Der Film zum Witz

Als der kleine dicke, Rockmusik-hörige JB von seinen christlich-konservativen Eltern mal wieder die Rechnung für seinen gestörten Geschmack erhalten hat, schweift sein Blick auf das letzte vom Zorn des Vaters (Meat Loaf) verschonte Poster: Dort steht Ronnie James Dio, der Rockzwerg mit der gewaltigen Stimme, vor einem Inferno aus glühender Lava und turmhohen Flammen und ermahnt JB mit markerschütterndem Vibrato, das Haus seiner Eltern zu verlassen, um in Hollywood die Kunst des Rock n’ Roll zu studieren. Eine Weisung, die JB – ganz der gelehrige Adept – mit dem nötigen Gespür für die Schicksalsschwere und Bedeutsamkeit der Situation entgegennimmt und sich auf eine lange, lange Reise begibt. An deren Ende steht nicht nur die Gründung der legendären „Tenacious D“, sondern gar die Rettung der Welt durch die Kraft des Rock.

tenaciousdinthepickofdestiny-poster4.jpgIn kaum einer anderen Musikrichtung sind die Protagonisten und deren Songs stärker in einen eigenen Mythenschatz verwoben wie im Rock n’ Roll, dessen Artefakte wie heilige Reliquien in eigenen Museen, Halls of Fame oder – etwas bodenständiger – an der Wand des örtlichen Hard-Rock-Cafes ausgestellt werden. Zwar haben sich die Drachen, wilden Krieger, Pappschwerter und Höllenschlünde von den großen Bühnen und Plattencovers der Welt verabschiedet und sind wieder im Underground angekommen, der Hang zu Mystifizierung, zur Bannung des Profanen ist dem Rock aber geblieben. Es geht um nichts weniger als die Unsterblichkeit, um das Über-sich-hinaus-Wachsen. Rock ist – aller Berufung auf die Street Credibility zum Trotz – ein Schauspiel, in dem sich der Verlierer in der Rolle des Helden inszeniert. „Kings of Rock: Tenacious D“ bezieht seinen Witz genau aus dieser Erkenntnis. Der Film singt ein Loblied auf die Freuden der Infantilität, zeigt uns zwei Protagonisten, die nicht nur unfähig und unwillig sind, sich selbst richtig einzuschätzen, sondern geradezu in Omnipotenzphantasien aufgehen: Da will man nicht einfach einen Song, sondern gleich ein Meisterwerk komponieren, wird der Penis für das rauschhafte Treiben hinter der Bühne ebenso trainiert wie die richtigen Posen auf der Bühne, der Bandname durch ein göttliches Zeichen ermittelt und zum Finale niemand Geringeres als Satan persönlich mit der eigenen Musik bezwungen. Und das alles mit einer Inbrunst, die durch nichts gerechtfertigt wird. Auch der Film unterwirft sich in der ersten Stunde dem sympathischen Größenwahn seiner Hauptfiguren, beginnt gar als handfestes Musical, das sich in seiner narrativen Struktur bei der epischen Dichtung bedient. Das ist ansteckend und macht Spaß, zumal auch die Musik von „Tenacious D“ – dem Bandprojekt von Jack Black und Kyle Gass – ihre Botschaft ausgezeichnet vermittelt.

Doch trotz der guten Ansätze versumpft „Kings of Rock: Tenacious D“ leider im letzten Drittel. Der Witz des Duos, der schon ein Album nicht über die volle Länge trägt, muss sich über 90 Minuten natürlich erst Recht abnutzen. Vor allem der infantile Drang zur Zote, mit dem in jedem Dialogsatz noch ein „cock“, „balls“ oder „fuck“ untergebracht wird, erweist sich schnell als ermüdend und ärgerlich. Letztlich hat „Kings of Rock: Tenacious D“ mit demselben Problem zu kämpfen, das fast jede der auf einem Comedy-Act beruhenden Komödien der letzten Jahre hatte: einen Mangel an Substanz. Was im Rahmen der Stand-Up-Comedy noch gut funktioniert, schlägt fehl, wenn man es in ein erzählerisches Korsett zwängen will. Der Film zum Witz, das klingt schon auf Papier ziemlich bescheuert. Aber „Kings of Rock: Tenacious D“ ist nur Symptom eines viel größeren Trends: Es wird ziemlich offenkundig, dass es kaum ein Genre gibt, das so dringend einer Frischzellenkur bedarf wie die Komödie. So verfällt auch „Kings of Rock: Tenacious D“sehr schnell ins dramaturgische Einerlei, das mit geläufigen und tausendfach erprobten Plotbausteinen operiert: Je nachdem, welche Variablen man einsetzt, hat man am Ende die Musiker-, Kiffer-, Sportler- oder Sonstwas-Komödie gewürzt mit den üblichen Verdächtigen in ihnen auf den Leib geschriebenen Gastrollen. In solcher Tätigkeit zeigt sich vielleicht großes kombinatorisches Geschick, für den Rockolymp bedarf es etwas größerer Risikobereitschaft und Leidenschaft.

Kings of Rock: Tenacious D
(Tenacious D in: The Pick of Destiny, USA 2006)
Regie: Liam Lynch, Drehbuch: Jack Black, Kyle Gass, Liam Lynch, Kamera: Robert Brinkmann, Musik: Andrew Gross, John King, Schnitt: David Rennie
Darsteller: Jack Black (JB), Kyle Gass (KG), Jason Reed (Lee), Tim Robbins (The Stranger), Ben Stiller (Guitar Store Guy), Dave Grohl (Satan)
Länge: ca. 90 Minuten
Verleih: Warner Bros.

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