Zu Zweit allein

Eine lange Autofahrt, nachts, allein. Das Autoradio plärrt blechern, Langweile und Müdigkeit machen sich breit. Die ersehnte Unterhaltung und Abwechslung steht plötzlich in Gestalt eines Anhalters am Straßenrand, mitten in der Pampa. Freundlich hält der Fahrer an, lässt den Mann einsteigen, es ist nicht klar, wer sich hier mehr freut. Doch die Freude weicht bald der lähmenden Angst. Das folgende Gespräch, das doch nur die lange Fahrtzeit verkürzen sollte, wird immer unangenehmer und ein paar Minuten später hat der Fahrer ein Messer am Hals: Statt eines Gesprächspartners hat er sich einen gefährlichen Psychopathen ins Auto geholt und der lässt sich einfach nicht mehr abwimmeln. Das ist die Ausgangssituation für „Hitcher, der Highway-Killer“, einem kleinen, aber immens einflussreichen Thriller der Achtziger-Jahre. Robert Harmon inszenierte das Duell zwischen Anhalter und Fahrer damals als den Vater-Sohn-Konflikt, der nach dem Vietnamkrieg längst überfällig war und sich im Niemandsland des amerikanischen Mittelwestens mit brachialer Gewalt entlud.

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Die Einsamkeit des Wurstfachverkäufers

Am Ende des Gemetzels wankt der Koloss mit der Kettensäge langsam ins Dunkel. Sein Tagewerk ist verrichtet, das Geheimnis der Familie bewahrt. Doch er strahlt keine Freude aus, kein rauschhafter Triumph beflügelt ihn. Sein Kopf ist gesenkt, er wankt wie ein angeschlagener Boxer, erschöpft. Dann verschluckt ihn die Nacht. Der nächste Morgen wird auch nur einen weiteren Tag der Arbeit für ihn bereithalten, die er gewohnt zuverlässig verrichten wird.

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Der Film zum Witz

Als der kleine dicke, Rockmusik-hörige JB von seinen christlich-konservativen Eltern mal wieder die Rechnung für seinen gestörten Geschmack erhalten hat, schweift sein Blick auf das letzte vom Zorn des Vaters (Meat Loaf) verschonte Poster: Dort steht Ronnie James Dio, der Rockzwerg mit der gewaltigen Stimme, vor einem Inferno aus glühender Lava und turmhohen Flammen und ermahnt JB mit markerschütterndem Vibrato, das Haus seiner Eltern zu verlassen, um in Hollywood die Kunst des Rock n’ Roll zu studieren. Eine Weisung, die JB – ganz der gelehrige Adept – mit dem nötigen Gespür für die Schicksalsschwere und Bedeutsamkeit der Situation entgegennimmt und sich auf eine lange, lange Reise begibt. An deren Ende steht nicht nur die Gründung der legendären „Tenacious D“, sondern gar die Rettung der Welt durch die Kraft des Rock.

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Über die (Un)möglichkeit der Kritik

Das Verhältnis des Kritikers zu seinem Objekt ist ein problematisches. So sehr der Kritiker sich auch von seinem Gegenstand zu emanzipieren sucht, so sehr wird er auf dieses zurück geworfen, geht er eine Symbiose mit ihm ein. Adorno hat über diese komplexe Beziehung geschrieben und verdeutlicht, wie schwierig die Gratwanderung – das konstruktive Einfühlen in den Gegenstand auf der einen, das richterliche Aburteilen von oben herab auf der anderen Seite – für jeden ist, der sich anschickt, Kritik zu üben. Die kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft hat auch im Kino eine lange Tradition, ihre Möglichkeiten und Grenzen werden und wurden jedoch nur selten explizit thematisiert, wohl nicht zuletzt, weil die Reflexion darüber zu theoretisch und damit unfilmisch erscheint. Einer der großen Gesellschaftskritiker des europäischen Films, Damiano Damiani, bildet mit seinem Film „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“ eine Ausnahme.

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Monströse Depressionen

Alles beginnt damit, dass ein koreanischer Pathologe von seinem amerikanischen Vorgesetzten aufgefordert wird, den Inhalt einiger verstaubter Formaldehyd-Flaschen in den Ausguss zu kippen. Das sei doch verboten, der Ausguss führe schließlich direkt in den Han-Fluss, entgegnet dieser. Doch der Vorgesetzte lässt sich nicht beirren: Der Han-Fluss sei groß, was machten da schon so ein paar Flaschen? Der Kausalzusammenhang wird nicht explizit hergestellt, aber es scheint kein Zufall, dass ein paar Jahre später ein merkwürdiges Glibberwesen im Fluss gesichtet wird. Und so geht es weiter in „The Host“: Kleine Ursachen zeigen stets große Wirkungen …

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»I love Mallory«

Das Urteil über Oliver Stones „Natural Born Killers“1 war schon gefällt, bevor der Film überhaupt in Deutschland zu sehen war. Sowohl von der Politik als auch von den Medien wurde der Vorwurf der Gewaltverherrlichung erhoben und ein Verbot des Films gefordert. Diese Diskussion spiegelte die Reaktionen auf NBK in den USA wider: Oliver Stone musste insgesamt ca. 150 Schnitte an seinem Film vornehmen, um ein NC17-Rating2 zu vermeiden.3 Gern vermutet man bei solchen Kontroversen eine inszenierte Werbekampagne, doch im Falle von NBK blieb den Vertretern der Medien eigentlich keine Wahl als zum großen Proteststurm zu blasen, denn Stones Kritik am Medium „Fernsehen“ ist fundamental. Das Motiv „Jugendschutz“ erfüllte eine Alibifunktion, um diesen – für die Medien gefährlichen – Film anzugreifen. Absurd, wenn man bedenkt, welche Rolle Stone gerade dem Fernsehen bei der Brutalisierung der Gesellschaft zuweist. „»I love Mallory«“ weiterlesen

Built to last

Der etwas tumbe, aber gutmütige und liebenswerte Boxchampion Rocky Balboa ist eine der berühmtesten Figuren der jüngeren Kinogeschichte. Und gemeinsam mit dem eher mittelmäßigen Boxer, den ein riesiges Kämpferherz zum Champion macht, ist auch sein Darsteller Sylvester Stallone zur Legende geworden. „Built to last“ weiterlesen