es vor, dass ein übermütiger Regisseur den Splatterfilm um eine Komödie bereichern will. Um die Körper-Grotesken herum werden dann reichlich skurrile Erzählungen ersonnen, die die Gewalt auf möglichst komödiantische Weise in diese einbetten sollen. Dass Gewaltdarstellung und Körperzerstörug selbst schon ab einem gewissen Grad in den Slapstick abgleiten, hat der Sam Raimi schon 1982 mit „The Evil Dead“ bewiesen – einer Splatterkomödie, deren komisches Potenzial auf Grund ihrer Gewalteskapaden zunächst nur schwer als solches zu erkennen war. Doch mit Stuard Gordons „Re-Animator“ und sätestens 5 Jahre später mit Peter Jacksons „Bad Taste“ ist das Komödiatische am Horriblen nachdrücklich deutlich geworden.
Aliens prefer to be blondes
Man hat sich im Zuge der „Teenysierung“ des Horrorfilms seit 1996 ja einiges ein- und gefallen lassen (müssen): Gemeingefährliche Lehrer („The Faculty“) böse Serienmörder, die Vergangenes rächen („I know what you did …“), böse Serienmörder, die Jungfräulichkeit rächen („Cherry Falls“), Eltern, die sich gegen ihre Kinder verschwören („Disturbing Behaviour“). Die Varianten scheinen unerschöpflich – aber auch nur deswegen, weil sich am großen Plot-Konstrukt nie etwas ändert – allenfalls die Bedrohung mal aus einer anderen Richtung kommt. Eine Bedrohung die es oft nur auf eines abgesehen hat: Das Erwachsenwerden der Teenager, das sich durch Geschlechtsreife kennzeichnet, zu unterdrücken.
Ich habe keine Angst
1978, Sommer, Süditalien. Es ist so heiß, wie schon lange nicht mehr. Die Weizenfelder sind goldgelb und wiegen sich im Wind. Kein Regen. Man bleibt im Haus bis die Sonne untergeht. Nur den Kindern macht die Hitze nichts aus. Sie spielen – die menschenverlassene Welt ist ihr Spielplatz. Als der kleine Michele mit seinen Freunden auf einem verlassenen Bauernhof spielt, entdeckt er ein Loch in der Erde und als er in das Loch hinabschaut, sieht er ein Bein. Er erzählt seinen Freunden nichts davon und kommt am nächsten Tag wieder. In dem Loch lebt ein kleiner, gleichaltriger Junge, der glaubt, dass er tot sei. Michele freundet sich mit ihm an und bringt ihm regelmäßig Essen und Trinken. In den Nachrichten erfährt Michele, dass der Junge Filippo heißt und entführt wurde. Seine Mutter sorgt sich um ihn. Michele weiß zwar nicht, was „entführt“ bedeutet, erzählt Filippo jedoch von dessen Mutter. Zuhause bei Michele gibt es indes Veränderungen: Ein fremder Mann zieht ein und die Erwachsenen des kleinen Ortes benehmen sich eigenartig. Bald schon bekommt Michele heraus, dass sie den kleinen Filippo in das Loch gesperrt haben. Er versteht nicht warum und will ihn befreien. Dabei wird er von den Erwachsenen überrascht. Als nun auch Hubschrauber über das Dorf fliegen, die nach dem Entführten suchen, entscheiden die Erwachsenen, Filippo zu töten. Michele, der sie bei ihren Plänen belauscht hat, versteht zwar immer noch nichts, weiß aber, was zu tun ist.
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