Abenteuerfilm

„Eines der größten und eines der beliebtesten Genres der Filmgeschichte ist zugleich eines der unbekanntesten“, beginnt Hans-Jürgen Wulff die Einführung zum vierten Band der Genre-Reihe des Reclam-Verlages. Er meint damit den Abenteuerfilm und führt in seiner umfangreichen Einleitung nicht nur aus, warum der Abenteuerfilm so unbekannt ist, sondern auch, warum das Genre so umfangreich ist. Das liegt unter anderem daran, dass „Abenteuer“ eine nicht nur weitverbreitete sondern auch weitauslegbare Erzählstruktur im Film ist. „Abenteuer“ kann mithin alles genannt werden, was dem Filmhelden Anlass bietet, aus dem gewohnten Habitus aus-/aufzubrechen ins Unbekannte. Das, was sich nach dem Aufbruch ereignet, ist variantenreich von Anbeginn der Filmgeschichte bis zu den jüngsten Hollywood-Filmen a la „Fluch der Karibik“ immer wieder erzählt worden.


Der Band „Abenteuerfilm“ versammelt Texte zu 74 zwischen 1920 und 2003 entstandenen Filmen. An der Auswahl zeigt sich bereits die Vielseitigkeit des Genres: Vom Piratenfilm über den Western, vom Bergsteigerfilm über den Fantasyfilm, vom Kostümdrama zum Sandalenfilm findet sich beinahe jedes Genre im Band – der doch eigentlich vom Abenteuerfilm handeln soll. Gerade die Zusammenstellung der Filme erweckt den Vedacht, dass das „Abenteuer“ wohl doch weniger ein Genre mit fest abgrenzbaren Kriterien ist als eine Erzählstruktur. Diesen Verdacht arbeitet die umfangreiche Einführung des Bandes entgegen.

Denn im Unterschied zu den vorangegangenen Bänden der Reihe hat man es beim Abenteuerfilm-Buch dieses Mal etwas genauer mit der Genregeschichte und Eingrenzung genommen. Zielte die Kritik an den drei früheren Büchern ja genau auf das Problem, dass nicht so recht erklärt wurde, welche Motive und Strukturen das jeweilige Genre (Science Fiction, Western, Fantasy) etablierten, so ist diesem Umstand beim Abenteuerfilm Rechnung getragen worden. Nicht nur die 20-seitige Einleitung Wulffs, auch eine 60-seitige Subgenre-Aufschlüsselung (Antikfilm, Ritterfilm, Mantel-und-Degen-Film, Piratenfilm, Samuraifilm) von sechs Autoren und schließlich noch eine ebenfalls über 60-seitige Darlegung der Motiv- und Stoffkomplexe leiten das Buch ein. Insgesamt also 150 Seiten Theorie bevor es „richtig“ los geht.

Ein solches Vorgehen hätte man sich bei den Vorgängerbänden ebenfalls gewünscht – kann doch die Stärke der Bände keineswegs in der „großen“ Auswahl der Filme oder deren „umfassender“ Würdigung in den Einzeltexten liegen. Auch der Abenteuerfilm leistet da nur das Nötigste, indem er jedem der behandelten Filme zwei bis vier Seiten Text nebst Literaturverweisen zugesteht. Der geringe Umfang der Einzelbesprechungen wirkt sich stark auf die darin enthaltenen Darstellungen aus. So gelangt etwa der Text über „Aguirre – Der Zorn Gottes“ kaum über längst bekannte kolonialsimuskritische Aspekte hinaus.

Doch die „Existenzfrage“ wirft dieser vierte Band der Reihe gerade wegen seiner umfangreichen Einführung nicht mehr auf. Neben bzw. nach den 150 Seiten geraten die Einzeldarstellungen der Filme zur Marginalie – werden zur Enzyklopädie der „must see“-Filme. Wulff und die anderen Autoren leisten hingegen Grundsolides, wenn sie das Genre „Abenteuerfilm“ aus den Subgrenres herleiten und dabei die bereits existierende Literatur (vor allem Seeßlens Abenteuerfilm-Buch) wird der eine oder andere kritische Kommentar zugedacht) aufarbeiten und auf Stichhaltigkeit prüfen.

Bodo Traber & Hans-Jürgen Wulff (Hrsgg.)
Abenteuerfilm
Reihe: Filmgenres, Band 4
Stuttgart: Reclam 2004
413 Seiten (Taschenbuch)
9,80 Euro

Stefan Höltgen

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